Kaffee und Kuchen


Dies ist ein neuer Teil der Kuchenbaum-Geschichte. Der Artikel hat ein eigenes Layout, deshalb nicht erschrecken, wenn die Seite erst einmal ungewohnt aussieht. Besondere Geschichten haben auch eine besondere Präsentation verdient.

Kaffee und Kuchen
Dies ist ein Teil der Geschichte Kuchenbaum um ein Mädchen namens Ina, ihren Exfreund, ihre Freundin, Zoë, und deren Exfreundin, Aline.
Was bisher geschah lässt sich hier nachlesen.
Zoës Hand verkrampfte sich für einen kleinen Moment, als sie den Griff der Schublade umklammerte. Dann schmiss sie die Schublade mit aller Kraft zu. Sie konnte nicht nur den lauten Knall, gefolgt vom Geschepper des bunt zusammengewürfelten Besteckes, das etwas verzögert die Kräfte der Schwerkraft zu spüren bekam, hören, sondern den Aufprall regelrecht spüren.
Sie blickte ein weiteres Mal ungläubig auf ihr Mobiltelefon.
„Ich liebe dich“ stand da. Ein Satz, der keines Satzzeichens bedurfte.
Am liebsten hätte sie die Schublade noch einmal zugeschmissen. Diesmal noch fester. Am besten so fest, dass die ganze Einbauküche zusammengefallen wäre.

Sie stützte sich auf die Arbeitsfläche, auf der ihr Telefon lag, übte so starken Druck aus, dass die fürchtete, die Tasten würden sich in ihrem Handteller abzeichnen. Stumm blickte sie auf den grau gesprenkelten Kunststoff. Eine einzige, kleine Brotkrumme lag dort.

Gänsehaut im Nacken. Sie wusste instinktiv, dass jemand sie beobachtete. Und sie wusste, dass Ina sah, wie es ihr ging. Ina konnte jede noch so kleine Änderung ihres Gemütes sehen. Sie verstand es die kleinen Anzeichen zu sehen. Ina sah die Gänsehaut, die angespannten Rückenmuskeln, die verkrampften Hände. Und Ina würde wissen, was los war.

„Hast du meinen Schal gesehen?“, fragte sie und ärgerte sich, dass ihre Stimme nicht so beiläufig klang, wie sie es gerne gehabt hätte. Immerhin schaffte sie es, Inas Blick nicht auszuweichen.

„Er hängt auf der Garderobe. Willst du etwa raus? Wir sind quasi eingeschneit!“
„Mit der Schneehöhe könnte man nicht mal Skifahren. Ich meine den Grünen, mit den merkwürdigen Mustern. Dieses Hippieteil.“

Ina seufzte. Einen Moment lang öffnete sie den Mund, wie um etwas zu sagen. Sie nahm Luft, verschluckte sich fast und als die Wörter ihr auf der Zunge tanzten, schluckte sie sie wieder hinunter. Statt dessen meinte sie trocken:
„Er liegt auf meinem Nachttisch. Ich mag deinen Hals lieber nackt.“

Ein Grinsen.
Und noch eins, allerdings ein kürzeres.

Ina musste nicht wissen, dass Aline ihr wieder geschrieben hatte. Sie wurde immer auf eine sehr merkwürdige Art und Weise eifersüchtig, als ob Zoë noch irgendetwas an ihrer Exfreundin liegen würde. Als ob Zoë dafür könnte, dass Aline ihr immer wieder Nachrichten schrieb. Digitale Liebesbekundungen, die Aline verzweifelt auf die Reise schickte, wahrscheinlich ohne Recht zu wissen, was sie tun würde, antwortete Zoë positiv.

Der Schal lag auf dem Nachtisch, wie Ina es beschrieben hatte. Auf Inas Nachtisch. In Inas Zimmer. Das zugleich auch ihr Zimmer war, denn obwohl sie ihr angeboten hatte, eins der vielen leeren Zimmer in dem großen, leeren Haus inmitten des großen, weiten Nichts zu beziehen, war sie realistisch geblieben und hatte nur das Bett des Nebenzimmers als Kleiderablage verwendet.
„Wir werden doch sowieso immer in einem Bett schlafen“, hatte sie gesagt. Ina hatte gegrinst und ihr einen Kuss auf die Stirn gegeben.

