2500 Zeichen heute. Ich bin zufrieden, auch wenn ich teilweise etwas gestockt habe und relativ oft während des Schreibprozesses an Sätzen gefeilt habe. Aber ich komme da nicht wirklich drum herum.
Sie hoffte, dass er ihr etwas vorlesen würde. Zum Beispiel das, was er im Zug geschrieben hatte. Woran er wohl dachte, wenn er unterwegs zu ihr war? Was trieb ihn an, sie zu treffen? Und wie war wohl seine innere Reaktion auf ihren Vorschlag, sie bei ihr zu Hause zu besuchen, gewesen?
Sie mochte seine Stimme. Einmal hatte er ihr am Telefon ein Gedicht von sich vorgelesen, und sie hatte gehofft, es würde ewig dauern. Er beruhigte sie, versetzte sie in eine gewisse Stimmung, die sie entspannen lies und sie gleichzeitig fast verrückt machte. Was würde heute Nachmittag passieren?
Ina hatte schon merkwürdige Erfahrungen mit solchen ersten Begegnungen gehabt. Einmal war zu heftigen Knutschereien gekommen, andere Male wusste sie danach noch weniger, was sie denken und wollen sollte als vor dem Treffen. Aber diesmal sollten die Dinge ja auch ein wenig anders sein, immerhin war er nicht irgendein Date, sondern jemand, der sich sie ausgesucht hatte, weil er sie im Bus gesehen hatte.
Er hatte ihr allerdings nie erklärt, wieso er gerade ihr diesen Zettel gegeben hatte. Sie war damals nicht sonderlich hübsch oder aufreizend angezogen gewesen, noch hatte sie ihn beim Einsteigen angelächelt oder zu ihm hinübergesehen. Sie hatte nur Augen für die Straße, die Welt jenseits der Scheibe gehabt und versucht, sich nicht auf die stumpfen Gespräche der kaugummikauenden Modeopfer zu konzentrieren. Sie hielt sie für Modeopfer, was aber nicht bedeutete, dass sie nicht selbst irgendeiner schwammigen Mode folgte, die sich gewisse Dinge aus dem Mainstream herauspickte, sie mit mehr oder weniger unpassenden Dingen verband und so etwas kreierte, das man nicht an jedem Menschen sah, jedoch auch nicht völlig fremdartig wirkte. Die Kunst, aufzufallen und trotzdem kein Fremdkörper zu sein, gelang ihr meist.
Wahrscheinlich war es deshalb gewesen. Sie war ihm aufgefallen und dann hatte irgendeine Eingebung ihn veranlasst, ihr einen Zettel zu geben. Vielleicht, weil er gerade eine Geschichte im Kopf hatte und nicht weiterkam. Eine Muse brauchte. Er hatte das Wort »Muse« ein paar Mal verwendet, allerdings nur in Bezug auf andere Leute, die wohl Teil seiner Vergangenheit waren. Suchte er in ihr eine Art Inspirationsquelle, ein Modell für Personen in seinen Geschichten?
Ihr Exfreund hatte sowas ähnliches in ihr gesehen. Sie wusste bis heute nicht, ob ihr das wirklich gefallen hatte. Wollte sie geliebt werden, weil sie jemanden inspirierte, oder wollte sie jemanden inspirieren, weil er sie liebte?
Ich fange an mich gefährlich viel mit dem Jungen zu identifizieren. :D
Mir geht es ähnlich, und ich find das ebenfalls gefährlich. :-P
Pingback: Fireball’s Weblog – (enjoying the postapocalypse) » Blog Archive » Jahresrückblick