Und plötzlich ist alles weg, was an Gedanken in deinem Kopf so klar war, wie ein Traum, an den du dich noch vor zwei Sekunden glasklar erinnern konntest, wegewischt, nur noch ein unklares Bild, eine Erinnerung an eine Erinnerung an eine Erinnerung. „Man“ beginnt keine Sätze mit „und“, aber mir fällt sonst kein Wort ein. Ist euch aufgefallen, dass der Autor in drei Sätzen drei mal die Erzählposition gewechselt hat? Wir nennen dieses literaterische Stilmittel „losgelassener Luftballon“.
In Luxemburg regnete es. Fortwährend. Es gab keinen einzigen Tag, an dem es nicht regnete. Ich mag Regen, vor allem so ständiger, alles aufweichender Regen, leiser Trommelschläge an dem Dachfenster meines Jugendzimmers. Ich mag die Vorstellung, dass es in E. ständig regnet, dass Sonnentage dort überhaupt nicht vorkommen und blauer Himmel eine Photoshopfantasie der nicht gerade sehr großen örtlichen Postkartenindustrie ist. Ein grauer, trister Ort. Aber die Menschen dort geben sich leider nicht geschlagen, decken ihre neuen Häuser nicht mehr mit Schiefer sondern mit roten Ziegeln, bauen eine Fußgänger_innenzone mit rosa Steinen und bestrahlen die nicht sehr sehenswerte Kirche mit orange Licht, so dass die Lichtverschmutzung ständig auf Großstadtniveau bleibt.
Als ich Luxemburg-Stadt das letzte Mal verließ, war es noch keine Großstadt. Das ist wohl etwas, was ich meinen Enkeln, sollte ich je welche haben, was ich mir dann erst einmal erklären muss, erzählen kann. Ich habe erlebt, wie aus Luxemburg-Stadt eine Großstadt wurde. Es hat sich natürlich überhaupt nichts geändert. Ein Weinachtmarkt mit Riesenrad ist dazugekommen, an einer unmöglichen Stelle. Im Nachhinein wundere ich mich, dass es nicht zu einem patriotischen Aufschrei kam, dass jetzt ein Riesenrad mit Weihnachtsmarkt neben der goldenen Frau steht. Mir war das egal. Es regnete. Das ist banal und dennoch sehr wichtig.
Ich treffe mich mit Menschen zum Kaffee. Draußen regnet es. Es wird nur zu früh dunkel, sonst wäre das Wetter genauso wie es im Sommer war, dann hätte sich alles so angefühlt, als wäre ich nie weg gewesen. Objektiv hat sich einiges geändert. Häuser wurden fertig gebaut, Banken umbenannt, die Zahl der Einwohner_innen hat Hunderttausend überschritten. Subjektiv fühlte sich alles an wie immer. Ferien in Disneyland.
Gerne würde ich jetzt behaupten, ich hätte ständig „Die Befindlichkeit des Landes“ im Kopf gehabt, aber es fällt mir erst ein, dass es ein guter Soundtrack gewesen wäre für diesen kurzen Besuch in einem merkwürdigen Land. Immerhin kam dort der Einfall, dass die CEDIES, der staatliche Dienst, der für die Betreuung der luxemburgischen Studierenden zuständig ist, eigentlich kurze Factsheets zum Großherzogtum an alle im Ausland studierenden Luxemburger_innen austeilen müsste, damit sie auf Partys auch mal über etwas anderes als die jüngst entstandene Großstadt reden könnten. Über den Regen zum Beispiel.
Schreibe einen Kommentar