„Ich habe unglaubliche Lust auf Kamillentee.“, sagt sie.
Zum Glück versteckt sich in meinem Schrank eine Tüte mit getrockneten Bio-Kamillenblüten, die einen wirklich wunderbaren Tee ergeben. Ich setze Wasser auf, putze meine Brille, während der schäbige Wasserkocher vor sich hin brodelt.
„Eigentlich wäre es schön“, meine ich, „wirklich Wasser aufzusetzen. In einer Teekanne, die auf den Herd kommt und lustig pfeift, wenn das Wasser fertig ist.“
Sie nickt, sagt nichts. Leider ist das energetisch wohl ziemlich ineffizient. Ich bin nicht der Meinung, dass alles immer möglichst effizient sein sollte, aber Energie sparen ist mir wichtig.
Die Katastrophe, in die wir uns und unseren Planeten stürzen, mag nicht so plötzlich kommen wie beispielsweise ein Atomkrieg, und wahrscheinlich ist genau das ihr Problem – sehenden Auges laufen wir in den Abgrund, weil er gar nicht so tief aussieht – aber verheerend wird sie trotzdem sein. Vielleicht hätte sie sogar das Potential, den eben genannten atomaren Konflikt auszulösen. Ich erzähle ihr das. Nein, ich halte eher eine Rede. Meine eigenen Worte regen mich auf, während dem Sprechen stellen sich mir die Nackenhaare auf, mein Rücken eine einzige Gänsehaut. Zu viel Pathos in meiner Stimme.
Sie hat Gänsehaut auf den Armen und schaut mich schockiert an. Vielleicht ist das einer dieser Momente, die das Leben verändern. Vielleicht ändert sich ihre Sicht auf alles im Leben, weil ich so gefangen von meinen eigenen Worten war, als ich meinen Monolog gehalten habe.
Der atomare Winter, die Gänsehaut: Ironie des Schicksals.
Nachdem sie am Tee genippt hat, öffnet sie den Mund, als ob sie was sagen wollte, schließt ihn wieder.
Dann, endlich: „Ich fühle mich manchmal unglaublich einsam.“
Ihre Stimme ist eiskalt.
Ich frage sie, ob sie darüber reden will.
„Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem es sich nicht mehr lohnt, darüber zu reden, weil es nichts mehr zu reden gibt.“
Ob es ihr helfe, wenn ich sie umarmte. Ich bin so. Ich stelle solche Fragen genau so dumm und gerade heraus, weil ich Angst habe, etwas Falsches zu tun. Magie des Augenblicks: esoterischer Humbug.
„Irgendwann bringt auch jede noch so freundschaftlich gemeinte Umarmung nichts mehr, weil sie nur den Schmerz aus einem heraus presst. Diese Momente kommen und gehen. Sie tun weh, aber sie sind nicht dauerhaft. Die Frage ist nur, wann diese Momente keine Löcher mehr sind, aus denen ich raus krabbeln kann, sondern ein Abgrund.“
Wieder ein Monolog, diesmal von ihr. Mich fröstelt es überall.
Die Probleme im Großen und im Kleinen ähneln sich.
Ich kann sie verstehen!
Ich auch.
[…den größten Teil des Lebens verbringt man einsam. Gewöhne dich daran!…]
Den Satz sagte meine Mutter vor langer Zeit in einem sehr bitteren und kalten Ton, wie ich ihn selten von ihr gehört hatte.
Und heute nach all den Jahren kann ich ihn nur bestätigen. :-(
Es ist tatsächlich so.
Sin mol rem eng kéier richteg spéit drun…mee den Text gefällt, mëcht intressant Biller am Kapp
schéinen text, dat wéi ee sech virkënnt, wann een iwwer sache schwätzt déi engem angscht man an sech dobäi erwëscht, wéi ee sälwer denkt ‘mann wat hues du krass gedanken, gleefs du wierklech datt et esou kéint lafen’ an sech di fro an deem moment mat engem einfachen ‘jo’ beäntfere muss. an d’analogie dozou, wann een a sech sälwer genau sou verluer as, och do ouni d’gefill aus eegener oder irgendenger kraft nach eppes kënnen ze änneren. bon, ech hoffe soss geet et der awer gudd!? ;) léiwe bonjour.
Merci Jeff! Freet mech, dat s du heiansdo nach laanscht kucks. Mir geet et gutt, hoffen bei dir ass och alles gutt?
Fir mech ass de Klimawandel an déi domadder verbonnen Katastrophe duerch Fukushima nach e bessi méi real ginn. Well dat war och esou eppes, vun dem mer all wossten, dat et passéiere kéint, dat et scho mol passéiert ass. An do war et net emol “sécher”, dat et géif passéieren. An dach liewe mer wéider, mat eisen Ängscht, eisem Allengsinn, asw.
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