Projekttitel: EVA (voreilige Veröffentlichung im Sinne der computergesteuerten Unterhaltung des lechzenden Publikums) III

Im Nebenzimmer geht jemand auf und ab. L. Die einzige Person, die ausser mir noch zu leben scheint. Es stellt sich die Frage, wieso wir beide noch in diesem Haus wohnen, wo doch ausser uns niemand lebt. Ausserdem rätselhaft: Wieso ist sie noch immer bei mir? Wieso schläft sie noch immer mit mir?
Liebe war mir schon immer etwas unheimliches, aber die Abwesenheit von dem, was gemeinhin als Liebe bezeichnet wird. Ich nannte das mal „romantische Liebe“. Natürlich liebe ich L. Auf eine gewisse Art und Weise. Aber nicht so, wie es von einem erwartet wird – oder wurde, wenn man miteinander schläft.
Immerhin beruht das Ganze auf Gegenseitigkeit, und zumindenstens das ist tröstlich.
Nicht jedoch hilfreich.

Obwohl es hilft, mit ihr zu schlafen, oder sie in den Arm zu nehmen, ihre Wärme zu spüren. Manchmal genügt es auch schon, einfach nur mit ihr zu reden oder sie zu sehen. Nicht, um Befriedigung zu erhalten, sondern um das Wissens willen, dass man nicht vollständig durchgedreht ist.

Sie ist im Badezimmer. Schon über eine halbe Stunde. Aber ich höre, was sie macht. Beruhigend. Läge sie eines Tages tot in der Badewanne, ich würde wahrscheinlich aus dem Fenster springen. Was wäre eigentlich gewesen, wäre Kurt Cobain aus dem Fenster gesprungen? So wie es zu einem vollständig Irren eigentlich besser passt? Hätte da noch jemand behaupten können, er habe sich nicht selbst umgebracht? Vielleicht wusste er darum und wollte sich selbst mystifizieren.
Freitod zwecks Religionsbildung.Sie föhnt ihre Haare.
Die Uhr tickt unablässig, es macht mich wirklich verrückt, glaube ich.
Besser die Uhr anstarren als nach draussen schauen. Einzig der Himmel ist eine Errinerung an frühere Zeit, denn grau war er über E. schon fast immer. Das für den Himmel über E. typische Schuhkartonsyndrom. Ein einziges Grau, das so niedrig zu sein scheint, dass man glaubt, dass es auf den Hügeln aufliegt. Ich bin mir dann schon immer vorgekommen wie der Bewohner von Gottes Schuhkarton.

Irgendwann mal, während einiger Minuten in denen ich ein Talent dafür hatte, blöde Sprüche kommen zu lassen, entwickelte ich das Analchristentum, dessen Hauptthesis jene ist, dass das Universums in Gottes geheiligtem Arsch steckt. Ein weiteres Dogma war, dass der Darm Gottes nicht mit Bakterien, sondern mit Engeln besetzt wäre. Die Analchristentumtheologen würden also Dispute führen, in denen geklärt werden sollte, wie viele Engel auf die Darmschleimhaut Gottes passen würden.

Wie gesagt, eigentlich nur ein dummer Gedanke, der dann doch irgendwann Popularität erhielt.
Das Ticken der Uhr. Ich sollte anfangen, meine Geschichte zu erzählen.
Vielleicht liesse sich besser schreiben, wäre ich besoffener, bekiffter oder überhaupt ein klein wenig von beiden Zuständen.
Wobei, wieso noch Drogen nehmen, wenn man sowieso schon so wirr im Kopf ist, dass man es schafft, mehere Seiten über seine Uhr vollzukritzeln?
Beschriebene Seiten machen nicht so viel Angst wie leere. Horror vacui. Genau wie die Küchewand.

L. kommt aus dem Badezimmer, gibt mir einen Kuss auf den Nacken. (Sie mag diese kleinen Gesten, genau wie ich. Und wahrscheinlich braucht sie sie genausosehr wie ich auch.) Fragt kurz, was ich da schreibe, und ich erläutere es ihr, lese schon fast vor, was ich da zusammengekritzelt habe.
Sie meint, sie ginge jetzt ins Bett. Ohne Unterton, ohne Anspielung. Sie hat ihre Tage.
Ein guter Seemann sticht auch ins rote Meer.
Wen kümmert es, was gute Seemänner taten? Es gibt sowieso keine echten Seemänner mehr.
Hoffentlich kann sie schlafen. Aber ich habe das Gefühl, sie ist stärker als ich, wieso also sollte sie nicht schlafen können? Bin ich es nicht, der ihre Nähe sucht, der sich an sie herankuschelt in embryonaler Haltung?
Etwas in mir wehrt sich gegen diese Wahrheit, aber es ist die Wahrheit. Sofern man überhaupt von der Wahrheit reden kann.

Das sind Diskusionen, die ich ewig mit ihr führen kann, und bei denen ich immerzu Umberto Eco zitiere, ohne dessen Theorien noch vollständig im Kopf zu haben. Im Grund genommen stimmen wir jedoch überein. (Was die Frage aufwirft, wieso wir so oft darüber diskutieren, aber manchmal muss man auch einfach nur Meinungen austauschen, ohne zu streiten.)

E. war damals genau so trist wie es heute ist, bzw. wie heute jeneTeile von E, die noch exisiteren, es noch sind. Enge Gassen, Verfall und äusserlicher Wiederaufbau in bunten Fassadenfarben, die jedoch nicht dafür sorgten, dass die bedrückende Grundstimmung verschwand.
Wie sollte jene auch verschwinden?

Ein Kommentar zu “Projekttitel: EVA (voreilige Veröffentlichung im Sinne der computergesteuerten Unterhaltung des lechzenden Publikums) III

  1. ahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh
    merci
    et gin nach leit dei liewen… cogito ergo ech liewen

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