<link rel="stylesheet" href="goodnight.css" type="text/css" />
Ich lege mich ins Bett, ziehe die Decke über die metaphorischen Ohren. Das Bett ist gemütlich, fast zu weich. Wie eine zweite Decke aus schwerem Stoff liegt meine Müdigkeit über mir und drückt mich in den Schlaf.
[[Gleich nach dem Einschlafen gleite ich aus dem Bett.->Mg2+]]
[[Meine Augen fallen zu und im nächsten Moment sind sie wieder offen.]]
<small><a href="https://www.flickr.com/photos/jasontrbovich/19136743089/">photo</a> <a href="https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/">cc by</a> <a href="https://www.flickr.com/photos/jasontrbovich/">Jason Trbovich</a></small><link rel="stylesheet" href="vernissage.css" type="text/css" />
(set: $neon to (text-style: "shudder") + (text-style:"blink") + (text-color:"pink"))
Es gibt grundlos Sekt und Chips. Ich muss mich auf einer Vernissage befinden! Da hier keine Kunst steht, muss ich das Kunstwerk sein. Wahrscheinlich besteht „das Kunstwerk“ in einer Performance, in der ich verzweifelt nach Kunst und Anspielungen suche. Die Anführungszeichen schweben frei im Raum, aber niemand fragt, wie das möglich ist, es ist schließlich Kunst und nicht der Marktstand eines italienischen Quantenphysikers, dem niemand glauben will.
Wüst beschimpfe ich das Publikum: „Sie sind doch der aus diesem Film da! Was machen sie hier, Sie Meta-Dings? Sie da, sind aus einem Kubrick-Film? IST DAS HIER EIN TROPE?“ In einem kurzen Moment der Stille schnäuzt jemand die Nase, er sieht verdächtig aus wie Sigmund Freud. „Ist das alles eine Anspielung an Neon Genesis Evangelion?“
Bei jedem meiner Sätze flackert über mir in rosa Leuchtschrift das Wort „$neon[postmodern!]“ auf, damit das auch ja alle verstehen. Niemand versteht meine Fragen, nur manchmal kichert jemand oder ein komplett unironisches Grinsen ist in einem Gesicht zu sehen, das daraufhin errötet und seine Entgleisung sofort korrigiert und wieder ironisch grinst, denn alles ist ironisch, sogar mein Schnurrbart, den ich in meinem Vollbart verstecke.
Ich trinke den Sekt und esse die Chips. Außer mir traut sich niemand, denn dies ist ja Kunst und deswegen müssen mir alle zusehen, denn würden sie teilnehmen an der Performance wären es nur Menschen in einem weißen Raum, die Sekt trinken und Chips essen. Ich versuche die vierte Wand zu durchbrechen, aber natürlich sind alle gebrieft. Sie dürfen nicht reagieren. Sogar die Person im Pikachukostüm bleibt ruhig, als ich sie an ihren gelben Plüschschultern packe und schüttele.
Verzweifelt versuche ich aufzuwachen, aber das hier ist alles echt. Und das meine ich nicht einmal ironisch.
[[Ich muss dieses Haus verlassen->Pulloversegel]]
[[Ich bin in der Eingangshalle eines Flughafens->Aérogareportdrome I]]
[[Ich muss meinen Zug erwischen->beaucoup de mousse]]
<small><a href="https://www.flickr.com/photos/urbanbensci/7175653510/in/photolist-ujyMYC-bW66MY-nCoLVd-bW67kS-nSQGsq-nUTM7M">photo of museum</a> <a href="https://creativecommons.org/licenses/by-nd/2.0/">cc-nd</a> <a href="https://www.flickr.com/people/urbanbensci/">Ben Scicluna</a></small>(set: $mousse to "gegessen")
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Ich fahre mit der Eisenbahn durch eine flache Graslandschaft, ein Meer aus Halmen. Ich sehe den Zug von oben. Imposante Außenaufnahme, die heranzoomt und mich durch das etwas fleckige Fenster zeigt, wie ich im Zug durch die Graslandschaft fahre. Ich sitze in einem dieser altmodischen Sechserabteile. Es ist, abgesehen von mir, leer. Ich suche eine_n Gesprächspartner_in und finde sie in einer alten Dame, die zwei Abteile weiter sitzt und strickt. Sie strickt einen unglaublich langen Schal, der ihr Sechserabteil schon zur Hälfte ausfüllt. Ich kann nicht erkennen, welche Farben der Schal hat – auch nicht, wie viel Wolle die Frau dabei hat.
Ich versuche sie zu fragen, hoffe, dass sie mir die Farbe ihres Schals beschreiben kann, denn ich kann es immer noch nicht herausfinden und werde langsam etwas unruhig, weil ich befürchte, plötzlich farbenblind geworden zu sein. „Darf ich dann noch Fahrradfahren?“, frage ich, ohne eine Antwort zu erwarten.
Die Dame stellt das Stricken kurz ein, kramt in ihrer Handtasche, aus der sich ein einzelner Wollfaden zu ihren Stricknadeln schlängelt und händigt mir einen runden Bierdeckel aus.
Er ist mit Werbung für ein Bier bedruckt, das ich nicht kenne. Ich drehe ihn um und sehe, dass die Unterseite eins dieser merkwürdigen Farbenblindheitstestsbilder ist. Ich erkenne die Zahlen und atme beruhigt aus.
Ich kann dennoch immer noch nicht erkennen, wie der Schal, der sich kilometerlang im Abteil windet, gefärbt ist. Mir fällt auf, dass die Dame noch kein Wort zu mir gesagt hat und ich mein Ticket nicht bei mir habe, was in diesem Zug eine schwere Straftat darstellt. Ich eile zurück in mein Abteil, um ein Ticket ZU JEDER ZEIT an meinem Körper tragen zu können. Mit schwarzem Gaffatape befestige ich das Ticket an meiner Seite, unter dem T-Shirt und mich sogleich sicherer vor den Kontrollen von Zugbegleitung, Polizei, Zoll, Bundespolizei, Europol, NSA, CIA, Interpol und den drei Fragezeichen.
Ich möchte Minitaturwälder aus Karfiol und Brokkoli streicheln und einen Romanesco in die Mitte meines Parks setzen. Es wäre schön, wenn es kleine Minitaturbäume und -wälder gäbe, die ich mir auf die Fensterbank stellen und zu gießen vergessen könnte. Noch viel schöner wäre es, wenn ich diese Wälder streicheln könnte wie Katzen.
Hinter der Fensterscheibe ist immer noch nur Grasland, es hört nicht auf und ich fürchte schon, dass der Zug niemals ankommen wird. Es stört mich nicht sonderlich, denn ich habe es nicht eilig, und das ist das beste Gefühl, das ich auf Reisen haben kann. Vorfreude oder Nervosität sind nicht die besten Reisebegleiterinnen, die Ruhe ist es. Die Ruhe lacht Verspätungen ins Gesicht, sie lässt mich Schienenersatzverkehr mit einem stoischen buddhahaften Grinsen ertragen.
Aber in Wahrheit habe ich keine Ruhe. Sie war nachgemacht, in geheimen Werkstätten in Kellergeschossen von verlassenen Fabriken nachgemacht und nachträglich gefälscht. Ich weiß das, genauso wie ich weiß, dass „die Behörden“ meine Fake-Ruhe beschlagnahmen werden, wenn sie sie bemerken.
[[Ich habe unglaubliche Lust auf Kaffee.->mousseII]]<link rel="stylesheet" href="pulloversegel.css" type="text/css" />
Als ich das Haus verlasse, einmal mehr beinahe zu spät, habe ich meinen Pullover mit dem Totoromuster in der Hand und will ihn im Gehen in meine Umhängetasche stopfen. Der Wind, in diesem Teil der Welt ein seltener, aber meist gern gesehener Gast, bläst den Hügel, auf dem ich wohne, hoch und bläht den Pullover auf wie ein Segel. Ich versuche gegen den unerwarteten Widerstand anzugehen. Es muss aussehen wie in einem Comic, lustig und ein bisschen dramatisch zugleich, wie ich von meinem eigenen Lieblingspullover aufgehalten werde. Den Zug werde ich wahrscheinlich verpassen, wenn der Wind nicht nachlässt.