Jetzt saß sie auf ihrem Bett und zog sich Socken an. Dicke, flauschige Wollsocken, mit denen sie auf den Treppenstufen unheimlich aufpassen musste, damit sie nicht ausrutschte und auf dem Hintern die Treppe runterrutschte. Dabei hatte sie das als Kind gerne getan. Aber es bestand wohl ein großer Unterschied zwischen dem Körper eines Kindes, der einem selbst immer unzerstörbar vorkommt, das eine Treppe runterrutscht und dem unabsichtlichen Fallen. Nicht nur das Steißbein, sondern auch der Kontrollverlust schmerzte.

Kontrollverlust. Das klang ein klein wenig nach dem Abend, an dem sie Aline kennengelernt hatte. Damals hatte sie auch die Kontrolle verloren, sie sogar freiwillig abgegeben …

Eine Geburststagsparty in einer Dachwohnung hoch oben über der Stadt. Vor der Tür hatten noch nicht viele Schuhe gestanden, als Zoë angekommen war. Sie war oft zu pünktlich, konnte sich aber auch nicht angewöhnen, absichtlich zu spät zu kommen, denn das ergab in ihren Augen auch sehr wenig Sinn. Irgendwer musste ja den Anfang machen, musste der oder die Erste sein, damit der Gastgeber nicht mehr alleine in der aufgeräumten Wohnung stand und dem Bier in der Badewanne zusehen musste, wie es langsam wieder warm wurde.

Neben ihr war das Geburtstagskind, ein Bekannter, den sie gerade dabei war, näher kennen zu lernen, dessen Freundin und ein paar seiner Mitbewohnerinnen anwesend. Während er Kaffee kochte, unterhielten sie sich über Politik und merkwürdige, exotisch wirkende Wahlsysteme, von denen sie noch nie etwas gehört hatte. Im Hintergrund lief Drum‘n‘Bass, was ein wenig surreal wirkte, wo sie ganz ruhig Milchkaffee tranken, die Tasse mit dem hell braunen, bitter-süßen Getränk neben der halb leeren Bierdose, die es zur Begrüßung gegeben hatte, abgestellt, auf weitere Gäste wartend, die langsam eintrudelten und das Zimmer füllten, bis das Gespräch immer weiter wuchs und so groß und unübersichtlich wurde, dass es schließlich zerfiel und sich in kleinere Einzelgespräche aufteilte. Ina diskutierte mit einer Freundin, die gerade gekommen war, über deren Kurzurlaub.
Sonnengebräunt und den Kopf voll mit erlebten Abenteuern auf Südseeinseln.
Zoë betrachtete ihren eigenen Arm.
Bleich. Auch sie brauchte mal wieder ein Abenteuer. Sie setzte die Bierdose an und bat eine ihr unbekannte Person, die gerade Nachschub holte, ihr doch noch eine mitzubringen. „Auf ein Abenteuer!“, prostete sie sich selbst zu, als sie die Dose mit einem lauten Zischen öffnete, um sie dann gegen die des unbekannten Getränkelieferanten zu stoßen.

„Alex.“, stellte dieser sich vor und hielt ihr seine linke Hand hin.

Ein wenig verwundert über die für sie eher ungewohnte Begrüßungsform sagte sie halblaut „Zoë“, lächelte verlegen und nahm erst mal einen großen Schluck Bier. Wieder fiel ihr Blick auf die Südseetouristin, die gerade von einer Bootsfahrt erzählte, bei der sie angeblich Delphine gesehen hatte. Sie setzte die Bierdose auf den kleinen Tisch, der vor dem Sofa stand, auf dem sie saß. Ihr Blick fiel auf die Tasse, noch zu einem Drittel gefüllt mit lauwarmen Kaffee.
Als sie nach dem Gefäß griff, ging das Licht aus.

4 Kommentare “Kaffee und Kuchen

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