Freewriting #1

Freewriting hat Thiery bei Serge in den Kommentaren erklärt. Ich fand das eine geniale Idee und will das jetzt mal ausprobieren. Mal sehen, wie lange ich das durchhalte. Ich habe also eben 10 Minuten lang ununterbrochen geschrieben. Dabei sind die folgenden 2741 Zeichen rausgekommen. Ich habe bloss noch die Rechtschreibung und typographischen Elemente geändert. Thierry darf das ganze gerne mal kommentieren. Das soll es jetzt öfters hier geben. Jeden Tag, am besten. Resultat von Versuch Nummer Eins:

Freewriting. Zehn Minuten ununterbrochen schreiben. Wagen wir es einfach. Mal sehen was dabei rauskommt.

Ich sitze in meinem Zimmer, das ich eben neu dekoriert habe. Also eben, das war vor ein paar Stunden, nicht vor 10 Minuten, wie ich gerade schreiben wollte. Und ich tippe wie ein Irrer, vielleicht auch, weil ich die 10 Minuten, so wie mir das kulturell immer nahe gelegt wurde, als Wettrennen sehe, in der es darum geht, so viel wie möglich zu tippen. Ich weiß nicht, ob das der Sinn ist, glaube aber eher nicht. Ich habe meine Wand mit Konzerttickets vergangener Konzerte aufgehangen.

Und irgendwann würden da auch Tickets von Konzerten hängen, die sie selbst gespielt hatte, dachte Ina und sah dann wieder zu ihrem Bass, der, metallisch glänzend ein Funkeln in ihren Augen auslöste. Sie mochte dieses Instrument, das oft unterschätzt wurde. Ein Bass macht nicht bloß „Bum Bum Bum“, ein Bass ist sehr viel mehr. Sie mochte ihn wirklich sehr, und übte jeden Tag so lange sie Zeit hatte darauf. Obwohl sie ihn gerade wieder in den repräsentativen Ständer gestellt hatte, kribbelte es ihr schon wieder in den Fingern, noch einmal zu üben. Sie wartete aber auf jemanden, und obwohl es irgendwie cool wäre, beim Üben unterbrochen zu werden, wollte sie sich von dem Gast, den sie erwartete, nicht unterbrechen lassen. Einerseits, weil sie Angst hatte, ihr Spiel könnte ihm nicht gefallen, und anderseits wollte sie ihm nicht das Gefühl geben, dass er sie störe. Denn das würde er auf gar keinen Fall tun.

Er wirkte immer so scheu, überlegte sie und insgeheim hatte sie sich schon oft gefragt, wieso. Eigentlich hatte er eine blendende Figur, ein schönes Gesicht und wunderbare grüne Augen. Grüne Augen waren etwas seltenes, und es war ein merkwürdiger Zufall dass er wie sie welche hatte. Wenn sie es sich recht überlegte, war er der erste Mensch, bei dem sie die grüne Augenfarbe sofort und bewusst wahrgenommen hatte. Sie hatte ihn überhaupt sehr bewusst wahrgenommen, was bei ersten Begegnungen bei ihr eher selten war.
Liebe auf den ersten Blick? Wohl kaum, denn dann müsste sie jetzt verliebt sein, und das war sie nicht. Es kribbelte höchstens ein ganz klein wenig an ihren Unterschenkeln, wenn sie ihn sah. Ihre Unterschenkel kribbelten, wenn sie aufgeregt oder verliebt war. Nicht ihr Bauch, wie es das Klischee war. Vielleicht war sie einfach merkwürdig.

Sie war schon immer ein klein wenig anders gewesen. Oder sich anders gefühlt. Sie konnte nicht wirklich mit dem Finger darauf zeigen, was sie denn genau von anderen Menschen unterscheiden würde, aber irgendwo tief in ihr drin hatte sie das Gefühl, dass sie anders war als die anderen Menschen, die um sie herum waren. Was stecke in ihrer Seele, was bei anderen nicht vorhanden war?