Aber er wird stärker, mein grauer Kaputzenpullover bläht sich stärker und stärker auf, wird groß wie ein Segel. Aus meinem schnellen Schritt in Richtung Bahnhof ist ein Kampf gegen das Abheben geworden. Eine stärkere Böhe kommt, erfasst mich und mein Totoro-Segel und ich hebe ab. Eine steife Brise (ich wollte diese Formulierung immer schon einmal verwenden) erfasst mich und ich fliege davon. Es ist die falsche Richtung, aber es gibt nichts, was ich jetzt noch tun könnte. So ergebe ich meinem Schicksal, halte nach Möwen Ausschau [[und segele davon … ->Moosbett]]<link rel="stylesheet" href="moos.css" type="text/css" />
Irgendwann landete ich wieder, nachdem der Wind mich mit dem Pulloversegel davongetragen hatte. Ich war über einen tiefgrünen Wald gesegelt, der von oben wie ein grünes, leicht im Wind wogendes Meer ausgesehen hatte. Ich konnte mir nicht erklären, warum mir nichts passiert war, wie ich diese Reise ohne jede Verletzung überstanden hatte. Ich war in einem Bett aus weichem, nicht zu nassen Moos aufgewacht und hatte an eine Geschichte denken müssen, die mir ein Waldläufer einst erzählt hatte, der wohl bei einer kurzen Rast auf einem Moospolster eingeschlafen war.
Ich war also aufgewacht und gelandet, im Moos gebettet und von meinem Totoropulloversegel zugedeckt, und so blinzelte ich in die warme Abendsonne, die wie ich feststellen sollte, in diesem Wald immer schien. Das Licht veränderte sich nicht, obwohl es natürlich Nacht und Tag wurde, was ich einzig am Aufgang der Sterne bemerkte. Ich sah nicht viele von ihnen unter dem tiefgrünen Blätter- und Nadeldach, unter dem ich auf weichem Untergrund wandelte, ohne Recht eine Ahnung zu haben, welche Richtung ich eingeschlagen hatte. Ich musste an ein Buch denken, dass ich als Kind gelesen hatte und das mich zu tiefst verstört hatte. Dort musste ein Geschwisterpaar alleine im Wald überleben und dazu befolgte die Schwester den Rat des Vaters, Insekten in das Essen zu mischen, damit es eiweißreich war. Natürlich wurde dies durch den Rat des Vaters am Anfang der Geschichte gelampshadet, was es für mich aber nicht weniger merkwürdig machte, darüber zu lesen.
Die Sterne glänzten schon hell zwischen den Blättern hervor, als ich mitten im Wald …
[[eine Hütte erblickte …->an unexpected package]]
[[erkenne, dass ich mich in einem unmöglichen Gebirge befinde …->Gebirge I]]
[[ein merkwürdiges, seltsames Geräusch höre->wach.]]<link rel="stylesheet" href="huette.css" type="text/css" />
Ich öffne die Tür eines Hauses am Rande des Waldes, das nicht mir gehört, das ich aber wohl bewohne. Vor der Tür liegt der Wald, dicht und grün und voller Unterholz. Außerdem liegt vor der Tür noch etwas, nämlich ein Paket. Es ist kein modernes mit //amazon.com//-Aufdruck und praktischer Lasche zum Aufreißen: Es ist altmodisch verschnürt und mit braunem Papier eingewickelt. Als Adresse steht nur mein Name drauf, in einer Schrift, die ich nicht lesen kann. Ich weiß aber, dass es mein Name ist. Anscheinend bin ich so bekannt, dass die Post mir die Pakete auch in den eigentlich undurchdringbaren Wald aus Dunkelgrün und Fichten bringt, wenn nur mein Name in einer komplett unleserlichen Schrift drauf steht. Das ist die einzige Erklärung, die ich akzeptiere und deswegen beginne ich noch auf der Türschwelle, die Schnur vom Paket loszuwickelen. Nach ungefähr einhundert Umdrehungen habe ich eine neue Spule Paketband, braun und fasrig und nach Staub riechend, wie aus der Schublade eines nicht genutzten Büros, in der Hand.
Das braune Paketpapier knistert und legt, enthüllt, eine Schachtel frei, ebenfalls aus braunem Karton. Ich bemerke einen merkwürdigen Geruch, der wirklich süßlich riecht, im Gegensatz zu dem, was Polizeimeldungen gerne als „süßlich“ bezeichnen. Ich weiß nicht, woher er kommt, aber ich vermute, dass es nicht das Unterholz ist, denn gerade in dem Moment weht eine sanfte Brise eine leichte Mischung aus Zahnpasta, Erde und Tannennadelbadezusatz geradewegs in meine Nase, die sich leicht gekitzelt fühlt.
In dem Karton liegt in grauem, dicken Papier eingewickelt ein Einmachglas, das nochmal dicke Watte verpackt ist, die wie Zuckerwatte riecht, aber nicht essbar ist, wie ich von einem winzigen Zettel erfahre. Nachdem ich die Watte entfernt habe, sehe ich, dass das Glas mit Blitzen gefüllt ist. Sie zucken mit beunruhigender Regelmäßigkeit in dem Glas, das entgegen aller Regeln kalt bleibt. Ich habe keine Probleme, sie anzusehen, sie sind sehr schön, ich mag Blitze, und diese schmerzen nicht in den Augen, egal wie oft und wie lange ich sie anschaue. Dennoch muss ich weinen. Das liegt aber nicht an den Blitzen, nicht an dem Wald, der immer noch ein wenig nach Zahnpasta riecht und auch nicht daran, dass ich in einem merkwürdigen Haus wohne, was ich bis vor einigen Minuten nicht wusste.
Ich bin gerührt und gleichzeitig sehr verwirrt, den ich hätte nicht mit so einer Überraschung gerechnet. Ich sehe nichts mehr und versuche, zurück ins Haus zu gehen. Dabei stolpere ich mehr als dass ich gehe und halte das Einmachglas mit den Blitzen so fest, wie es nur geht. Warme Tränen rinnen meine Wangen runter, unter meinen Barthaaren, so als wäre ich gar nicht rasiert und hätte ein scheinbar unbehaartes Kindergesicht und bilden winzig-kleine Wasserfälle an meinem Kinn. Mit letzter Kraft schaffe ich es, das Glas sicher in ein Regal zu stellen, neben das mit dem Nebel, den ich (die Erinnerung ist nicht ganz klar und die unglaublich kräftige Welle der Rührung und Traurigkeit, die mich erfasst hat, macht es schwer, klar darüber nachzudenken) vor einiger Zeit im Wald eingesammelt habe.
Ich setze mich auf den Boden. Meine Augen brennen nicht, aber ich sehe kaum etwas. Ich weine, als würde es mir das Herz zerreißen. Das letzte Mal, als ich so geweint habe, musste ich daran denken, wie einsam Raumsonden um Kometen wohl sind. Das einzige, was ich in dem von den Tränen gewölbtem Blickfeld erkennen kann ist das Aufleuchten der Blitze.
Als ich wieder etwas sehe, befinde ich mich …
[[auf einem Flughafen, der gleichzeitig auch ein Busbahnhof ist->Aérogareportdrome I]]
[[wieder in meinem Bett->Mg2+]]
[[in einem unmöglichen Gebirge->Gebirge I]]
[[Was ist das für ein Geräusch?->wach.]]
<link rel="stylesheet" href="mg2plus.css" type="text/css" />
Gleich nach dem Einschlafen gleite ich aus dem Bett. Oder vielmehr: durch das Bett. Ich sehe mich selbst darin, wie in einem glitzernden Spiegel aus bewegtem Leintuch, das entfernt nach Wasseroberfläche aussieht. Obwohl ich eigentlich in dem Zimmer unter meinem Fußboden (oder zumindest unter meinem Bett) schweben sollte, befinde ich mich im dunkelblauen Nachthimmel. Es ist noch nicht sehr spät, aber einige spitze Sterne sind schon aufgegangen. Der Mond ist aus irgendeinem Grund dreieckig und keine Sichel oder ein Rund. Ich kann darüber nicht staunen, immerhin wurde dem Mond in letzter Zeit wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Ich denke nicht darüber nach, dass ich eigentlich nicht schweben oder eine Art der Schwerelosigkeit erfahren sollte, obwohl ich bereits an mehreren Cafetischen geäußert habe, dass dies in solchen Situationen meine erste Priorität wäre. Ein wenig so, wie ich als Kind stets behauptet habe, ich würde nicht kreischen und um mein Leben bangen, rutschte ich eine comichafte Rutsche in eine Höhle, so wie es die Protagonist_innen der von mir konsumierten Zeichentrickserien stets und erstaunlich oft taten. Vielleicht tun die das ja auch nur, damit sich die zusehenden Kinder für mutiger halten können. Ich schwebe also, ohne viel nachzudenken, durch den immer dunkler werdenden Nachthimmel.
