DieJulia hat mich mit ihrem kulinarischen Schüttelreim zur Jagdsaison daran erinnert, dass ich schon etwas länger plane, etwas über das Thema Jagd zu schreiben.
Ich möchte anmerken, dass ich mir aufgrund meiner Ausbildung einbilde, relativ viel Ahnung von den Thema zu haben und keiner extremer Ideologie nachzueifern. Ich werde auch vor allem auf die Situation in Luxemburg eingehen, da es die ist, die ich am besten kenne.
Aber das ist ja eigentlich schon das große Problem: Jeder, der eine Meinung zur Jagd hat, bildet sich ein, furchtbar viel Ahnung zu haben. Was dann oft nicht so sehr der Fall ist.
Ist Jagd notwendig?
Um es kurz zu machen: Ja, Jagd ist notwendig. Es gab immer schon Tiere, die Jagd auf das heute gejagte Wild gemacht haben. Diese Super-Prädatoren wie der Wolf und der Luchs sind größtenteils verschwunden und werden auch so schnell nicht zurück kommen. Die Populationen von Rehwild und Schwarzwild (Wildschweinen) sind in den letzten Jahren enorm gestiegen. Es ist quasi unmöglich, Rehe und Wildschweine im Wald zu zählen und auf brauchbare Zahlen zu kommen. (Auf der dänischen Halbinsel Kalø wurden unter größten Anstrengungen 70 Rehe gezählt, als man einen Totalabschuss durchführte, zählte man 213 Tiere.) Die hier genannten Populationsanstiege berufen sich also auf die einzigen Zahlen, die zur Verfügung stehen: die Zahl der abgeschossenen Tiere.
Die Wildschweine haben sehr viel bessere Lebenskonditionen, seit intensiver Maisanbau betrieben wird. Was wiederum zu sehr viel Wildschaden führt. Schädigen die Wildschweine in den Wäldern selbst kaum Bäume (höchstens einzelne Stämme, an denen sie sich nach einem Schlammbad abreiben, was aber wirtschaftlich absolut verträglich ist), so sind die Schäden in der Landwirtschaft relativ groß.
Wildschweine haben keine „eingebaute“ Populationskontrolle wie beispielsweise Füchse, bei denen bei hoher Populationsdichte nur ein Α-Weibchen Junge gebärt, dh. aus einer kleinen Rotte Wildschweine kann sehr schnell eine sehr große werden, welche natürlich auch sehr viel mehr Futter braucht. Wildschweine haben unter den momentanen günstigen Bedingungen eine Vermehrungsrate von 150 bis 200% pro Jahr. In den letzten Jahren kommt verstärkt das Problem der vielen aufeinander folgenden Mastjahre hinzu, dh. die Wildschweine leben quasi im Schlaraffenland – und vermehren sich dementsprechend.
Weitere mögliche Ursachen der Populationsexplosion der Wildschweine sind die starke Fütterung durch Jäger, die gezielte Hege der Bachen (man schießt keine weiblichen Tiere, um mehr Nachwuchs zu erhalten), milde Winter und der naturnahe Waldbau – welcher natürlich auch für mehr Nahrung sorgt.
Die Population des Rehwildes ist seit den 60er Jahren steigend. Wurden 1960 noch etwas über Tausend erlegte Rehe gezählt, so waren es um 2000 über 7000. Beim Reh ist allerdings zu bedenken, dass der Populationszuwachs wesentlich geringer ist als beim Schwarzwild, da eine Rehgeiß meistens zwei Kitze auf die Welt setzt. Eine Überpopulation, die weniger Nahrung bietet, bedingt auch, dass weniger Kitze durchkommen.
Rehe verursachen eine ganze Reihe von Schäden, vor allem im Wald. Man unterscheidet zwischen Fegeschäden und Verbissschäden. Fegeschäden werden von Böcken verursacht, die die anfänglich vorhandene Haut über ihren Geweihen an Bäumen abfegen, was wirtschaftlich wenig von Bedeutung ist. Die Verbissschäden sind jedoch schwerwiegender und werden mit steigender Rehpopulation schlimmer.
Da Rehe sogenannte Konzentratselektierer (Artikel vom Hirsch verlinkt, da sich hier der Begriff erklärt wird – Rehe und Hirsche haben aber sehr wenig gemein!) sind, d.h. energiereiches Futter benötigen, fressen sie vor allem die energiereichen Knospen von jungen Bäumen (da kommen Rehe besser dran!). Entfernt man den Terminaltrieb (die Knospe, die später einmal der Stamm wird), kommt es zur Bildung von Bonsaibäumchen.
