„Wie wär es, den Scheiss erstmal zu trinken?“
„Is kein Scheiss.“
„Ich weiß.“, sagte ich und lächelte.
„Jetzt bist du wütend auf dich selbst, weil du das gesagt hast.“
„Du hast Recht.“
Es war schwer, das zuzugeben, sofort danach. Wobei das auch wieder nicht stimmte. Es war schwieriger zuzugeben, dass sie meine Charade voll und ganz durchschaut hatte.
Zum Glück war auf ihrem Gesicht eins der netteren Lächeln zu sehen.
Auch wenn mir der Stand des Gespräches nicht umbedingt gefiel, so mochte ich doch die Atmosphäre, in der wir uns befanden.
Es war mittlerweile dunkel geworden, und der Mond schien durch das große, vorhanglose Fenster in die Küche. Wir waren beide zu faul gewesen, aufzustehen, um das Licht anzumachen – und mir jedenfalls gefiel das Zwielicht, in dem wir saßen, und ihr schien es auch nichts auszumachen, soweit ich das beurteilen konnte.
Sie nahm einen Schluck des Rums und warf einen zweideutigen Blick auf mein noch gefährlich volles Glas.
„Küss nicht zu viele Engel…“Ich antwortete, ehe ich verstanden hatte, was sie gesagt hatte:
„Was?“
„Ja doch.“, antwortete ich grinsend und nahm einen viel zu großen Schluck des leckeren Getränkes.
Sie grinste. Unverändert, so schien es mir.
Ich wusste, dass sie bemerkt hatte, dass ich ein wenig zu viel Rum geschluckt hatte, versuchte jedoch, es mir nicht anmerken zu lassen.
Ich hatte meine Explosions in the Sky-Cd mitgebracht. Das Klangkonstrukt, getragen von Gitarre, schwoll immer weiter an, ich spüre diese Musik wie einen Zoom auf eine DNA-Doppelhelix.
Einen Moment lang machte ich mir ernsthafte Sorgen um meinen geistigen Zustand.
Dann fing mich die Musik wieder.
„Hast du ne Synästhesie?“
Sie nickte, schmunzelte mich an und flüsterte:
„Und ich weiß, wie man sowas noch verstärken kann. Und es nicht der Rum…“
Die Musik schwoll wieder ab, aber nichtsdestotrotz zauberte mir jeder Ton ein Bild in den Kopf. Ich konnte sie quasi in der Luft spüren. Meine bisherigen Erfahrungen mit „Musiksehen“ oder „Musikfühlen“ waren nie so intensiv gewesen.
Ich machte demonstrativ eine Pause, indem ich einen Schluck Rum nahm.
„Ich weiß, worauf du anspielst“, grinste ich sie an.
„Magst du?“
Ich rückte das erst halbleere Glas Rum in die Mitte des Tisches. Ich wollte mir die Stimmung nicht durch zu viel Alkohol versauen. Gewisse Lehren hatte ich dann doch schon gezogen – oder hatte ich leider ziehen müssen.
Ein neues Lied began und die leise Melodie zog sich wie ein dünner Faden über den Fußboden, stieg empor, teilte sich, schwebte bis über unsere Köpfe, als sie ohne eine Miene zu verziehen den Joint entzündete.
Alle meine Empfindungen verstärkten sich. Die Musik schien den Raum zu halten, ihn zu verändern und in einem gewissen Maße auch durch ihn überhaupt hervorgerufen zu werden.
„Spürst du es?“
„Die Musik?“, meinte sie fragend.
„Ja.“
„Es ist einfach nur… Ich kann es nicht beschreiben. Wörter würden nie an die gefühlte Realität heranreichen.“
Wir saßen einige Minuten lang schweigend, ohne uns zu rühren, einfach nur dar.
Sie strich sanft mit ihrem Zeigefinger über meine Hand.
Das genügte.
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