Am Dach ist eine kleine Plattform aus Stahl. Kleine metallene Quadrate bohren sich schmerzhaft in meine nackten Füße. Auf der Plattform (die es eigentlich überhaupt nicht gibt) stehen Menschen, vielleicht auch ein Fuchs auf zwei Beinen in einem Anzug (aber ohne Krawatte). Einer von ihnen ist möglicherweise ein ehemaliger griechischer Finanzminister. Ich bin zu scheu, um mich groß vorzustellen, hebe nur die Hand und mache eine müde Winkbewegung, um nicht zu große Aufmerksamkeit auf mich und mein fürchtliches //underdressed//-Sein zu lenken. Dennoch reicht eine der Gestalten mir eine Wasserflasche. Sie ist aus Glas, hat jedoch einen Drehverschluss aus Plastik, den ich nur mit Mühen öffnen kann. Auf der Flasche ist die chemische Zusammensetzung, beziehungsweise die gesunden und wichtigen Mineralstoffe, eingeprägt. Die Kohlensäure kitzelt mich an der Nase, als ich zum trinken ansetze. Obwohl ich die Prägung gesehen habe, bemerke ich erst beim Trinken, dass das Wasser einen sehr hohen Anteil an Magnesium enthält, was ihm einen metallischen Geschmack gibt, den ich sehr mag.
„Vielleicht solltest du einfach Leitungswasser mit rostigen Nägeln trinken!“, gibt eine der Gestalten zu bedenken. Ich antworte nichts, sondern trinke weiter das Wasser, das übrigens durchsichtig ist. Seit es Mineralwasser mit zugesetzter Vulkanasche (oder so etwas in der Art) gibt, das gänzlich schwarz ist, muss ich das ja extra erwähnen.
Während ich Wasser trinke, rauchen die Gestalten sehr dünne und sehr lange selbstgedrehte Zigaretten, deren Rauch ich nicht riechen kann. Vielleicht, weil die Kohlensäure immer noch so schön in meine(sic!) Nasenlöcher prickelt. Sie reden nicht, sondern sehen sich (und mich, was mich sehr nervös macht) nur gegenseitig in die Augen und nicken dann verständnisvoll. Ich bewundere das, weil ich es in diesem Moment für die bestmögliche Art der Kommunikation halte. Ich trinke mein Wasser und nicke, wenn ich besonders tief angesehen werde, ebenfalls, obwohl ich nicht weiß, ob ich es im richtigen Moment tue oder ob es angebracht ist. Ich ernte verständnisvolle Blicke, vielleicht verzieht sich sogar ein Mundwinkel zu einem Lächeln.
Zum Abschied ernte ich feste Händedrucke, zuletzt von dem Fuchs und der Gestalt, die eventuell ein ehemaliger griechischer Finanzminister ist.
[[Meine Reise ist noch nicht vorbei. ->beaucoup de mousse]]
[[Ich stehe auf und schreibe einen Blogeintrag ->rumoxidieren]]<link rel="stylesheet" href="goodnight.css" type="text/css" />
[[Es gibt grundlos Sekt und Chips. ->Vernissage postmoderne]]
[[Ich fahre mit der Eisenbahn. ->beaucoup de mousse]]
[[Ich verlasse das Haus. ->Pulloversegel]]
[[Ich öffne die Tür eines Hauses am Rande des Waldes. ->an unexpected package]]
<small><a href="https://www.flickr.com/photos/jasontrbovich/19136743089/">photo</a> <a href="https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/">cc by</a> <a href="https://www.flickr.com/photos/jasontrbovich/">Jason Trbovich</a></small><link rel="stylesheet" href="gebirgeI.css" type="text/css" />
Ich stehe in einem unmöglichen Gebirge. Die Felsen sind grün, wie geschliffener Speckstein und haben viel zu perfekte Formen. Zumindest scheinbar, denn bei näherem Hinsehen offenbart sich, dass die Pyramide abgeflachte Spitzen oder der Quader eingedellte Kanten hat. Ich fühle mich sofort unwohl, denn ich erkenne an den kleinen Gipfeln am Horizont, dass ich mich sehr hoch oben befinden muss. Ich habe noch keinen Anfall von Höhenangst, aber da ist etwas in meinem Bauch, das sich nicht gut anfühlt. Ich betrachte die skurrilen Formen der Felsen, die am Rand des Weges stehen, wie Skulpturen einer nicht sehr gut besuchten Ausstellung.
Es ist still. Der Wind pfeift nicht bedrohlich und keine Adler oder Rabenvögel krächzen ihr Standardtonbandgekrächze. Ich atme tief ein und aus. Der Himmel ist wolkenlos, ein tiefes, bedrohliches Blau, so rein wie die Luft in dieser Höhe, die außerdem meine Haare vom Schmutz der Stadt reinigt und mein Sehvermögen verbessert. Ich weiß nicht, in welche Richtung in den Weg gehen soll, aber ich vermute, dass ich nach oben soll. In mir gibt es einen merkwürdigen Drang, weiter nach oben zu gehen und zu überprüfen, ob der Himmel tatsächlich aus blauem Glas besteht, wie es von hier aus aussieht.
Ich komme an einem Mann vorbei, der mit verbundenen Augen zwei weiße Handtücher anfasst. Er will herausfinden, welches mit dem teueren Waschmittel gewaschen wurde und deswegen extra flauschig ist. Ich verrate ihm das Geheimnis flauschiger Wäsche: Im Trockner trocknen! Er streicht sich durch seinen langen weißen Bart und murmelt etwas von Metaanspielungen in Träumen und dem Urheber_innenrecht. Ich kann das alles nicht ernst nehmen und sage nichts mehr, auch dann nicht, als sich ein seltsam lautloses Vogelpaar sein Nest auf einem der beiden Handtücher baut.
An meinem Gürtel baumeln lustig kleine Gegenstände, deren Funktion und Name ich nicht benennen kann, nur die schwarze Sphäre, die ganz links an meiner Hüfte hängt und jedem Schritt nach vorne wie ein Gegengewicht nach hinten pendelt, kommt mir bekannt vor. Ich nenne sie Kompass, obwohl sie keine Nadel hat und ich keine Karte besitze und mir relativ sicher bin, dass es meiner Lage nicht weiterhilft, wenn ich weiß, wo Norden oder ein ausreichend großes Depot an magnetischem Gestein ist. Der Weg, mit feinem Kies markiert, hört plötzlich auf. Stattdessen gibt es gigantische Treppe mit Stufen, die über einen halben Meter hoch sind, die ich erklettern könnte. Zögernd greife ich nach dem Kompass, der praktisch an einem ausfahrbaren elastischem Band an meinem Gürtel hängt, und halte ihn in die Luft.
Er zeigt nach Norden. Ich muss weiter nach oben, um zu sehen, ob der Himmel tatsächlich undsoweiter. Kühn strecke ich den Hals in die Höhe und spüre die Verzweiflung, die meine Wirbelsäule erklettert. Am Rücken trage ich ein Rund, das sich durch pures Hinwerfen in ein Zelt verwandelt. Ich werfe es und beschließe, für den Rest des Tages alles zu schmeißen. [[Morgen werde ich weitergehen, Morgen!->Gebirge II]]<link rel="stylesheet" href="gebirgeII.css" type="text/css" />
Ich tippe mit meinen Fingern auf dem Schreibtisch, gebe einen Takt an. Fast so, als würde ich ein Lied beginnen wollen. Aber ich habe kein Taktgefühl und keine Ahnung, wie Takte angezählt werden. Es erfüllt seinen Zweck. Das [[Geräusch->wach.]] meiner Nägel, die schneller wachsen, seit ich aus Versehen mit dem Rauchen aufgehört habe, auf dem Holz, das mich länger kennt als beinahe jede_r von euch, macht mich so nervös, dass ich mich aufraffe und das Zelt verlasse. In dem Zelt sah alles aus wie in meinem Jugendzimmer, mit dem einzigen Unterschied, dass die Wände statt aus Holz und Glaswolle aus Zeltstoff sind.
