Ich habe versucht, nicht an den Tag zu denken. Den Jahrestag. Aber ich spürte ihn. Etwas anderes wäre ja auch gar nicht zu erwarten gewesen. Ich war kraftlos und zu Tode betrübt. Ob das jetzt jedes Jahr so sein wird? hast du mich so sehr verletzt? Ich mich selbst?
Ich stehe solchen Fragen ratlos gegenüber. Hatte ich je Antworten? War das eine gute Zeit, vor einem Jahr? Sie wirkt besser. In der Erinnerung. Aus der Ferne sieht jeder Misthaufen pittoresk aus. Ich kann das nicht beurteilen. Ich schreibe die Dinge auf, die ich in dem Moment für wichtig halte und erinnere mich dann so daran, wie ich sie aufgeschrieben habe. Die Fiktion wird zur Realität und die Realität zur Fiktion. Romanfigur im eigenen Roman. Schreibe dir deine Geschichte, wie sie dir gefällt. Vielleicht geht das in dieser merkwürdigen Dinosaurierdimension?
Die ist gar nicht so schlecht. Ich kann bestimmen, dass Freitagabend ist. Und dann ist einfach Freitagabend, weil ich es bestimmt habe. Ich tue die Dinge, die mir gefallen, lache mit den Menschen, die ich mag und singe die Lieder, die in meinem Kopf klingen. Ich trage Jogginghose und beratende Stimme, manchmal sogar gleichzeitig. Ich bin sogar nicht einmal unproduktiv.
Klingt doch ganz gut.
Wären da nicht die kaltklaren Gedanken, die das Einschlafen schwer machen. Wäre da nicht die Angst vorm Alleinsein. Wäre da nicht die bleierne Trägheit am Morgen, wenn ich kaltgeschwitzt aus vergessenen Träumen aufwache.
Wäre da bloß …
Die Zeit ist vorbei. Im Halbschlaf kann ich wieder an meine Erinnerung von Ruths nackten Brüsten denken, ohne diesen unangenehmen Stich im Kopf zu spüren. Oder: ohne ihn gar so fest zu spüren.
Vielleicht war es auch gar nicht das Datum. Vielleicht nur der Winter, die Dunkelheit und zu wenig Schlaf.
Zumindest würde ich mich daran gerne erinnern.