Bei wenigen Rehen stellt das noch kein großes Problem dar, in der waldbaulichen Planung rechnet man immer mit Verlust und pflanzt deshalb mehr – wenn es Naturverjüngung gibt ist das Problem bei einzelnen Pflanzen nicht sonderlich schwerwiegend. Fehlt jedoch nun andere Äsung (Nahrung) und ist die Rehdichte hoch, kann der Schaden von den einzelnen Pflanzen schnell auf den kompletten Ausfall einzelner Baumarten (Eiche und Kirsche werden bevorzugt) bis hin zu einer Situation, in der nicht einmal mehr Naturverjüngung ohne Schutzmaßnahmen mehr möglich ist, reichen. Rehe können sogar verschiedene Pflanzen lokal ausrotten, z.B. die Türkenbundlilie.
Anzumerken vielleicht noch, dass der Vebissdruck auf eine Pflanzung (Kulturfläche) in einem äsungsarmen Gebiet (also ein Gebiet, in dem es sehr wenig andere Pflanzen gibt, an denen sich Rehe bedienen können) trotz geringer Rehdichte sehr hoch sein kann. Waldbaulich kann man Rehen begegnen, indem man artenreiche Mischwälder und gut strukturierte Waldränder gestaltet und fördert – was natürlich Arbeit bedeutet!
Übrigens ist die Winterfütterung von Rehen ziemlich Unsinn, da Rehe im Winter normalerweise ihren Magen so umstellen, dass sie mit sehr wenig Nahrung zurechtkommen (die Entwicklung der Föten steht ebenfalls still). Füttert man sie, so stellt sich der Magen nicht um und man muss bis ins späte Frühjahr weiter füttern, da die Rehe sonst eingehen.
Was ist denn mit den Prädatoren?
Der einzige Super-Prädator, der in Luxemburg vorkommt, ist der Uhu. Und das auch nicht gerade in atemberaubenden Zahlen. Vor allem ist ein Ein-Meter-Vogel auch nicht unbedingt das Tier, das unsere riesigen Reh- und Wildschweinpopulationen dezimiert.
Der Luchs wird oft als möglicher Superprädator in Luxemburg zitiert. Nun, auch wenn Luchse nicht, wie das oft angenommen wird, riesige Wälder brauchen und sich nur auf 500 Meter vom Waldrand entfernen (ein telemetrisch beobachteter Luchs ist zwei mal durch Zürich gelaufen), so brauchen Luchse dennoch ein ziemlich großes Territorium. Man könnte sich durchaus einige Tiere in den Ardennen, dem Ösling und der Eifel vorstellen. Gerüchten zufolge gibt es auch schon einige wenige Luchse in Belgien. Allerdings wäre der Luchs eher ein Gast in Luxemburg, der alle paar Wochen oder Monate mal ein Reh erlegt und sonst wenig zur Verkleinerung der Populationen beitragen würde. Fazit: Schön wärs, aber der Nutzen ist eher klein.
Der Wolf ist das nächste Kandidat auf der Prädatorenliste – und meiner Meinung nach der vielversprechenste. Definitiv auf dem Weg der weiteren Ausbreitung wird der Wolf wohl von alleine in den nächsten 50 Jahren irgendwann in Luxemburg ankommen. Dafür wäre er allerdings ziemlich effektiv, vor allem was die Rehpopulationen angeht. Schafherden können durch Hunde gut geschützt werden. Wildschweinrotten können größer werden, dh. mehr Schweine in einer Gruppe, wenn eine ständige Nahrungsquelle vorhanden ist (Maisfeld oder Futterstelle im Wald). Wölfe haben auch den Vorteil, dass sie, anders wie der Luchs, dessen Jagderfolg vom Überraschungseffekt abhängig ist, vor allem junge, kranke oder schwache Tiere angreifen.
Noch gibt es die Wölfe aber nicht – und es scheint mir zumindest auch nicht so, als gäbe es politischen Willen, welche auszusetzen.
Was kann man an der Jagd kritisieren?