Im Draußen immer noch das Specksteingebirge, grün und geheimnisvoll. Ich habe alle Zeit der Welt prokrastiniert, statt darüber nachzudenken, wie ich die riesigen Stufen erklimmen soll. Es stellt sich heraus, dass jedes Bangen und Grübeln darüber sinnlos war: Ich kann ohne Probleme hochklettern, nur muss ich es auf allen Vieren tun und komme mir dabei leicht lächerlich vor. Aber so ist das nun einmal im Gebirge: der Mensch wird auf das Wesentliche reduziert. Fortbewegung, Multifunktionsjacken, fancy Spezialnahrung, die hundert Millionen Jahre haltbar ist und Spezialklopapier, das sich schon in der Packung zersetzt.
Die Stufen beginnen sich zu bewegen. Zuerst ist es nur ein sehr undeutliches und kaum wahrnehmbares Vibrieren, das ich fünf Minuten oder fünfzehn Stufen lang ignoriere. Dann werden die Abstände zwischen den Stufen plötzlich unregelmäßiger, einmal habe ich sogar das Gefühl, die Stufe, von der ich hochklettere, entzieht sich dem letzten Fuß, den ich auf ihr stehen hatte. Ich notiere [„Beunruhigung!“]<beunruh| in mein geistiges Logbuch und [unterstreiche]<unterstreiche| das Wort. [Zweimal, mit extra viel Druck]<zweimal| [[auf den geistigen Stift.->Gebirge III]]
(click: ?unterstreiche)[ (replace: ?beunruh)[(text-style: "underline")[„Beunruhigung!“]] ]
(click: ?zweimal)[ (replace: ?beunruh)[ <span style="text-decoration:underline;
border-bottom: 1px solid #000;">„Beunruhigung!“</span> ]]<link rel="stylesheet" href="gebirgeIII.css" type="text/css" />
Ich notiere weiter in mein unsichtbares, geistiges Notizbuch: „Das ist mir alles ein Rätsel. Warum stehe ich in einem Gebirge, wo ich Berge doch gar nicht mag und die Berge mich auch nicht?“ Ich habe die Geschichte schon oft erzählt, wie ich einmal den Fuß auf nacktes Gestein setzte und es im nächsten Moment anfing tischtennisballgroße Hagelkörner zu hageln und der schöne Wochenendausflug letzten Endes nur ein lange Autobahnfahrt in einem großen Auto wurde.
Das war nicht immer so.
Es gab eine Zeit, da wünschte ich mir nichts mehr als einen Skiurlaub. Ich weiß nicht genau warum, aber ich wollte das unbedingt tun. Vielleicht auch einen Wanderurlaub. Wahrscheinlich würde ich die Berge heute lieben, wäre ich in einem Land aufgewachsen, in dem es richtig hohe Berge gibt. Aber heute verstehe ich schlecht, wieso Menschen diese Anstrengung des Hoch- und Wiederrunterlaufens auf sich nehmen, wenn es doch auch andere Möglichkeiten gibt, durch die Landschaft zu kommen.
Warum klettere und kraxele ich diese grünen Felsen hoch, die mit jeder Stufe steiler und spitzer und scharfer werden? Es ist immer noch kein Wind zu hören, der blaue Himmel ist einem unheimlichen, dicken Nebel gewichen, der sich an seinen Rändern wie Watte anfühlt. Wenn ich die Hand weiter eintauche, um herauszufinden, ob dieses Wetterphänomen vielleicht wirklich Watte ist, ist da nur mehr Luftfeuchte. Ich taste mich durch den Wattenebel, immer an den scharfen Kanten der Felsen entlang, immer weiter nach oben. Das ist ohnehin die einzige Richtung, die ich noch erkennen kann, ohne den merkwürdigen Kompass, der mir etwas Angst macht und macht, dass die Haare auf meinem Rücken sich aufstellen und für ein paar Sekunden hart wie Draht werden, zu verwenden.
Immerhin bewegen die Stufen sich nicht mehr. Oder ich spüre nicht mehr, dass sie es tun, falls ich mir das nicht nur eingebildet haben sollte. Ich erklettere die letzte Stufe. Das erkenne ich daran, dass in großen Lettern diese Worte eingraviert sind: **DIE LETZTE STUFE**. Manche Dinge sind dann doch offensichtlich. Der nächste Teil des Weges ist wieder mit kleinen, runden, grünen Kieselsteinen bedeckt, die unvorsichtigen Wanderer_innnen (solchen mit schlechtem Schuhwerk) in die Schuhe springen und den Rest des Weges in die Fußsohle stechen. Ich sehe nicht, was sich am Rand befindet, denn die Watte versperrt mir die Sicht. Soweit ich weiß, könnte es tausend Kilometer senkrecht in die Tiefe gehen.
Ich wage es nicht, einen Kiesel in den Nebel zu werfen, um meine Theorie (oder eher die schlimmste und angsterregendste Theorie, die ich mir ausdenken konnte) zu überprüfen. „Blaues Glas!“, denke ich, inklusive Ausrufezeichen und [[beschleunige meine Schritte.->Gebirge IV]]<link rel="stylesheet" href="gebirgeIV.css" type="text/css" />
Der Weg wird immer steiler. Das wundert mich nicht, denn ich erklimme ja einen Berg, der sich ja zuspitzen muss, was gleichzeitig bedeutet, dass alle Wege steiler werden müssen, je mehr ich mich der Spitze nähere. Zumindest scheint mir das eine logische Annahme zu sein. Ich habe zwar einen Gürtel voller merkwürdige Instrumente mit, die mir beim Bergsteigen helfen sollen, aber leider befindet sich darunter kein Miniaturphysikbuch, in dem ich solche Annahmen nachschlagen könnte. So sehr ich dies auch betrauere, so groß ist auch mein Misstrauen, in solch einem Werk überhaupt eine Antwort auf meine Fragestellung zu finden. Aber es bleibt keine Zeit, über den Inhalt hypothetischer Physikbücher zu sinnieren, ich muss zum Gipfel und überprüfen, ob der Himmel aus blauem Glas ist.
Der Wattenebel rückt näher an den Weg. Ich habe das Gefühl, durch einen schmalen Tunnel zu gehen, der steil an die Oberfläche führt. Aber ich weiß instinktiv, dass ich mich hoch oben im Gebirge befinde, denn auch das Atmen fällt mir mittlerweile schwerer. Auch für dieses Problem habe ich eine Lösung an meinem Gürtel. Eine goldene Stimmgabel, deren Zacken ich in meine Nasenlöcher stecke, sorgt für sorgenfreie Sauerstoffversorgung. Ich kann mir nicht erklären, wie das Gerät funktionieren soll, ich spüre es nach dem Einsetzen auch kaum noch, aber jeder Luftzug fühlt sich an wie ein kleiner Urlaub für meine Lungen, rein und frisch, das Atemluftäquivalent zu klarem Bergquellwasser, das Jahrtausende im Gestein gereinigt wurde (zumindest laut der Fernsehwerbung, die bekannterweise niemals lügt!)
Ein kurzer Schmerz flammt rechts auf meiner Stirn, nur anderthalb Zentimeter unter dem Haaransatz auf und verbleibt für exakt sieben Sekunden dort. Ein Gedanke wird geboren. Ich denke mir nichts dabei und mache mich weiter Richtung Gipfel.
Der steile Weg endet an einer Felswand. Zumindest halte ich sie auf den ersten Blick für eine Felswand. Als ich näher komme und mit jedem Schritt Hoffnung verliere, weil ich niemals eine senkrechte Wand erklimmen könnte, entdecke ich, dass die Wand wie eine Badezimmer gefliest ist, in hübschen grünen Fliesen, die aus dem gleichen Gestein wie der Rest des Gebirges zu bestehen scheinen. Außerdem gibt es eine Leiter, wie sie in Schwimmbädern üblich sind, aus Metall, mit dicken, runden Handläufen.
Ich setze einen Schritt auf den ersten Tritt. Der Berg fällt nicht wie ein Kartenhaus zusammen. Es ertönt keine tiefe Stimme, die mir einen schrecklichen und schmerzhaften Tod prophezeit. Kein Erdbeben ist zu spüren. Keine Lawine begräbt mich unter einer erstickenden Schicht Pulverschnee. Nichts passiert. Ich blicke stur geradeaus und betrachte die grünen Fliesen, als ich einen weiteren Tritt nach oben klettere. Ich wage einen Blick nach rechts: Wattenebel. Ein weiterer Blick nach links: Wattenebel. Über mir ist kein Nebel, sondern ein quadratischer Ausschnitt des blauen Glashimmels. Ein hastiger Blick über meine Schulter: nichts als Luft, der steile grüne Weg, der sich in den Nebelschwaden verliert. Langsam steige ich nach oben, als würde ich aus einem sehr tiefen Schwimmbecken aufsteigen, Tritt für Tritt. Noch immer ist es still, noch immer ist die Wand vor mir gefliest.
