Frühlingsnacht (mit Bierflasche)

Du errinerst dich, vor ein paar Tagen, als du sie zwischen Tür und Angel gesehen hast und hastig ein paar Worte mit ihr gewechselt hast, während dich dieser Riese neben ihr merkwürdig angesehen hat, als würdest du vor allem ihn stören und nicht mit ihr reden.
Du warst ein wenig wütend, weil sie auf dein Angebot nicht sofort angesprungen ist, aber was machte das schon, eine Minute davor hatte es bei jemand anderem geklappt, und vor allem hattest du dort nicht das Gefühl, was sagen zu müssen – auf jeden Fall hattet ihr beide nicht gewusst, was ihr sagen solltet, und dass du das erkannt hattest, gab dir einen Vorteil.
Sie hingegen erschaffte sich schon dadurch einen Vorteil, dass sie dich rief und du sie nicht gesehen hattest – wie auch?

Du standest also an dieser Ampel und warst wütend. Wütend, weil die gottverdammte Ampel nicht rot grün wurde, und wütend, weil es nicht so gelaufen war, wie du dir es gewünscht hättest. Vor allem aber hatte dieses merkwürdige Treffen dich verunsichert, und diese Verunsicherung war ein ungutes Gefühl in deinem Magen. Du warst wieder einmal auf alles vorbereitet gewesen, das Mikrofon und den MD-Rekorder bereit in der Tasche, um ein Spontaninterview mit Jesus zu machen, falls er vom Himmel herabsteigen würde, bereit, dass die Welt untergehen würde (obwohl sie es schon ist), dass die Erde aufreissen und der Teufel vor dir stehen würde, dass der luxemburgische Geheimdienst mit 5 schwarzen, kugelsicheren Autos und 2 Geländewagen, die sie von der Forstverwaltung geliehen haben vor dir stehen bleiben und dich in einen der 5 schwarzen, kugelsicheren Wägen oder einen der 2 Geländewägen, die sie von der Forstverwaltung geliehen haben, ziehen und dich in ein geheimes Versteck in der Stadt oder eine Jagdhütte im Wald (wieder einmal von der Forstverwaltung geliehen) verschleppen, bereit, der Schweizergarde „Happy Birthday“ zuzurufen und dann gegen jeden einzelen von ihnen in einem mehr oder weniger fairen Wettstreit, Katana gegen Hellebarde, zu besiegen, bereit, die Welt vor ausserirdischen Invasoren zu retten. Aber nicht bereit zu dem, was da wirklich passierte.

Und jetzt, da der Abend bald der Nacht weicht, du ein Freitagsbier getrunken hast und eigentlich Lust hättest, dich mit Wodka, Rum oder Absinth in lustiger Runde (nicht vorhanden) zu betrinken, denkst du an die Gelegenheit, die du heute verpasst hast. Oder eher, die Gelegenheit, die sie heute verpasst hat. Es ist niemandens Schuld, und trotzdem: Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack.

Du trittst ans Fenster, atmest den herrlichen Duft und spürst, dass du doch nichts verloren hast.
Aber es gibt noch alles zu gewinnen.

Ein Kommentar zu “Frühlingsnacht (mit Bierflasche)

  1. Sollte man eigentlich nicht wütend sein, weil die Ampel nicht GRÜN wird?

    Gefällt mir irgendwie der Text, wahrscheinlich streifst du die Atmosphäre die meinen Tag heute überlagerte. Das surreale Gefühl einerseits eine ganze Armee, oder Schweizergarde, besiegen zu können und andererseits völlig ohnmächtig gewesen zu sein gegenüber den Dingen die gerade passiert sind irritiert mich immer wieder.

    Ich wär aber wohl beim bitteren Nachgeschmack stehen geblieben, wenn ich ans Fenster treten würde, würd ich allenfalls ein Gefühl von Kopfschmerzen und ein starkes Niesen bekommen – blöder Heuschnupfen. :)

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