Steg (verspätete Veröffentlichung)

Ein lauer Sommerabend.
Steg
Die Sonne schien sich entschlossen zu haben, unterzugehen, sie hatte den Horizont allerdings noch nicht ganz erreicht, und dennoch war der Himmel im Osten und im Zenit schon dunkelblau gefärbt. Die Luft hatte sich so weit abgekühlt, dass es sehr angenehm war, auf dem erhitzten Steg zu liegen. Das Geräusch des Seewassers beruhigte mich ungemein. Ich roch den Duft des Sommerabends, den Geruchs des Sees und den Duft nasser Haare, der sich am stärksten und am angenehmsten in meine Nase schlich.

Es war der Geruch ihrer Haare, oder generell, ihr Körpergeruch, der sich am stärksten durch ihre nassen Haare manifestierte.
Sie lag dich neben mir, unsere Arme und unsere Beine berührten sich.
Eine angenehme Berührung, nicht im Geringsten störend.
Eher das Gegenteil.

Ich streichelte mit meiner Hand vorsichtig über ihren nackten Arm und schob den Kopf ein wenig zur Seite, um ihren Körper zu betrachten.
Er war sicher nicht perfekt, aber wessen Körper war das schon? Sie erregte mich auf eine subtile Art und Weise, nicht nur alleine dadurch, dass sie nur einen Bikini an hatte, sondern auch allein durch ihre Präsenz, wie eine unsichtbare Aura, die sie umgab.

Sie erwiderte meinen Annäherungsversuch und streichelte ihrerseits meine Hand mit Bewegungen ihres Daumens. Ich spürte, wie sie sich zögerlich fester an mich drückte, so dass wir uns noch mehr berührten.
Eine sanfte Brise strich über unsere Körper und trocknete die letzten
feuchten Stellen auf unserer Haut. Ihre Berührungen jedoch, die sich
mittlerweile über meinen Bauch und meine Arme ausgeweitet hatten,
erschienen mir ungleich sanfter.

Ich wagte es nach einiger Zeit – die Sonne war schon tiefer gesunken, aber mir war jedes Gefühl für Zeit abhanden gekommen, es zählten nur ihre Berührungen auf meinem Körper und die Entdeckungen, die ich mit
meinen eigenen Fingern auf ihrem Körper machte, – intimere Zonen zu erkunden.

Sie ließ mich gewähren und fing ihrerseits an, meine Oberschenkel zu massieren.

Es wurde dunkel, und die Sterne gingen langsam über uns auf und beschienen unsere Zweisamkeit mit ihrem Licht, das Tausende von Jahren gewandert war. Die Umgebung des Sees war menschenleer.

Sie drehte sich über mich.Ich sah in ihre Augen, sah den Widerschein des Mondes darin, blickte auf ihre Brüste, ihre Schultern, ihren Hals, ihre Haare, ihr Gesicht, ihre näherkommenden Lippen.
Wir küssten uns. Zuerst wage, als ob unsere Zungen sich nur zufällig begegnen würden, dann intensiver.

Ich umarmte sie, und sie legte ihren Kopf auf meine Brust. Ich mochte ihre Nähe, das Vertrauen, das sie mir dadurch zeigte, obwohl dies alles unbewusst zu einem Gefühl der Behaglichkeit und der Zufriedenheit zusammenschmolz.

Ich zeichnete mit meinem Zeigefinger Kreise auf ihrem Rücken, fuhr ihrer Wirbelsäule nach, was sie leicht zusammenzucken liess. Wir sahen uns beide in die Augen, und ich fixierte ihre Pupillen. Mir fiel ein, was sie mir einmal gesagt hatte, und es schien mir, als seien
Jahrhunderte vergangen, als gehöre alles, was vor diesem Bootsteg gewesen wäre, zu einem längst vergangenen Zeitalter, nämlich, dass man nie in zwei Augen von jemandem gleichzeitig blicken könne, sondern sich immer auf eins fixieren müsse.
Sie sollte Recht damit behalten.

Wir küssten uns noch einmal, und diesmal war es ganz anders als beim ersten Mal. Wilder, und dennoch vertrauter, als würden sich unsere Zungen schon besser kennen. Wie alte Bekannte.