Ich rutsche nicht ab, während des ganzen Aufstieges nicht, obwohl ich die ganze Zeit Angst davor habe. Meine Hände zittern, die Finger fühlen sich an, als würden sie jeden Moment verkrampfen, aber es passiert nichts, obwohl ich mehr schwitze als sonst. Als ich unter meinen Händen die Krümmung der Seitenstreben der Leiter spüre und weiß, dass ich am Ziel bin, strecke ich meine Arme durch, als würde ich mich aus dem Wasser hieven.
Der Himmel ist tatsächlich aus tiefblauem Glas.
Er hat nun einen kleinen Sprung. Und ich eine Beule am Kopf.
[[Was ist das für ein Geräusch?->wach.]]<link rel="stylesheet" href="aeroI.css" type="text/css" />
(set: $flughafen to "eingecheckt")
Ich stehe auf einem Busbahnhof, der gleichzeitig auch ein Flughafen ist. Ich muss durch einige Kontrollen. Eine davon scheint in einem Glas- oder Spiegellabyrinth zu bestehen. Ich habe mein Gepäck schon abgegeben, dabei aber Handgepäck und Koffer vertauscht, deswegen muss ich nun einen kleinen Rollkoffer hinter mit herziehen. Natürlich eckt der kleine Koffer ständig an den unsichtbaren Wänden, durch die ich mich leise tasten muss, während um mich herum alles aus weißem Kunstmarmor ist. Ich bin sehr schlecht darin, den Weg zu finden und stoße mir einmal sogar den Kopf. Als ich endlich das andere Ende des Raumes erreiche, werden meine Papiere von einem Computer kontrolliert. Ein kleines Hinweisschild macht auf 34 Sprachen darauf aufmerksam, dass Menschen nicht sorgsam genug kontrollieren, deswegen muss ich meinen Pass, mein Ticket, meine Geburtsurkunde und den Nachweis über meine Lebendigkeit auf eine Art Scanner legen, der hell aufleuchtet. Dann erscheinen die eingescannten Dokumente auf dem Bildschirm, allerdings in Schwarz-Weiß.
Ich habe im Internet gelesen, dass der Computer meine Papiere gar nicht selbst überprüft. Das machen Menschen in Billiglohnländern in Internetcafés. Sie bekommen nur wenige Cent pro überorüftem Papier, deswegen sind die Kontrollen nicht sehr genau und eher oberflächlich. Das wusste bisher aber niemand, was kriminelle Überlistungsversuche auf ein Minimum gesenkt hat. Nun werden alle Dokumente doppelt überprüft, was laut der Flug- und Bussicherheitsbehörde „sicher genug“ sei. Nach und nach werden meine Dokumente in Farbe auf dem Display angezeigt und gelten damit als überprüft. Der Computer zeigt einen lachenden Smiley an und wünscht mir mit einer mechanischen Stimme einen guten Flug und/oder eine angenehme Busreise.
Ich stelle mich und den kleinen Rollkoffer, der aufmunternd piepst auf ein Rollband. Vor mir stehen ebenfalls Menschen auf dem Rollband, neben mir laufen weitere Rollbänder, auf denen ebenfalls Menschen stehen. Gemeinsam fahren wir durch einen weißen Tunnel, auf dessen Decke wichtige Informationen projiziert werden. Oder das, was für wichtig gehalten wird: In erster Linie beräuchert sich der Flughafen, der zugleich auch ein Busbahnhof ist, selbst. X Millionen Passagiere. X Prozent haben am Feedbackgerät den lachenden Smiley gedrückt. Noch kein Unfall dieses Jahr. Flüssigkeiten bitte in unöffenbare Plastikbeutel verschließen und in den Schacht für die Müllverbrennungsanlage werfen. Flug XY hat leider fünf Minuten Verspätung, als Entschädigung wird allen Passagieren eine kleine Tafel Schokolade gereicht. Ich ertappe mich bei dem Wunsch, mein Flug und/oder meine Busreise möge sich doch verspäten, damit ich mich ebenfalls mit einer Tafel Schokolade abspeisen lassen könne. Mein Koffer piepst tadelnd.
[[Das Rollband scheint nicht enden zu wollen.->Aérogareportdrome II]]<link rel="stylesheet" href="aeroII.css" type="text/css" />
Weiter rollen die Bänder durch den weißen Tunnel, ich habe die dumme Angst, dass es ewig so weitergeht und ich in Wirklichkeit nie ein Flugzeug und/oder einen Bus besteigen werde, sondern meine Reise einfach mit dem Rollband bestreiten werde. Der Koffer piepst wieder, aber diesmal ist es undeutlich, ich weiß nicht, was er ausdrücken will. An den Wänden, auf die wichtige Informationen projiziert werden, blinken plötzlich hektisch Buchstaben und Zahlen und Kombinationen von beiden. Ich blicke kurz nach links und nach rechts und stelle fest, dass die anderen Rollbänder in abzweigende Tunnel führen. Mein Koffer fiepst beruhigend: Ich stehe auf dem richtigen Band und muss nur an meinem Gate abspringen.
Die Menschen vor mir haben eine anderes Ziel als ich, denn sie machen sich schon absprungbereit: Sie heben ihr Gepäck an, gehen in die Knie wie Schwimmer_innen bei einem Wettkampf vor dem Sprung ins Wasser. Als ihr Gate kommt – zu erkennen ist nur eine kleine, dunkle Öffnung in der weißen Wand, über die in großen Neonlettern die Nummer des Gates blinkt – springen sie mit einem großen Satz von dem Band, das weiterhin in sehr gemächlichem Tempo durch den weißen Tunnel kriecht. Ich gähne und lese die Nachrichten, die ebenfalls an der Decke zu lesen sind. Eine Explosion in einem Festspielhaus, ein spektakulärer Kunstraub, weiter schleppende Verhandlungen in einer ewig währenden Krise, das Wetter. Zum Glück keine Sportberichterstattung.
Mein Koffer beginnt nervös zu piepsen, außerdem vibriert er wie ein übergroßes Mobiltelefon aus den 2000ern. Ich schiebe gekonnt den Nachziehhenkel mit einer Hand hoch, neige den Koffer leicht und gehe, sobald ich den schwarzen Schlund in der Wand, der das Gate darstellt, vor mir sehe, mit einem großen Schritt von dem Band. Es wirkt sehr einfach. Ich bin nicht alleine, nach einigen Momenten steht eine kleine Reisegruppe von älteren Damen und eine, der Kleidung nach dem Tourismus verschriebene Kleinfamilie neben mir. Gemeinsam betreten wir die Schwärze des Gates. [[Meine Augen müssen sich erst an den starken Helligkeitsunterschied zwischen dem glänzend weißen Tunnel mit dem Rollband und dem dunklen Rohr, das zum Gate führt, gewöhnen.->Aérogareportdrome III]]<link rel="stylesheet" href="aeroIII.css" type="text/css" />
Ich befinde mich nun in einer dunklen Röhre, die zu meinem Gate führt. Nachdem ich eine halbe Minute damit verbracht habe, zu Blinzeln, merke ich ich, dass es gar nicht so dunkel ist. Kleine weiße LED-Lampen am Boden zeigen den Weg. Ich empfinde die ansonsten absolute Dunkelheit jedoch als leicht bedrohlich. Auf jeden Fall zeigt das meine erste Reaktion: Unweigerlich ziehe ich meinen dumpf vor sich hin summenden Koffer etwas näher an mich und beschleunige meine Schritte. Kein Rollband zieht mich mehr einem unsichtbaren Ziel entgegen, ich bin nun auf mein selbst gestellt.
Die Reisenden, die mit mir vom Rollband gesprungen sind, scheinen wesentlich länger zu brauchen als ich, um den Weg durch die Röhre zu finden. Oder aber sie haben sich beim Absprung vertan und müssen noch eine Runde mit dem Rollband fahren (Ich glaube mich daran zu erinnern, dass es im Kreis fährt und eine Rundfahrt ungefähr vier Stunden dauert, manchmal aber auch nur zwanzig Minuten). Ich kann mich nicht um sie kümmern, denn vor mir liegen noch einige Kontrollen, wie ich mit dunkler Vorahnung vermute.
