
In meiner Serie über die umweltrelevanten Teile der Wahlprogramme für die vorgezogenen Neuwahlen in Luxemburg am 20. Oktober 2013 behandele ich diesmal die Ideen der sozialdemokratischen LSAP, die 2009 mit 13 Mandaten den zweiten Platz erringen konnte und somit zur Juniorpartnerin der CSV wurde. Das Wahlprogramm ist ziemlich unübersichtlich gestaltet und hat keine größeren Gliederungen, was die Beurteilung schwerer macht.
Ich werde deswegen die Gliederung vom CSV-Post übernehmen und dort erweitern, wo es sinnvoll ist. Ich folge nicht der Gliederung des Wahlprogramms, denn die einzelnen Themenfelder werden in sehr unterschiedlichen Abschnitten behandelt.
Planung
Die LSAP will die Bürokratie in Luxemburg abbauen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöen(sic!). Dazu gehört offenbar auch, dafür zu sorgen
dass die nötigen Instrumente bereitgestellt werden, damit Gemeinden ihre Flächennutzungspläne zügig erneuern und so ausrichten können, dass sie Umwelt– und Wohnungsbauauflagen erfüllen und die Ansiedlung von Unternehmen ermöglichen können. (Hervorhebung von mir)
Die Gemeinden sollen im Zeichen der Wettbewerbsfähigkeit ihre Umweltauflagen erfüllen. Das scheint mir kein sehr gutes Vorzeichen zu sein, allerdings wird nicht spezifiziert, was für Instrumente die LSAP bereit stellen will. Auf jeden Fall gibt es hier eine Hierarchisierung: „Standort“ kommt vor Umweltaspekte.
Auch die LSAP will die Nordstad endlich realisieren. Ich bin ein wenig erstaunt: sowohl CSV als auch LSAP wollen etwas und finden, es sollte dringend umgesetzt werden; was hinderte die bisherige Regierung denn daran? [Exkurs Nordstad: Ich denke, dass eine gute Strategie für das Ballungsgebiet rund um Ettelbrück/Diekirch durchaus positiv sein könnte, vor allem wenn hier so geplant würde, dass möglichst wenig Wege entstünden. Allerdings steht zwischen Ettelbrück und Diekirch bereits seit längerem ein Einkaufszentrum neben dem anderen auf der grünen Wiese – diese Suburbanisierungbewegungen wird auch ein neuer Name so schnell nicht ändern. Exkurs Ende.]
Dann gibt es so hübsche Sätze wie folgenden im LSAP-Wahlprogramm:
Zu den wesentlichen Herausforderungen einer zeitgemäßen Landesplanung gehört eine bessere Verzahnung und Koordinierung von zentralen Politikbereichen und öffentlichen Dienstleistungen. Dazu zählen u.a. Mobilität, Wohnungsbau, kommunale Flächennutzung, Rettungsdienst, Gesundheitsversorgung, Bildung und Kinderbetreuung sowie die wirtschaftliche Entwicklung.
Das ist doch eine schöne Erkenntnis. Sie kommt reichlich spät für eine Partei, die schon sehr oft in der Regierung war, aber immerhin kommt sie. Die CSV scheint ja noch nicht so weit zu sein. Die LSAP erwähnt auch die sektoriellen Leitpläne, die dienen aber offenbar nur dazu, die Wirtschaft in Luxemburg anzukurbeln.
Energie
Die LSAP will eine nachhaltige Energiepolitik. Ich bin ja dafür, dass alle Parteien erklären, was sie meinen, wenn sie „nachhaltig“ schreiben. Ökologisch, wirtschaftlich, sozial? Alle drei? Oder soll die Politik selbst einfach nur längerfristig bestehen? Auf jeden Fall dient die Umwelt hier wieder der Wirtschaft:
Wirtschaftliche Entwicklung geht aus Sicht der LSAP Hand in Hand mit einer nachhaltigen Energiepolitik, deshalb zählen die Ökotechnologien zu den Prioritäten in Sachen Diversifizierung des Luxemburger Wirtschaftsstandorts. Das gilt sowohl, was die Schaffung von so genannten „green jobs“, als auch die Förderung erneuerbarer Energien angeht.
Was genau „Ökotechnologien“ sind, verrät die LSAP nicht. Es gibt auch keine fixe Definition dafür, der Begriff wird (soweit ich das überblicken kann) eher von den Medien in diversen Kontexten verwendet. Bei der CSV waren erneuerbare Energien noch Teil der „green jobs“, die LSAP scheint das nicht so zu sehen. Und Biotechnologien sind „white jobs“.