6 Kommentare “Freewriting #1

  1. mhmm, Kommentare zur Zeitform wären mir im Moment gelegen, da ich sehr oft an mir selbst zweifele, was da richtig wäre und was nicht. Das ist das Problem wenn man es jahrelang nur "auf Gefühl" gemacht hat und nun nicht mehr durch äussere Umstände gezwungen wird, sich bestimmte Dinge zu merken/sie einzusetzen. Also, go on! Und: Danke! :)

  2. gefällt mir gut, das gezwungene ununterbrochen Schreiben tut sehr viel für den Zusammenhalt des Textes hab ich das Gefühl!
    (allerdings ich weiss ich weiss du hörst das nicht so gern in den kommentaren, aber manchmal erscheint mir die benutzte zeitform des verbs nicht optimal)
    keep going

  3. ich warn dich gleich ich mach das auch auf gefühl nicht etwa aus klaren regeln die sich meinem gehirn entlocken liessen.
    "und obwohl es irgendwie cool war" da sag ich definitif falsche zeit, so wie es da steht heisst es dass es so passiert ist, das ergibt keinen sinn, war durch wäre ersetzen und alles ist gut ;)
    "dass er sie störte." hier nochmal das gleiche: ersetze störte durch störe, es handelt sich nicht um einen Fakt sondern um eine spekulative Fesstellung vom sprecher aus gesehen in der zukunft (die nicht passieren wird).
    "Grüne Augen waren etwas seltenes"

    "Nicht ihr Bauch, wie es das Klischee war"

    "Sie mochte dieses Instrument, das oft unterschätzt wurde"

    die letzten drei sachen sind meines erachtens nach nicht falsch, aber ich persönlich empfinde sie als komisch weil ich mir bei den fesstellungen eigentlich präsenz erwarten würde; denn das stimmt auch heute noch so. persönlich wäre ich da ausgewichen bspw ",wie es das klischee will" das wäre dann einer anmerkung des autors gleichzusetzen. "wie es das klischee war" löst in mir eine reaktion aus die als implizit empfindet dass es heute nicht mehr so ist. das liegt denke ich daran dass du die form einer indirekten rede benutzt um gedanken auszudrücken und somit auch redewendungen einbaust die man so nicht sagen würde wohl aber denken könnte.
    Wie gesagt ist bei mir auch eher gefühl und zumal bei den letzten sachen ist es gut möglich dass ich total auf dem holzweg liege. (wenn dann jemand so freundlich wäre mich aufzuklären wäre ich überaus dankbar)

  4. Gefällt mir! :) Beim Freewriting geht es darum, die Ideen aus sich strömen zu lassen, was dir, wie es aussieht, gut gelungen ist.

    Man kann das Freewrite danach einfach wegLEGEN (nie wegWERFEN, wenn ein Text dich jetzt nich inspiriert, tut er das vielleicht in ein paar Wochen, und soviele KB nimmt ein Textdokument ja nicht auf der Festplatte ein), und es entweder dann trotzdem vergessen oder nach einiger Zeit sich wieder an den Text heranwagen und bearbeiten. Oder man tut es direkt. Ich würde mich über letzteres freuen, denn die letzten drei Abschnitte wirken wie ein Teil einer wunderbaren Geschichte, von der ich mehr lesen will. Und das ist auch das eigentliche Ziel des Freewriting: man schmeisst alle Ideen ohne Zwang auf ein Blatt Papier und sucht sich danach die Ideen raus die einem gefallen, und benutzt sie für eine Geschichte. Du kannst jetzt natürlich jeden Tag immer nur einen Freewrite schreiben und veröffentlichen, ich würde mich jedoch freuen, wenn du diesen hier benutzen würdest und uns Inas Geschichte erzählen würdest. ;)

  5. Serge: Danke erstmal. Bin mir bei "und obwohl es irgendwie cool war" nicht sicher, ob sie (wie das klingt!) nicht meinte, dass sie schon mind. einmal beim Spielen gestört wurde und dass grundsätzlich cool findet oder halt den Fall, den du nahegelegt hast, den ich aber auch für realistischer halte.

    Thierry: Zum Sofort-Bearbeiten habe ich nicht immer/im Moment nicht wirklich Zeit, aber jeden Tag die Ideen zu der Person/Situation aus sich heraus strömen lassen gefällt mir sehr. Mal sehen was morgen so passiert ;-)

  6. Zeitmangel sich ausgiebig um die Charaktere im eigenen Kopf zu kümmern (Ach herrje, klingt ja fast so als wäre ich schizophren. Vielleicht bin ich's, wer weiss. Ja, bist du. Mist!) kenne ich auch gerade. :(

    Man kann die Methode ja nach Belieben abändern. Ich freue mich auf Inas Geschichte!

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