Ich trete gegen eine schwarzen Plastikball. Ich schau nach oben und sehe ein graues Stück Beton und erkenne so, dass die dunkle Röhre mit vielen Tausend kleinen schwarzen Plastikbällen ausgekleidet ist. Das soll wohl ein Schutz gegen den Flugzeuglärm sein. Es scheint zu wirken, denn ich höre keine Flugzeuge starten oder landen. Ich hebe den Ball auf und halte ihn in der einzigen freien Hand, um ihn am Gate an eine_n der freundlichen Mitarbeiter_innen des Flughafens, der gleichzeitig auch ein Busbahnhof ist, zu übergeben. Oder einem Serviceroboter, denn menschliche Angestellte scheinen rar zu sein und vor allem in den Warteeinheiten der Comfort-Klassen anzutreffen zu sein. Ich halte den Ball, als sei er mein Ticket, das ich pflichtbewusst in meinen Pass gelegt habe und in meiner Tasche trage.
In mir regt sich der Impuls, nervös nachzusehen, ob das stimmt. Bevor ich eine hektische Bewegung machen könnte, gibt mein Koffer ein etwas lauteres, beruhigendes Summen von sich: Es ist noch alles da, keine Sorge. Ich atme dennoch erleichtert auf, schließe beide Augen in einem verlängerten Blinzeln. Als ich die Augen wieder aufschlage, stehe ich in einem Raum, dessen Wände, Decken und Boden in kleinen senfgelben Fliesen gekachelt ist. Ein Mosaik aus leicht helleren, aber immer noch senffarbenen Kacheln verrät: Dies ist die Zollkontrolle.
„Haben Sie etwas zu verzollen?“ werde ich gefragt. Noch bevor ich den Mund aufmachen kann, piepst mein Koffer. Es klingt entrüstet, als ob er voller enttäuschter Empörung darüber wäre, dass die Regierung mir zutrauen würde, sie ihm ihre gesetzlich zustehenden Zollgebühren prellen würde. Ich verneine die Frage dennoch nochmal, obwohl der Zollbeamte bereits den Kopf schüttelt und mit mit einem leisen Grinsen seinen Kopf in Richtung Ausgang nicken lässt.
Ich bin fast am Ziel: das Gate ist laut einer handschriftlichen Kreidetafel nur noch fünfzehn Minuten entfernt. [[Rechts und links von mir öffnen Fastfoodrestaurants ihre Türen und winken mit //duty free//-Angeboten.->Aérogareportdrome IV]]
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Der Koffer brummt und sagt mir damit, dass wir noch genug Zeit haben, um das Angebot an Franchiseunternehmen der Gastronomiebranche eingängig zu studieren. Ich weiß nur noch nicht ganz, bei welchem der vier Kaffeeunternehmen ich mir einen Becher holen will. Oder ob ich doch lieber ein gigantisches Sandwich will und mich darüber ärgern muss, dass es eh nur eine einzige vegetarische Variante gibt (Bin ich im Traum überhaupt vegetarisch?). Ich mag öffentliche Transportmittel, die Farbe Grün und Sandwiches auch, es fällt mir also schwer, zu widerstehen.
Ich betrete das Sandwichlokal und rufe dem Personal, das kritisch meinen Rollkoffer, den ich immer noch hinter mir her schleppe, beäugt, zu: „Ich möchte bitte ein gigantisches Sandwich mit jedem vegetarischen Belag, den sie haben! Und drei Saucen!“ Ich werde noch kritischer angeschaut, aber die Sandwichcrew macht sich sogleich ans Werk. Nach wenigen Minuten und dem Beantworten einer endlosen Reihe von Fragen, die teilweise sehr persönlich sind, wird mit ein Sandwich ausgehändigt. Es ist wirklich gigantisch, ungefähr anderthalb Meter lang. Ich beiße gleich ein Stück davon ab und schlinge es herunter. Dann nehme ich es unter den Arm und wandere, den Koffer weiter im Schlepptau, weiter Richtung Gate.
Lange Reihen mit sich gegenüberliegenden Sitzen verraten mir, dass ich das Gate endlich erreicht habe. Bis zum Boarding sind es mindestens noch dreißig Minuten, verrät mir ein Flachbildschirm über dem Ausgang, wo ich in nicht all zu langer Zeit in mein Flugzeug/meinen Bus steigen werde. Ich habe also genug Zeit, um mein anderthalb Meter langes Sandwich langsam aufzuessen. Ich habe das Gefühl, bereits Tage in dem Flughafen, der gleichzeitig auch ein Busbahnhof ist, verbracht zu haben und bin dementsprechend hungrig. Gegenüber von mir sitzt ein älterer Herr mit stechend blauen Augen und einem merkwürdig gezwirbelten Schnurrbart. Ich glaube zumindest, dass „gezwirbelt“ das richtige Wort dafür ist. Er starrt mich an und beobachtet genau, wie ich mein gigantisches Sandwich verputze und dabei peinlich darauf achte, nicht alles voll zu krümmeln und vor allem nicht mit den Saucen zu kleckern. Das wird zunehmend schwierig, weil das Sandwich, je mehr ich davon esse, schwieriger zu essen wird.
Ich entdecke, dass der Mann einen kleinen Notizblock auf dem Schoß liegen hat, in das er kritzelt. Ich versuche, möglichst unaufällig mehr davon zu sehen und bemerke, dass er unter einem Spiegel sitzt, der wohl zu Sicherheitszwecken dort angebracht ist. Ich kann sehen, dass er mich zeichnet. Das ist mir natürlich mehr als peinlich, aber ich kann nicht von meinem Platz weg, weil mein Koffer neben mir steht. Das ist ein valider Grund, zumindest hier und jetzt.
[[Ich esse den letzten Bissen des Sandwiches und rutsche vor Ungeduld, dass mein Bus/Flug endlich aufgerufen wird, auf dem Plastiksitz hin und her.->Aérogareportdrome V]]<link rel="stylesheet" href="aeroV.css" type="text/css" />
„Wir möchten die Passagiere von [u̢̖̮̗̮̪͂᷈̀̇ͫ̕̕͟͝n̞̣̫᷿͚̩̯̋̀᷅᷾̕͜͜͝v̡͎̯̖̥͎͙̎̀͐́᷾̆ͭ͟͠ͅe᷊̭͈᷅͆̇ͣ̈̀ͫ͊͒᷆͘͝r̥̞᷉ͭ͋͏̨̘͙̹͇̀ͭ͟ͅs̸̭̺̹̃͆᷁᷈ͤ̀̀̅̈́͠͝ţ̲̼̦̣̘᷂̓᷄̀͊ͮ̃̒̄͑᷀̋̕ä̺̺̥̭̘̯᷀͌ͮ͐̀ͧ᷇̍̍n̷̴̡̩̺̘͖᷀͆̀͗͘̚͜ͅd̳ͦ͏̵̠̱̹͕̭̅̀͑͌ͩ̈l̴̬̻͖̪̻̳̲̰̈̈̀͋͋᷉͆͟͝͠i͔̰͓᷊̯͍ͩͧ́̀ͩ̆̅͗ͣc̵̢̪᷊̯͉̓ͯ̀ͫͨ᷆̅᷅͡h̡̜̼᷂᷿̄͆ͪͥ̀̇̉᷉̏᷾̔̚] informieren, dass wir nun bei Gate F542 mit dem Boarding beginnen. Bitte halte sie ihre Tickets bereit“, tönt es aus Lautsprechern. Es ist genau die gleiche Stimme, die schon unzählige andere Passagiere zu unzähligen anderen Flügen aufgerufen hat. Die Aufforderung folgt auf weiteren Sprachen, von denen ich einige nicht verstehe, aber ich muss sie mir dennoch anhören, denn die Realität hat noch keinen Mehrkanalton.
Ich stelle mich hinter die Leute, die schnell von ihren Sitzen aufgesprungen sind und nun eine Schlange vor der Person, die unsere Tickets ein letztes Mal auf ihre Gültigkeit überprüft, bilden. Am Gate selbst überprüfen nach wie vor Menschen mit Hilfe von Barcodescannern, ob das Ticket zum Flug zugelassen ist. Von den Schildern, dass Menschen dies niemals so gut und akkurat könnten wie Maschinen, ist nichts mehr zu sehen, vielleicht hat die Betreibergesellschaft des Flughafens, der gleichzeitig auch ein Busbahnhof ist, ihren Fehltritt erkannt und an den Gates bereits ausgebessert.
