Freewriting #9

2811 Wörter. Ich glaube, das ist der bisherige Rekord. Und das, obwohl ich das Gefühl hatte, sehr langsam zu schreiben. Merkwürdig. Jedenfalls, hier ist das Resultat:

Sie hatte einen merkwürdigen Traum gehabt. Immer wenn sie geträumt hatte, musste sie danach an Sigmund Freud denken. Konnte man nach dem alten, bärtigen Mann überhaupt noch etwas nichts-sexuelles träumen? Deutete in der sexuell überlasteten Welt des Psychoanalytikers nicht alles auf irgendwelche geheimen Gelüste oder sexuellen Traumata in der Kindheit hin?
Sie mochte das nicht.
Ina mochte ihre Träume nämlich auch, ohne sie sexuell zu deuten.

Sie hatte auch (noch) nie einen feuchten Traum gehabt. Was auch immer daran so toll sein sollte, hatte sie sowieso nie verstanden. Immerhin war Sexualität schöner, wenn man sie aktiv erfuhr, anstatt sie bloß zu träumen. Sie träumte immer von merkwürdigen Landschaften, durch die sie weite Spaziergänge unternahm und auf bekannte und unbekannte Personen traf. Verzerrte Gesichter und physikalische Gesetze beherrschen diese Traumwelten, in denen sie lange Nächte nach Wegen suchte, die sie manchmal fand, manchmal aber auch nur suchte. Manchmal träumte sie auch von Leuten, die sie in der Realität nicht gut kannte. Meistens war das irgendein Unsinn, den niemand einen auch nur als Traum geglaubt hätte, weil man der Ansicht der meisten Leute nach sehr viele Drogen nehmen musste, um auf solche Gedanken zu kommen.
Was Ina nicht davon abhielt, weiter solche Träume zu haben.

Diesmal hatte sie von ihm geträumt. Sie hatte überhaupt nicht lange geschlafen, nur vor einer Stunde, nachdem sie ihr Zimmer fertig aufgeräumt hatte, hatte sie sich auf das frisch bezogene Bett gelegt, einen dummen Witz erfunden und war kurz eingenickt. Und da hatte sie, im Halbschlaf, von ihm geträumt. In ihrem Traum saß er auf einem Baum und spielte ein Kartenspiel mit einem Frosch, der ebenfalls auf einer Astgablung saß. Sie war im Traum auf den Baum geklettert und hatte ihn geküsst, in der Erwartung, der würde sich dann in einen Frosch verwandeln. Statt dessen hatte er eine Erdbeere vom Ast gepflückt und sie ihr gegeben.

Ina fand den Teil mit der Erdbeere am merkwürdigste, wenn sie jetzt darüber nachdachte. Diese kleinen Details machten Träume so surreal. Alles andere kam auch in Märchen vor. Aber in Träumen musste man sich nicht an physikalische oder botanische Gesetze halten. Oder eher: Die Träume hielten sich nicht daran. Sie hatte gelesen, dass es wohl Menschen gäbe, die bewusst träumen konnte, aber ihr gelang das nicht einmal im Halbschlaf, wenn sie ganz fest an irgendetwas dachte. Meistens träumte sie dann überhaupt nichts. Auf jeden Fall mochte sie Freud nicht. Einmal war sie ihm auch im Traum begegnet. Er hatte selbst auf einer Couch gelegen und Mittagsschläfchen gehalten. Ina hatte ihm im Traum, und vielleicht war das das einzige Mal, dass sie bewusst eine Aktion in ihren Träumen beeinflusst hatte, den ausgestreckten Mittelfinger vor die Nase gehalten.


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Eine Antwort zu „Freewriting #9“

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