„Das also ist mein Leben.“, denke ich, „rauchend süßen Kaffee mit viel zu viel Milch zu trinken“. In meinem Kopf rennen Landschaften vor meinem inneren Auge davon. „Will ich mich verlieben? Will ich ein Mann sein? Eine Frau? Was heißt das? Wo ist Ruth in dem Ganzen? Schmeck‘s Krapferl!“ Wie sollte ein Zeppelin in diesen Stürmen Kurs halten können? Wie sollte ich wissen, dass die See über dem hypertheoretischen Dänemark so rau-h ist?
Ich sollte mehr Texte über das Leben in Wien schreiben.
Ein Güterzug fährt durch. Wenn ich geradeaus blicke, flasht mich der Anblick der bunt bedruckten Container total. Werden Container bedruckt? Ich versuche über diese Frage nachzudenken, muss unwillkürlich einen Schritt zurück gehen, merke dabei nicht, dass ich schon gegen dem Betonblock, der glücklicherweise im Weg steht und meinem Rücken ergonomischen Halt bietet, laufe, weil mich der Anblick so in seinen Bann zieht, dass mir schwindlig wird. Wenn ich meinen Blick etwas abwende und schräg auf den schnell fahrenden Zug schaue, kann ich die Werbeaufdrucke lesen und dieses fiese flüssigkeitsgefüllte Organ in meinem Innenohr sendet keine verwirrenden Signale an mein sowieso schon verwirrtes Gehirn. Vestibularapparat. Allein das Wort schon. Vestibularapparat. Ist es überhaupt ein richtiger Apparat?
Gegen den Betonblock gepresst blicke ich wieder nach vorne und lasse den brachialen Eindruck auf mich einwirken. In diesem Moment scheint es das visuelle Äquivalent zu „Vom Zug überfahren werden“ zu sein. (Das stimmt nicht. Der Gedanke ist mir jetzt, beim Schreiben gekommen. Aber was heißt denn „in diesem Moment?„, frage ich euch, durch die vierte Wand hindurch!)
Ich suche auf Amateurvideopornoseiten nach bekannten Gesichtern. Ungute Vorahnungen, im Nachhinein betrachtet. Als hätten verwackelte Handyvideos irgendetwas mit der Realität zu tun. Die Realität ist, wie wir alle wissen, völlig haarlos, schönheitsoperiert, mit glänzendem Öl gefettet und von der ersten Berührung an laut stöhnend in HD gefilmt. (Zu viel Porno? Fickt euch, hahaha!) Ich kann nichts dafür, aber es ist meine Schuld.
Das Zeppelin droht, abzustürzen. Zum Glück ist das Steuer kein Rad, sondern eine goldene Schreibmaschine mit tausend goldenen Hebeln. Ich sitze – nicht unbedingt vor Fachkenntnis strotzend – vor dieser Apparatur, aber der Quecksilberstreif am Horizont leuchtet schon golden in einer sich öffnenden Wolkengasse.
Mit einem Male stehe ich wieder am Strand des Meeres der Verzweiflung. Ein trauriger, unheimlicher Ort, den ich nicht selbst erfunden habe und dessen Existenz ich beinahe vergessen hätte. Ein zufällig gelesener Kommentar bringt mich darauf, dass eine geheime Botschaft hinter diesen Filmen stecken könnte, die mich wieder einmal völlig flashen. Ich könnte auch sagen, sie hätte mein Gehirn total gefickt, aber ich schreibe ja zu viel über Sex, wenn ich mich auf die Meinung derjenigen, die es sich trauen, das auszusprechen, vertrauen kann. Die schweigende Mehrheit sagt selbstverständlich naturgemäß nie etwas dazu.
Rotes Meerwasser umspielt meine Knöchel. Ein guter Pirat … Ich versuche, all diese schrecklichen Gedanken mit „Blub“ zu vertreiben. Manchmal schreibe ich auch „BLUB“ auf meinen Notizblock oder sonstiges Papier, wenn ich nicht laut reden kann oder will. Oft funktioniert das. Fragt sich nur, ob die Luftblasen, die ich dazu denke, über die Oberfläche steigen oder ob die Gedanken nur sinken wie leckgeschlagene Erdöltransporter und am Grund verbleiben wie Seeminen, aus denen man später Möbeln bauen wird, falls sie entgegen aller Erwartungen nicht detonieren und mich – zumindest metaphorisch – in Stücke reißen. Oder hässliche Flecken auf Textilien hinterlassen.

Der Baron von Luxemburg
Ruth würde darüber nur lachen. Mein Basilikum ist verdorrt. Und mein neuer Freund, Persea gratissima, voll mit hoch-giftigem Persin, versucht mir zu entwachsen. Das an meinem Daumen scheint nur Farbe zu sein.
Ich überlege schon länger, mir Tee zu kochen. Beschließe immer wieder, es zu tun, vergesse es aber dann direkt wieder. Wenn es mir wieder einfällt, muss ich aufs Klo und vergesse es auf dem Rückweg wieder. Ein Teufelskreis, den zu durchbrechen ich nicht die Kraft habe.
Gänsehaut an meinen Knöcheln. Ich zittere, das rote Wasser ist kalt. Die Zigarette (obwohl ich ja überhaupt nicht rauche!) verformt sich zwischen meinen Fingern. Ruth. Ich spüre ihre Anwesenheit, ich weiß instinktiv, dass sie mein Revier betreten hat. Nur zu gerne würde ich mit ihr treffen und sie zum Duell auf Leben und blaue Flecken mit diesen Versandrollen, in denen man Poster verschickt, auffordern. Aber eigentlich bin ich nicht wegen ihr nervös. „Eigentlich“, sage ich mir, „sollte ich überhaupt nicht nervös sein! Ich sollte aufrecht, mutig und voller Tatendrang sein, ein kraftvoller Bursche in seinen besten Jahren!“.
Mein Bett ist groß und leer. Aber immerhin bequem.
Durch mein Hirn kriechen garstige Insekten aus dem Weltraum, in sauerstoffangereichterter Umgebung hochgezüchtet auf unglaubliche Größen. Ersticken können sie, dank Tracheenatmung, nur schwerlich. Ich suche verzweifelt nach einer Tube Bauschaum. Ich müsste mir einen extra langen, dünnen Aufsatz bauen, den ich in meine Nase, denn durch das Ohr geht es wegen übermäßiger Liebe zu meinem Trommelfell nicht, schieben könnte und mit dem ich den Viechern dann Baumschaum in ihre Atemorgane spritzen könnte, so dass sie ersticken und mich nicht länger belästigen würden!
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noch ein epos? ein traum? ein tagtraum? das leben?
einerlei…
Wohl ein wenig von all dem. Einiges ist wirklich passiert, bei manchem bin ich mir nicht sicher und wieder andere Dinge sind erfunden. Ich gehe momentan davon aus, dass der Text mich gestern vorm Wahnsinn gerettet hat.
verstörend, irgendwie, und fesselnd.
ich kann den text nicht einfach überfliegen, kaum lese ich ein paar worte gerate ich in seinen sog und hab auch das gefühl, dass ich gleich wahnsinnig werden muss.
schon irgendwie ziemlich gut, jedenfalls! :)
Schreiben ist ein gutes Mittel gegen den Wahnsinn! Also weiter schreiben.
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