Frühlingssonne (am offenen Fenster)

Die Sonne versinkt langsam hinter den öslinger Koppen, die E. im Westen umschliessen und der Himmel wandelt sich langsam zu einem dunkeleren Blau während du dir Fragen stellst.
Zum Beispiel ist da die Lust, sich zu betrinken, ohne einen Grund dafür zu haben, obwohl das möglicherweise der beste aller Gründe ist – einfach nur so, um Spaß zu haben, und die Frage nach dem Morgen danach, der einfach keinen Kater bringen will, egal, wie sehr am Abend davor alles gedreht hat und du das Gefühl hattest, das Universum würde in deinem Magen auf elliptischen Bahnen drehen, völlig unabhängig davon, was du getrunken hast, ob Bier, ob Wein oder Hochprozentiges oder alles miteinander gemischt, nie dröhnt dir morgens der Kopf.

Du fragst dich, wieso. Und nippst aus deinem Glas mit Blutorangensaft, in dem noch kleine Eisstücke schwimmen. Du weißt, dass du dadurch wieder verschleimen wirst und du morgen wie ein langjähriger Raucher klingen wirst. Aber es geht um jetzt, die warme, aber erfrischende Abendluft zu geniessen, bis es langsam so dunkel wird, dass du künstliches Licht anschalten musst und in die Tiefe der Nacht absinkst.
Vielleicht kommt ja in dieser Nacht die Muse und küsst dich?

J'ai pour elle une affection que je ne sais pas comment manifester…
Die Frage, die zu klären bleibt, ist folgende: Wer wäre denn jene Muse, nach deren Kuss du dich so sehnst? Sind sie nicht alle austauschbar, auf jeden Fall in ihrer Funktion als Muse, ein Abbild des Wunsches, der wahren Muse, der Perfektion. Letzendlich war R. auch nur ein Abbild der Muse, eine sehr genaue Kopie, aber doch bloss eine Kopie. Die Suche wird wohl weitergehen, die Hoffnung nach dem Besuch durch das offene Fenster wird bleiben.
(Es bleibt ebenfalls zu hoffen, dass sich noch zu wenig blutsaugendes Getier in der Luft befindet, das dir ebenfalls einen Besuch abstatten könne.)

Andere Frage: Wieso macht dich diese Jahreszeit so müde? Du hast heute Nachmittag 2 Stunden lang geschlafen, anstatt den Frühsommer zu geniessen.

Der Himmel wirkt mittlerweile wie ein dunkelblaues Tuch, und wenn du deine Augen anstrengen würdest, fändest du sicher auch schon die ersten Sterne. Venus, der Abendstern. Später wird sich den Sternen der Mond hinzugesellen, stummer Begleiter jener, die in der Nacht wachen, anstatt zu schlafen.

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