So stehe ich also in der Schlange, die nur langsam voran kommt, weil natürlich alle sehr schnell aufgesprungen sind, jedoch kaum wer die Tickets bei Hand hat und die meisten Passagiere sie mühsamst hervorkramen müssen. Zuerst fahren die Hände in die Hosentaschen, wo sich natürlich kein Ticket befindet, dann werden die äußeren Taschen von Jacken und Mäntel durchsucht, danach erst die inneren. In einigen besonders verwirrten Fällen muss die Kontrollperson die betreffenden Passagiere darauf hinweisen, dass sie ihr Ticket überhaupt nicht suchen müssen, sondern es bereits in der Hand halten. Wer kontrolliert wurde, muss sich einen Teppich nehmen und sich damit in eine gelbe Röhre setzen, die offenbar eine Rutsche. Der Koffer brummt und piepst ungeduldig, denn er weiß, dass vor dem Start nicht mehr allzu viel Zeit bleibt. Ich suche mein Ticket noch bevor ich an die Reihe komme, die Kontrolle verläuft ohne Beanstandungen. „Gute Reise“, lächelt mir die Kontrollperson der Airline/Buslinie nondeskript und mehrdeutig entgegen.
Ich nehme den Koffer zwischen die Beine, wir sitzen beide auf dem Teppich, die Kontrollperson gibt mir einen kleinen Schubser, damit der Rutschvorgang schneller von statten geht. Der Koffer piepst ein langes, ängstliches Piepsen, während wir in langen Windungen eine Korkenzieherrutschte herunterrutschen. Die Röhre ist zwar immer noch gelb, aber sie wirkt viel dunkler, beinahe schwarz, bis mich das Licht am Ende des Tunnels blendet. Als ich die Augen wieder öffne, stehe ich vor einem Bus, auf dem „Ď̡̪̌͑̌̍̌̓̌̌̌̌͢ͅě̜ͮ̌᷁̌᷈̌̓̌̃̌̌̃̌š᷂͎̦᷂̍̌̌̌̓̌̌̌ͮ̌ţ̴̼̥̙̼̗̙̜̌ͯ̌̌̌̓̌̌᷆̌̌͑̌̌̌̌̓̌ͬ̌̌̌ǐ̸̜̤̌̌̌̓̌̌̄̌̏̌ͅň͏̶̢̌̊̌̌̓̌̎̌̌̌͜ǎ͈̻͙̌̍̌᷆̌̓̌̌ͩ̌̌ť̵̰̌ͭ̌ͯ̌̓̌̌̌᷅̌͢ǐ̱̞̌̂̌̌̓̌̌͛̌̌͢͜ǒ̴̱̌̌ͤ̌̓̌᷄̌ͧ̌̌̚ň̶̪᷈̌̉̌́̌̓̌̌̌̌͞“ steht. Ich steige durch eine riesige Hintertür ein, die nahtlos an das Flughafengebäude, das gleichzeitig auch ein Busbahnhof ist, anschließt. Ich kann mich nicht entscheiden, ob dies ein sehr spartanischer Fernreisebus oder ein sehr luxuriöser Flughafenbus ist.
(if: $mousse is "gegessen")[Der Bus rollt davon, ich schaue aus dem Fenster und sehe nur ein weites Feld aus Asphalt und Beton.]
(if: $mousse is not "gegessen")[ Es ist weder ein Bus, noch ein Flugzeug. [[Es ist ein Zug->beaucoup de mousse]].]
[[Was ist das für ein Geräusch?->wach.]]<link rel="stylesheet" href="rumoxidieren.css" type="text/css" />
„Pass auf, er hat heute wohl nicht viel anderes gemacht als hier rumhängen, also wird er etwas über uns schreiben!“, sagt wer über mich und ich überlege kurz, ob das wohl stimmt. Oder ob ich aus Trotz etwas ganz anderes schreiben sollte, vielleicht darüber, wie genial ich „Steven Universe“ finde oder wie gut die Musik von Kamasi Washington. Stattdessen nippe ich an meinem Cola-Bier und sage nichts oder etwas beschwichtigendes, denn ich kann meine großen Gedanken kaum noch aussprechen, die Worte sind immer unbeholfen, wenn sie erst einmal aus meinem Mund herauskommen.
Doch das macht nichts, denn ich sitze schon wieder im Zug nach Hause, wo mich ein Spaziergang mit dem Hund erwartet. Natürlich fängt es an zu regnen, sobald wir das Haus verlassen haben und am Ende war es so ein kleines Sommergewitter und ich bin plitschnass und denke nicht mehr daran, dass ich keine großen Dinge sagen kann, wann immer ich Lust dazu habe, denn wenn ich klatschnass, durchtränkt vom nach Petrichor riechendem Regen nach Hause hetze und versuche dem Hund zu erklären, warum wir jetzt doch wieder schnell gehen wollen, nachdem ich ihm die andere Hälfte des Spazierganges versucht habe zu erklären, dass wir nicht so schnell gehen wollen, habe ich auch gar kein so großes Bedürfnis nach großen Worten mehr.
Der Text riskiert, lustig zu werden. Ich mag keine lustigen Texte, vor allem nicht, wenn ich sie schreibe. Das ist so dankbar. Irgendwann stehe ich dann vor den Leuten und lese etwas vor und die Leute lachen an den richtigen Stellen. Das ist viel zu einfach und nicht kompliziert genug, da könnte ich gleich behaupten, ich würde Stand-Up machen (Haha, ich und Stand-Up!). Ich will nichts machen, wo die Menschen dann genau wissen, wo sie lachen sollen. Nicht, weil ich das für grundlegend schlecht oder falsch hielte, sondern weil es nicht das ist, was ich machen möchte.
Vielleicht hatte ich doch ein paar wenige große Worte, als ich triumphierend nach den zehn großen luxemburgischen Romanen fragte, die nicht existieren. Vielleicht liegt das auch daran, dass niemand Lust hat, zehn Romane auf Luxemburgisch zu verfassen, es gibt ja kaum Publikum für schlechte Sitcoms. Und es ist ja auch nicht gerade so, als ob Prosa statt Kochbücher und Bildbände die Bestsellerlisten anführen würde. Aber Publikumsbeschimpfung hat auch noch nie etwas gebracht.
Ich ertappe mich irgendwann bei dem Gedanken, dass ich mich schlecht fühle, weil ich mich nicht unglaublich schlecht fühle oder keine komische Sinnkrise habe, wie ich sie in letzter Zeit so oft hatte, als ich in Luxemburg war. Vielleicht schreibe ich gerade eine herbei, weil die Texte, die ich jeden Abend in das kleine und viel zu langsame Netbook tippe (es kommt kaum nach mit den Wörtern nach, wenn ich schnell genug schreibe), kaum wer liest und es noch weniger Feedback gibt, abgesehen von ein paar Likes auf Facebook, und wer weiß, ob die nicht aus Mitleid kommen.
Ich mache eine Liste mit Dingen, die ich noch tun will, aber noch nicht angefangen habe:
Ich möchte meinen Film, der seit einem Jahr in der Kamera steckt, vollkriegen, die Fotos entwickeln und einscannen lassen und weitere analoge Abenteuer erleben. Ich möchte ein Hörspiel schreiben, aufnehmen und produzieren und es dann irgendwo einreichen, damit Leute es sich anhören können. Ich möchte eine längeren Text (DEN GROSSEN LUXEMBURGISCHEN ROMAN!) schreiben und vielleicht irgendwie veröffentlichen lassen. Ich möchte x, ich möchte y, ich möchte mit einem Raumschiff durch die Milchstraße fliegen und weirde Abenteuer erleben. Eigentlich möchte ich auch nur den ganzen Sommer auf meinem Bett liegen, Wasser aus Glasflaschen trinken, mich von dem Ventilator ansurren lassen und dünne Bücher lesen.
