Wolkendecke

Ich liege auf meinem Bett, starre in den grauen Himmel und träume mit offenen Augen von einem traumlosen Schlaf.
Ich bin müde, so müde. Schon die ganze Woche. Als habe mir irgendetwas allen Lebensmut geraubt. Heute gab es einen kurzen Gonzomoment, während dem ich mich besser gefühlt habe, Lust auf psychoaktive Drogen und eine uralte Schreibmaschine gehabt hätte und sicherlich einen verrückten Text produziert habe.
A² wirkt immer noch wie eine starke Droge, ein Seelenopiat. Irgendeine Drüse in meinem Gehirn oder zwischen meinen Gedärmen hat sich in eine hochempfindliche Antenne entwickelt, mit denen ich, wenn sie sich, und das tut sie noch immer viel zu oft, vegetativ-selbstständig aktiviert, ihre Signale auffange, jedes Auf- und Ab ihrer Brust, jeder Herzschlag, und ich habe nicht die Kraft, mich gegen die Bilder zu wehren, die in meinem Kopf wuchern wie Geschwüre. Ich habe einen Tumor in meinem Kopf. Zumindest einen metaphorischen.. Manchmal, im Halbschlaf, habe ich die gleichen Wahnwunschvorstellungen wie vor jenem verhängnissvollen Donnerstag, der „eigentlich ein toller Tag“ war und dennoch alles auf den Kopf stellte, was davor war. Ich wünsche mir dann nichts mehr als wieder in dieser Hütte zu sein, im hohen Norden, wo A² mir einen psychoaktiven Tee serviert hat.

Allein im Zeppelin. Klaustrophobie macht sich in den weiten Sälen breit.
Der Himmel ist überall grau. Und du bist den Menschen noch zu weit entfernt, um unter die Wolkendecke zu tauchen. Du musst warten. Ausharren. Das letzte Mal, als du versucht hast, zu landen, war der Himmel voller Blendlichter, auf dass du das Leuchtfeuer deiner Freunde nicht erkennen konntest. Leise zischte ein einzelner Feuerwerkskörper an der Gondel vorbei, ohne Schaden anzurichten. Sogleich hast du alle Hebel in Bewegung gesetzt, die das Luftschiff höher fliegen haben lassen.
Ja, das ist Flucht, aber hast du je etwas anderes getan als flüchten?
Hier oben ist es still und einsam. Keine Vögel. Keine Menschen. Keine Sorgen.
Nur ein Mann und sein Luftschiff.

Langsam wird es dunkler. Meine Augen sind immer noch nach oben gerichtet, zu dem Dachfenster, der Wolkendecke, dem Himmel, der keiner ist, dem unsichtbaren privaten Zeppelin, dem tausendantennigen Funkturm, der da irgendwo in D. oder manchmal auch in N. wandelt und seine schrecklichen Signale aussendet, die zu empfangen nur ich in der Lage bin. Ja, Dunkelheit, lege dich auf mich, hülle mich ein und bedecke mit mit dem Regen.
Das Wetter in diesen Tagen ist so ziemlich das einzige, was mich am Leben hällt, denn graue Wolken sind zumindest nicht für ihr Lachen bekannt. Vielleicht sollte ich mich in ein Dampfbad setzen und versuchen, alles Bedrückende aus mir heraus zu schwitzen und die dickflüssige, bräunlich glänzende Masse, die sich dann an meinen Körperhaaren sammeln würde, in ein Flakon tropfen lassen, um sie auf dem Gasherd stundenlang köcheln zu lassen, bis sie eingedickt ist und als psychoaktive Droge für schlechte Trips und Selbstmörder verkauft werden kann.

Wir haben uns im Traum verpasst.

3 Kommentare “Wolkendecke

  1. “Vielleicht sollte ich mich in ein Dampfbad setzen und versuchen, alles Bedrückende aus mir heraus zu schwitzen und die dickflüssige, bräunlich glänzende Masse, die sich dann an meinen Körperhaaren sammeln würde, in ein Flakon tropfen lassen, um sie auf dem Gasherd stundenlang köcheln zu lassen, bis sie eingedickt ist und als psychoaktive Droge für schlechte Trips und Selbstmörder verkauft werden kann.”

    Wow. amazingly well written. Love it.

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