Der Tag, als der blaue Hirsch starb oder: An iwerhaat, mir hu Kulturjoer, d’Leit sollte méi Drogen friesse

Ich war gestern den ganzen Tag lang damit beschäftigt, das Livestudio von Radio ARA abzureissen und dabei zu helfen, das Aufnahmestudio in ein Sendestudio und den Schneideraum in ein Aufnahmestudio zu verwandeln. Eigentlich mag ich das Gefühl von Baustellen – Werkzeug, mit dem man herumspielen kann, Maschinen, die man gerne mal für ein Industrialprojekt ausleihen möchte und Menschen, die Langwelle auf unbenutzen Telefonleitungen hören können. (Das geht anscheinend auf jeder unbelegten Telefonleitung. Ausserdem hörte man in Junglinster, wo die RTL-Sendetürme stehen, früher diesen Sender im Telefon, weshalb der Ort einer der ersten war, der unterirdisch verkabelt wurde.)
Als mich dann auf dem Heimweg befand, erinnerte ich mich daran, dass dies der letzte Tag des Kulturjahres war. Irgendwo hab ich gelesen, dass man für gestern 40.000 Besucher erwartete. Okay, mag sein, dass ich die Parade verpasst hatte, aber ausser einem gigantischen Verkehrschaos sah ich nichts. Oder, so gut wie nichts. Ein paar Buden, die verzweifelt versuchten, Getränke und Fressalien an nichtexistente Zuschauer eines Events, das so gut wie nicht stattfand, zu verkaufen. Gegenüber vom ArcelorMittal-Gebäude, dh. im »Rousegärtchen« wurde mit Flutlichtern gespielt, während ein Kran irgendetwas hochzog. Das ging aber nicht schnell, sondern sollte wohl lange dauern. Für mich sah es so aus, als würden die ein Auto aus der Tiefgarage darunter rausziehen, aber ich irre da wahrscheinlich. Auf jeden Fall: zu langweilig, und vor allem regnete es mir zu viel.

Ich weiß nicht, wie es später in den Rotunden aussah, aber an die 40.000 glaube ich da auf keinen Fall. Das Kulturjahr ist sehr still gegangen, so wie es die meiste Zeit über sehr still war. Ich fand das irgendwie schade. Es lief eine Unmasse von Dingen, aber so wirklich gab es niemanden, der einen darauf hingewiesen hätte. Vielleicht war ich aber auch bloß einfach zu blind und habe viele tolle Dinge verpasst, weil ich mich nicht richtig informiert habe. Das interessanteste Projekt, von dem ich hoffe, dass es in der Form weiterleben und sich weiterentwickeln wird, ist wohl Flash007, bei dem ich ja bekanntlicherweise selbst – auch hier wieder viel zu selten – mitgemacht habe. Dann war All We Need wohl die beste Ausstellung, die ich gesehen habe, aber auch ParaDies fand ich nicht schlecht (da hab ich ja auch ausgestellt). Die Idee von Ni Vu, Ni Connu, fand ich exzellent – und auch sonst gab es einige tolle Dinge.

Sehr schade ist, dass man das Kulturjahrcafé Exit07 jetzt einfach schliesst – man hätte zumindest versuchen können, jemanden zu finden, der es im Spirit von 07 weiterführt. Was mit der nicht-renovierten Rotunde 2, die einen wunderbaren Industrieruiniencharme hat, passiert, ist auch ungewiss. Vermutlich wird man sie wie ihr Gegenstück renovieren, den Boden von Giftstoffen befreien und dann wird sie genauso steril aussehen wie die Rotunde 1 jetzt schon. Klappe zu, Hirsch tot, quasi.

Mit dem Kulturjahr, das nie wirklich von dem allgegenwärtigen blauen Hirsch loskam, stirbt die Kultur aber hoffentlich nicht. Es gab davor und es wird danach auch noch eine ganze Reihe wunderbarer Aktionen im Kunstbereich geben – und eine literarische ist ja im kommen.
Abschliessend hoffe ich einfach, dass mein Satz zum Kulturjahr auch 2008 noch irgendwie zu gebrauchen sein wird:
»An iwerhaat, mir hu Kulturjoer, d‘Leit sollte méi Drogen friessen«

Ein Kommentar zu “Der Tag, als der blaue Hirsch starb oder: An iwerhaat, mir hu Kulturjoer, d’Leit sollte méi Drogen friesse

  1. Vergiss den blauen Hirschen, jetzt kommt das Jahr des rosa Eichhörnchens! :) Und ich freu mich auf die Lesung… Es sind noch nicht einmal mehr drei Wochen bis dahin. Juhu :D

    Das war’s aber auch schon mit dem Fortschritt. Seither gehört Junglinster zu den rückständigsten Gemeinden des Landes. Wahrscheinlich belegen wir sogar den letzten Platz. Wenn schon, denn schon. Mist, Fireball jetzt war ich so gut drauf. Ich hasse das verdammte Dorf fast noch mehr als seine bescheuerten Einwohner (mal von ein paar offensichtlichen Ausnahmen abgesehen).

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