Ich fand bisher, dass Briefe an tote Menschen immer irgendwie kitschig oder pathetisch wirken und doch „nichts ändern“ würden. Aber seit du tot bist, habe ich das Bedürfnis, dir einen Brief zu schreiben. Vor allem, weil ich mich nicht von dir verabschieden konnte und ich das aber unbedingt tun will. Und wenn Pathos in irgendeiner Situation angebracht ist, dann im Angesicht des Todes.
Ich kann immer noch nicht wirklich glauben, dass du wirklich tot bist und ich dich dementsprechend nie wieder sehen werde. Ich sehe mir Fotos von dir an und denke „Du hast Corinne schon lange nicht mehr gesehen“ und dann schlägt mir die Gewissheit mit der Hand ins Gesicht und ich weiß wieder, dass wir uns nicht wieder treffen werden. Wie das letzte Mal, wo wir miteinander geredet haben, an diesem Mittwoch, fast eine Woche vor deinem Tod, am Bahnhof in E. Ich denke zu wissen, dass wir uns beide mehr als gefreut haben, uns zu sehen. Und es war nach langer Zeit mal wieder ein „normales“ Gespräch. Es sollte aber dann auch das letzte bleiben.
Und das ist, glaube ich, das schlimmste an deinem Tod; ich konnte mich nie bei dir entschuldigen dafür, dass ich in der letzten Zeit manchmal neidisch war und mich nicht mehr so oft gemeldet habe wie sonst. Wir hatten uns ne Menge vorgenommen und es nicht geschafft, es zu realisieren. Wir wollten uns absichtlich betrinken, schon in den Weihnachtsferien. Ich wollte dir eine CD brennen mit der Revolution Void, die Musik, die dir so gut gefallen hat, als du bei mir warst, um mit mir am Praktikumsbericht zu arbeiten. Es war schon schwierig genug, dieses Jahr ohne dich im Praktikum zu sein, nicht neben dir sitzen zu können und sich nicht jeden Tag über unsere Beziehung- und Nichtbeziehungskisten unterhalten zu können. Aber wie soll es ganz ohne dich gehen? Ich wage zu behaupten, dass du für einige Zeit meine beste Freundin warst.
Und jetzt bist du einfach nicht mehr da.
Der schlimmste Moment war der, als ich vor deinem Grab stand und mich umdrehte, um zu gehen. In dem Moment drehte sich mein Magen ebenfalls um. Und ich wusste, dass dies der endgültige Abschied war. Ich wusste, dass dieses Umdrehen hieß, dass ich weitergehen müsste und du liegenbleiben würdest.
Ich erinnere mich an so viele schöne Momente. Jeden Donnerstag nach der TP Pizza essen. Überhaupt, Pizza essen. Wann waren wir damals im Pizza Hut und haben uns eine viel zu große Pizza bestellt? Gemeinsam in der TP frieren, Holz spalten, Bäume wertästen. Zettelchen schreiben. Du hast mal gesagt, ich wäre der einzige Junge, mit dem du über den Arsch eines anderen Jungen reden könntest. Du warst aber auch das einzige Mädchen, das mich nach dem Arsch eines anderen Jungen gefragt hat.
Ich möchte noch so viel mehr schreiben, aber mir fehlen im Moment einfach die Worte. Ich fühle mich leer, wütend und traurig im Angesicht von deinem und Bens Tod. Es fällt mir schwer, zu glauben, dass du nicht mehr da bist, obwohl ich es weiß.
Ich habe an dem Samstag vor deinem Begräbniss einen Baum gefällt. Der war für dich. Und es ist noch kein Baum so schön gefallen.
Irgendjemand hat mal gesagt, dass man erst dann wirklich tot ist, wenn niemand mehr an einen denkt. Ich kann es nicht versprechen, aber ich werde versuchen, dich nie zu vergessen.
Und hey, Corinne, danke. Danke für all die tollen Gespräche, für das gemeinsame Gekicher, dafür, dass du da warst, dafür, dass ich für dich da sein durfte.
Mir fällt keine Abschiedsformel ein, die irgendwie angemessen wäre, deshalb einfach nur: Äddi!
Corinne ist am 13. März 2007 bei einem Autounfall gestorben. Sie saß auf dem Rücksitz.
Und es ist irgendwie unbegreiflich traurig, dass ich jetzt schon weiß, dass morgen – wie nach jedem Wochenende – in der Zeitung wieder Todesannoncen der gleichen Art stehen.
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