Und die Glasflasche hat an der Stelle einen Riss, an der die Angabe, wie viel Magnesium in dem Mineralwasser ist, eingestanzt ist. Das ist der Riss, der durch dieses Blog geht, der die Fiktion und den künstlerischen Anspruch von dem akribischen Gefühleaufschreiben und Befindlichkeitsbloggen, der Wachsein vom erfundenem Traum trennt. Die Glasflasche zerbricht in meinen Händen, als ich zum letzten Schluck des Sommers ansetze und mir mit einer unheilvollen damoklinischen Dramatik der erste Regentropfen des Gewitters vom zweiten Abschnitt auf die Nase fällt: in diesem Augenblick verdichtet sich alles, ein Männerchor beginnt zu singen und //ich weiß nicht weiter, ich weiß nicht wo wir sind …//
[[Ich weiß wo ich bin. Ich bin in einem Gebirge.->Gebirge I]]
[[Ich weiß nicht wo ich bin, aber ich weiß, wo ich hin muss.->Aérogareportdrome I]]
[[Ich habe keine Ahnung wo ich bin.->wach.]]Das merkwürdige Geräusch ist natürlich der Wecker, der mich aufweckt. Mein Kopf fühlt sich an wie ein Suppentopf, aus dem gerade der Pürierstab gezogen wurde. Meine Gedanken drehen sich wie wild, aber ich schaffe es kaum, Fragmente der Träume der letzten Nacht festzuhalten. Jemand anderes muss sie aufschreiben.
Dies ist das (bisher einzigste) Ende von //ausgedachte Träume//. Es gibt mehr als einen Traum und es gibt mehr als eine Möglichkeit, die verschiedenen Träume einanderzureihen.
Dies ist Version 1.0 (20.12.2015), //ausgedachte Träume// ist ein work in progress. <a href="http://soulzeppel.in/2015/08/30/choose-your-own-dream/">Feedback ist sehr willkommen</a>.
<a href="http://soulzeppel.in">Zurück zu enjoying the postapocalypse</a>, dem Blog des Autors.
[[Impressum]] <img src="header.jpg" />
Willkommen zu //ausgedachte Träume//. //ausgedachte Träume// ist ein literarisches Experiment, im besten Fall sowohl Textadventure als auch Literatur, im schlechtesten Fall ein weirdes //choose your own adventure//-Ding.
<strike>Müde genug?</strike> Interesse geweckt?
Dann ab [[ins Bett]]!
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All text by <a href="http://soulzeppel.in">Joël Adami</a>
Credits:
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Ich mache mich mit meinem an meine Seite getapten Ticket auf die Suche nach koffeinhaltigen Getränken und wandere den schmalen Gang an tausend Abteilen entlang, gegen die Zugrichtung, weil es sich gegen die Zugrichtung am Besten läuft. Gebirge von Koffern verstopfen den Gang, ich muss mühsam über sie klettern. Es ist nicht sehr anstrengend, aber nach einigen Kilometern hätte ich wirklich gerne endlich meinen Kaffee mit extra viel Schaum, denn der Schaum auf dem Kaffee macht nervös. Ich brauche etwas oberflächliche Nervosität, um „die Behörden“ an der Nase herumzuführen, sollten sie nach gefälschten oder nachgemachten Gefühlen suchen.
Meine Odyssee kommt auf ein Ende, als ich am Zugende auf den Zug-Starbucks stoße, in dem ich einen halben Liter Kaffee mit extra viel Schaum bestelle. Das versteht die Person hinter der Starbuckstheke natürlich nicht, weil in Starbucksfilalen einfach immer eine andere Sprache gesprochen wird. « Un demi litre de café avec beaucoup de mousse s‘il vous plaît ! » –« Et si ma ne plaît pas ? », fragt die Starbucksperson, die erstaunliche Ähnlichkeit mit einem Wolf in Battlestar Galactica-Uniform hat. Sie merkt, wie ruhig ich bin, wie ich ihr in die sehr hellbraunen Wolfsaugen starren kann, ohne zu blinzeln, fast ohne Puls, wie eine Bronzestatue, deren einziges Verlangen ein halber Liter Kaffee mit extra viel mousse ist.
Sie reicht mit den Kaffeebecher, auf dem mein Name falsch geschrieben ist. „Jöel“ steht da. Viele Menschen schreiben meinen Namen so. Besser irgendwo Punkte als überhaupt keine. Als wollten sie sagen: „Hey, ich hab dein Geschenk in das Zeitungspapier eingewickelt, in dem mein Fisch eingepackt war, aber besser als überhaupt kein Geschenkpapier, oder?“
Ich verstehe nicht, warum sie „Jöel“ geschrieben hat, immerhin habe ich ihr meinen Namen doch mündlich mitgeteilt. Vielleicht liegt es an der Starbuckssprache, die zu sprechen die Wolfsperson gezwungen ist? Ich leere den Becher auf einen Zug, mit sehr lauten Schluckgeräuschen, die im ganzen Zug zu hören sind. Bei meinem letzten Schluck springt der Zug kurz aus den Gleisen, fasst sie aber wieder, so laut die GLUCK GLUCK GLUCK-Laute, mit denen ich den Schaum meinen inneren Organgen zur Weiterverarbeitung übergebe.
Gerade noch rechtzeitig, denn in diesem Moment betritt eine Gruppe großer Männer in schlecht sitzenden Uniformen den Starbucks. Ich gebe mich ganz cool und wippe leicht mit dem Fuß, als wäre ich überhaupt nicht ruhig. Ich stehe vor der Vitrine mit Kuchen, Brownies Cupcakes, Keksen, Cookies und Würsten und sehe mir jedes Stück sehr interessiert an, während mein Fuß gegen den Takt der Musik wippt und ich meine Finger bewege, als würde ich insgeheim etwas zählen.
[[Die Wirkung der mousse setzt ein.->mousse3]]
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Die uniformierten Männer bestellen alle klaren Kaffee. Eine Weltneuheit, die in kleinen Schnapsgläsern serviert wird. Es handelt sich um vollkommen durchsichtigen Kaffee, der nicht zu wach macht. Mit genau diesem Slogan wird er verkauft: „macht nicht zu wach!„. Die Zielgruppe besteht aus Menschen, die in ihrem Beruf physisch präsent und aufmerksam sein müssen, geistig jedoch nicht gebraucht werden. Sie können vor sich hindämmern, während ihr Körper ihre Arbeit erledigt. Bisher konnte sich noch keine gesetzgebende Instanz dazu durchringen, die Substanz zu reglementieren oder gar zu verbieten. Politikwissenschaftler_innen sehen einen Zusammenhang zwischen dem Konsum in Parlamenten und der völligen Deregulierung des klaren Kaffees.
Ich muss dennoch auf der Hut sein, denn ich bin mittlerweile sehr nervös. Das könnte die schläfrige Aufmerksamkeit der Uniformierten aufwecken. Sie würden mich sicher untersuchen wollen und mein an meine Seite getaptes Ticket für suspekt erklären. An meinem kleinen Finger finde ich einen Faden, der mir den Weg zurück zu dem Abteil der strickenden Dame zeigt. Es geht die ganze Zeit nur geradeaus, denn ich befinde mich in einem Zug mit einem sehr schmalen Gang.
Zurück in ihrem Abteil bedanke ich mich bei der Dame, sie sich als Ariadne vorstellt, was eine unglaublich große Überraschung für mich ist. Mir fallen tatsächlich Schuppen von den Augen, die sogleich in dem Schal versteckte Katzenbabys aufklauben und verspeisen.
Ich bin ein nervöses Wrack, kann Ariadne nur mit Mühen ihren Wollfaden zurückgeben und kehre in mein Abteil zurück. Die Schiebetür lässt sich nicht schließen, ein Finger steckt drin. Sie gehört einem der Uniformierten, die mein Ticket kontrollieren wollen. Ich hebe mein T-Shirt und erkläre, dass ich Angst hatte, gegen die geltenden Regeln zu verstoßen. Die beiden Uniformierten, es sind wohl Zugbegleiter, betreten mein Abteil, bücken sich und betrachten das Ticket, das nach wie vor an meinem Körper klebt. Sie bewundern die filigrane Schrift, das moderne Design und den Stempel der luxemburgischen Eisenbahngesellschaft, der einen roten Löwen zeigt (obwohl die Stempeltinte blau ist).
Der Zug fährt in den Bahnhof ein. Er sieht aus wie alle anderen Bahnhöfe und steht irgendwo im Nirgendwo. Genau hier muss ich aussteigen, auf einen Bahnsteig aus Beton, mit leichtem Flimmern im linken Herzen.
Ich sehe mich um:
[[Ich stehe in einem unmöglichen Gebirge. ->Gebirge I]]
(if: $flughafen is not "eingecheckt")[ [[Ich stehe auf einem Busbahnhof, der gleichzeitig auch ein Flughafen ist.->Aérogareportdrome I]]]
[[Ich höre nur ein merkwürdiges Geräusch->wach.]]