Mein Problem mit Jagdgegnern/Jagdkritikern ist, dass sie oft ziemlich dämliche Argumente haben. Man kann einfach nicht mit „Die armen Bambis“ und die angeblich brutalen Jagdhunde argumentieren. Auf jeden Fall dann nicht, wenn man sich ebenfalls für den Luchs oder den Wolf stark macht. Ich vermute jetzt einfach mal, dass ein Tod durch die Kugel, wenn sie denn sauber trifft (mit flüchtenden Tieren hat man selten die Chance für einen zweiten Schuss), „humaner“ ist als von einer Meute Wölfe kilometerweit gehetzt zu werden und dann totgebissen zu werden. Überhaupt frage ich mich, ob die Tiere den Schuss hören, denn die Kugel ist ja schneller als der Schall.
Fütterung von Wildtieren ist kontraproduktiv und gehört verboten, was im neuen Jagdgesetz ebenfalls der Fall sein wird. Wie es sich mit der Äsung (zum Anlocken) verhält, mag ich nicht genau sagen. Es kommt dort wahrscheinlich auch auf die Menge an.
Fuchsjagd bringt nicht sehr viel, sie ist oft sogar kontraproduktiv. Aber es gibt auch außer „die armen Tiere“ nicht wirklich viel Argumente dagegen. Man sollte sich als Jäger halt nur bewusst sein, dass es wegen Fuchsbandwurm auch noch gefährlich ist und man deshalb wohl sehr wenig davon hat, einen Fuchs zu schießen. Aber das ist ein Punkt, den man sicherlich kritisieren kann: Trophäenjagd anstatt Wildregulierung.
Auch das System in Luxemburg das, einen ja menschenrechtsverachtend dazu zwingt, als Grundstückbesitzer Mitglied in einem Jagdsyndikat zu werden, dh. in dem Club, der dafür sorgt, dass man Geld für die Jagdpacht und den Wildschaden bekommt, kann man sicherlich kritisieren. Es dürfte wohl auch kein Geheimnis sein, dass die Jägerzunft in Luxemburg oft aus der Oberschicht besteht, was zumindest bei mir einen merkwürdigen Beigeschmack erzeugt.
Ich kann nicht einschätzen, wie die Situation in Luxemburg momentan ist. Es gibt sicherlich einige schwarze Schafe unter den Jägern – vielleicht auch mehr, als man glauben mag, vielleicht aber auch weniger. Vielleicht kommt mit einer neuer Generation Jäger auch ein Wechsel der Methoden und vor allem des „Spirits“, mit dem die Jagd betrieben wird.
Falls ich jetzt irgendwo einen Fehler begangen habe – was bei der komplexen Materie sicherlich leicht der Fall ist, so bitte ich, mich darauf hinzuweisen. Und auf eine Diskussion freue ich mich schon!
Interessant Posting… :)
Daat eenzegt, waat ech perséinlech mer nach gewënscht hätt, wier, dass de op den Artikel 23 vum Projet de loi agees. Do steht dran, dass een op sengen eegenen Terrainen entweder muss jidfereen op d’Juegd goen loossen, oder dass een do nom Opt-Out-Prinzip kann d’Juegd generell komplett a fier jidfereen verbidden (dann därf een z.B. och keng befrende Jeer do jooen loossen). Fier d’Juegd ze verbidden, muss een aallerdéngs eng schreftlech Demande areechen, an där een sech rechtfärdegen muss, fierwaat een nit well, dass op sengem Terrain gejoot gett.
Sorry, aawer wou liewe mer dann hei? Fierwaat muss ech mech rechtfärdegen, wann ech nit well, dass aaner Leit op mengem Terrain mat schaarfe Waffen rondremlaafen?
Fairerweis muss ech soen, dass am Gesetz explizit d’Juegd an “Agglomératiounen”, verbueden ass, außer wann een ugeschossent Déier dohinner flücht (an deem Fall därfen d’Jeer d’Déier suguer op en Terrain verfolgen an do erschéissen, wou de Propriétaire explizit d’Juegd op sengem Terrain verbueden huet.).
Waat mech nach stéiert um Projet de Loi ass folgenden Passus:
“Le dommage causé par le gibier sur les fonds où l’exercice du droit de chasse est interdit, suspendu ou limité en application de l’article 10 est supporté entièrement par celui qui l’a subi.”
Daat heescht am Kloortext: Wann d’Wëldschwäin virun de Jeer flücht, an dobäi duerch mäi Gaart rennt a mäi Gaardenheischen zerleet, da muss ech daat selwer bezuelen.