Ohne recht zu überlegen, was ich eigentlich tat, und da ich mich wohl unbeobachtet fühlte, die stummen Sterne als Zuschauer nicht mit eingerechnet, zog ich ihr das Oberteil ihres Bikins aus. Sie lächelte sanft, als ich anfang, ihre nunmehr nackt gewordenen Brüste sanft zu streicheln. Ich war erstaunt und gleichermassen schien es völlig natürlich, dass alles so linear und stringent ablief.

Wieder eine festerer Luftstoss, deutlich kälter als noch am Anfang des Abends, aber immer noch angenehm, so empfand ich es jedenfalls. Ich spürte, dass ihr wohl kalt war – oder war es etwa die Erregung, die ich da fühlte?

Sie rollte sich mit einer sanften Bewegung von mir runter und legte sich neben mich, um anzufangen, meine Oberschenkel mit santen, runden Handbewegungen zu massieren. Ich mochte es. Es war alles neu mit ihr,
und dennoch gefiel es mir auf Anhieb.

Wir verfielen für eine unbestimmte Zeit in eine Lethargie, eine Art romantische Parallyse. Sie lag zur Hälfte auf mir und ich genoß es, ihren Atem auf meinem Hals zu spüren. Ihre Hand lag auf meiner Schulter, und das einzigste Körperteil, das sie bewegte, war ihr Zeigefinger, mit dem sie wie mechanisch kleine Kreisbewegungen auf meiner Haut ausführte.
Himmel über See
Mein Arm lag auf ihrem Rücken, doch ich bewegte ihn nicht, nicht einmal meine Finger. Ich genoß einfach ihre Präsenz, ihre Nähe, das Gefühl ihres nackten Körpers auf meinem.

Wir verharrten lange in dieser Position. Ich verlor das Zeitgefühl zu diesem Moment völlig, wenn ich es davor noch nicht verloren hatte. Die Welt wurde kleiner, beschränkte sich sozusagen auf den See, den Steg, uns beide, und über uns die Sterne als einzige Zeugen der Dinge, die wir taten, und zugleich wurde die Welt größer, unsere Körper
vergrößerten sich, wurden zu Landschaften, Gebirgen, Kontinenten, Planeten, Galaxien, sich gegenseitig in einem kosmischen Tanz berührend, so langsam, wie es nur im All möglich ist, ein Jahr ein Augenschlag im Angesicht der Unendlichkeit.

Ich war wie berauscht von diesen Sinneseindrücken und ich bemerkte, wie ein schwarzer Fleck in meiner Errinerung, dass ich zeitweise an gar nichts gedacht hatte, ein reines Fühlen von Glücksseeligkeit.

Ich fing an, ihren Körper mit meiner Zunge zu erkunden. Ich spürte, wie sie eine Gänsehaut an den Stellen bekam, an denen ich länger verweilte, mit der Zunge kleine Formen als mystische Symbole meiner Freude auf ihren Körper hinterliess.

Meine Zunge wagte sich zwichen ihre Beine vor. Sie reagierte so, wie ich es erhofft hatte. Ich zögerte, tastete mich voran, vorsichtig.
Ein Blick nach oben.
Sie lächelte, und im Mondschein war ihr Lächeln noch schöner als sonst. Die Sterne waren unsere einzigen Zeugen. Ich spürte ihre Hand, wie sie meinen Kopf sanft wieder nach unten drückte.
Ich gehorchte diesem stillen Befehl.

Nach einiger Zeit explodierte sie. Ich liess es langsam ausklingen, liebte das Gefühl, ihr Befriedigung beschafft zu haben. Ich streichelte langsam über ihren bebenden Körper, und küsste sie nochmal, während sie die Nachwirkungen des Orgasmus noch immer genoß.

Sie machte die Augen nach dem Kuss nicht mehr auf, sondern schlang ihre Arme um mich und drückte sich ganz fest an mich. Ich sah ein letztes Mal die verschwommenen Spiegelbilder der Sterne auf dem See, bevor ich meine Augen schloss und bis zu dem undefinierbaren Punkt des Einschlafens nur das wohlige Gefühl ihrer Nähe fühlte.

(Fotos von Nick Coombe und Clark Gregor. Some Rights Reserved, CC )

3 Kommentare “Steg (verspätete Veröffentlichung)

  1. Ich liebe die Geschichte. Wenn ich unter Glückseligkeit einen Strich ziehe, habe ich das schon mal wirklich erleben dürfen…
    Ech well op den Stau!

  2. Pingback: enjoying the postapocalypse » Blog Archive » Zehn Jahre Schreiben

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