Faasse mer zesummen: Aaner Leit därfen op mengem Terrain op d’Jued goen, an eventuell Profiter (wann se d’Fleesch verkaafen) an hier eegen Täsch stiechen. Wann aawer bei der ganzer Juegd Schued ugeriicht gett u mengem Privateegentum, dann därf ech daat selwer bezuelen. D’Profiter fier d’Juegdpächter, an d’Zech därfen di aaner Leit bezuelen? Geht et nach?
D’Wier eng Schaan, wann daat Gesetz a senger aktueller Form géif de Staatsroot passéiren.
Pascal: Du hues offensichtlech net verstaanen, waat “Weldschued” ass. Et geht héi net em Gaardenhaiserscher, mee em Weldschued wéi ech en am Besch oder op Aackerflächen beschriwen hunn. Deen Szenario, deens du ugess, ass ziemlech onrealistesch. Et geht jo souwiesou nemmen ausserhalb vum Bauperimeter gejoot.
Yeah, du gess gezwongen an en Verain beizetrieden, deen dir Souen ged, fir daat Leit därfen Déiren deziméiren, déi dengem Grondsteck schueden. An du kriss Geld, wann déi Leit hier Aufgab net ordentlech maachen an et Weldschued ged. Schrecklech. Et kéint een et anescht organiséiren, jo, mee ech fannen awer, wann een net well daat op sengem Grondsteck gejoot ged, dann muss en d’Konsequenzen och droen.
Profiter vun verkaaftem Fleesch ass gereng, du kanns jo mol bei der Provancale nofroen, waat en esou kritt, et ass, esouwait ech wees, net immens vill.
Mein lieber Herr Gesangsverein!
Den nächsten Schüttelreim mach ich über… Kreuzcousinenheirat! :-)
(PS – total faszinierend, das Luxemburgische! Ich würd sagen, daß ich 70 Prozent sogar verstehe!)
vill gudd punkten erwescht Joel, et ass wouer dass mer quasi mussen eng Juegd hun well mer fréier uns sougenannten Superprädatoren als natierlech Regualtoren ausgerottet hun. (klengt op den eischten bleck paradox mee ass numol sou)
et ass daher un ons dass ma ons fir eng nohalteg an streng kontrolleiert Juegd asetzen dei vun professionellen Fierschteren respektiv ForstarbeschterInnen mat spezieller ausbildung muss gemach gin – D Hobbyjuegd ass natierlech en Phänomen vun “besseren” (oder di mengen se wieren besser) Leit di mengen se missten dat man an well ronderemsech schéissen, besonneg als Statussymbol.
An natierlech ass d Juegdlobby insbesondere zu Letzebuerg eng enorm staark an politeg vernetzt grupp di deels vun ganz degoutanten Lait organiseiert gett. Dat schengen ma 2 wichteg punkten ze sin di een och politeg uprangeren kann.
“Die Wahrheit über die Jagd – Evolutionsbiologe Prof. Josef Helmut Reichholf widerlegt Jägerlügen”
Interessanten Video: http://www.youtube.com/watch?v=-Ls-m1kDwVY
Ja, wien esou een boulevardesken Video als “interessant” bezeechent, huet net verstaanen, em wat et an deser Debatt geet. An ech gesinn net, wou de Video meng Erklärungen widderleet? Well am Fong seet en genee dat selwescht. Ob den Mann vun der TU elo Recht huet domadder, dat Super-Prädatoren net esou vill reguléiert hunn, wees ech net. Klimawandel, Maisubau an Fidderung sinn secherlech och wichteg Faktoren. Mä ech fannen de Video net gutt, well en vill ze vill Meenung ergräift an de Kommentar ass jo scho baal sarkastesch.
Freet een sech wéi d’Natur et Millioune vun Joer färdeg bruecht huet fir ze iwwerliewen ouni eis Jéeër, déi se reguléiert hunn!! ;)
Dovunner ofgesinn hunn ech och näischt géint en reguléiert a vum Staat kontrolléiert Juegd, déi an Extremfäll en effet néideg ka sinn.
Mee dat huet näischt mat deenen Möchte-Gern-Ramboen an -Indianer ze dinn déi d’Doudmaachen vun Déieren als Hobby ugesinn. Oft nach an alkoholiséiertem Zoustand.
Cf och die eng Fra am Video: d’Schéissen vun Déieren gët hier Muechtgefiller … ziemlech primitiv Gefiller, menger Meenung no.
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