Bis 2020 will die LSAP einen Anteil von elf Prozent an erneuerbaren Energien in Luxemburg erreichen und verkündet dieses Ziel nach zwei Abschnitten Geschwafel über den „notwendigen energiepolitischen Paradigmenwechsel“. Die EU hat bereits 2008 das Ziel auf 20% gesteckt. Immerhin will die LSAP prüfen lassen, ob der Staat sich stärker an Photovoltaikanlagen beteiligen soll und sie will kommunale Projekte in die Richtung fördern. Energieeffizienz soll laut der LSAP in drei Phasen ablaufen: zuerst wird „Ökomobilität“ (Nomenwahlkampf!) und Altbausanierung gefördert, dann eine Verpflichtung zum Energiesparen eingeführt und in der dritten Phase sollen sich dann auch alle an diese Verpflichtung halten. Mit „Altbausanierung“ meint sie wohl eine energetische Sanierung. Vielleicht wird aber auch nur neuer Stuck aufgetragen (mit Ökotechnologien!). Ein neuer Plan ist das nicht und besonders innovativ ist er, bis auf die Wortschöpfung „Ökomobilität“, auch nicht.
Die LSAP ist nicht so radikal wie die CSV und will nur die Atomkraftwerke um Luxemburg herum sofort (Cattenom) bis zeitnah schließen. Ich bin mir sicher, dass sie sich wie ihre Regierungspartnerin bisher auch sehr stark dafür eingesetzt hat und das nicht nur ein Satz ist, der im Wahlprogramm steht (Das war Ironie).
Verkehr
Die LSAP will effiziente Autos, denn die LSAP kennt den Reboundeffekt nicht.
Auch im Bereich der Mobilität wird die LSAP verstärkt auf Energieeffizienz und Energiesparmodelle setzen. Private und öffentliche Elektromobilität sind ein wichtiger Schlüssel, um das hiesige Transportsystem nachhaltiger und umweltfreundicher(sic!) zu gestalten. Die LSAP wird sich in diesem Zusammenhang dafür einsetzen, dass Luxemburg eine Vorreiterrolle bei der Suche nach innovativen Zukunftslösungen im Bereich der Ökomobilität einnimmt.
Die „sozialistische Arbeiterpartei“ ist eine Partei des Individualverkehrs. Ich verkneife mir mit großer Anstrengung eine Anspielung auf das Gefährt des Spitzenkandidaten. Die LSAP will also innovative Zukunftslösungen, ist aber überzeugt davon, dass alle mit privaten Gefährten herumfahren sollen. Mobilität ist für die LSAP per se „Fortbewegung“, und das vor allem auf der Straße (Mobilität kann auch ganz andere Dinge heißen, z.B. zu Hause arbeiten können oder die Kinder nicht von der Schule abholen müssen, weil die nebenan ist). Sie erwähnt zwar einige Infrastrukturmaßnahmen im Bereich der Schiene – diese dienen aber nur dazu, die bereits kritisierte, unambitionierte Mobilitätsstrategie „MoDu“ umzusetzen. Sanfte Mobilität ist in den Augen der LSAP explizit nicht Fahrradfahren oder Gehen, sondern mit dem Elektroauto herumfahren oder Carsharing benutzen. Mittelfristig gibt es positive Aussichten: einen Verkehrsbund für die Großregion will die LSAP schaffen. Das wäre sicherlich ein erster Schritt.
Wohnen
Die LSAP will Baulücken verbauen, was im Sinne einer dichten Bebauung sicherlich positiv ist – auf Baulücken könnte aber auch z.B. Stadtgemüse angepflanzt werden. Um die Wohnungspreise zu senken, will die LSAP den Bauperimeter vergrößern – es sollen also mehr freistehende Häuser im Grünen gebaut werden, denn den luxemburgischen Traum will die „sozialistische“ Partei niemanden nehmen. (Mehr Flächenversieglung! Mehr Verkehr! Hurra!) Energetische Sanierung kommt im Wohnkapitel der LSAP ebenfalls vor – das war es dann aber auch schon mit umweltrelevanten Aspekten. Das mit der „besseren Verzahnung und Koordinierung“ bei der Planung muss die LSAP nochmal üben. Ökologische Kriterien für sozialen Wohnungsbau? Werden zumindest nicht erwähnt.
Umweltschutz
Die LSAP hat eine neue Form des Umweltschutzes erfunden: Steuervergünstigungen und staatliche Behilfen. Wenn die nämlich „zweckgebunden und zielgerichtet“ eingesetzt werden, sind sie
Teil einer globalen Zukunftsstrategie, die auf nachhaltiges Wachstum setzt, Innovation und Beschäftigung fördert und schonend mit Umwelt und Naturressourcen umgeht.
Das lehrt uns zwei Dinge:
1. Offenbar vergibt der luxemburgische Staat (unter CSV-LSAP-Regierung!) bisher Steuervergünstigungen und staatliche Beihilfen, die weder zweckgebunden noch zielgerichtet sind.
2. zumindest ein Teil dieser Beihilfen wird als „Umwelt und Naturressourcen“ vergeben.
Zumindest lese ich diesen Abschnitt so, vielleicht wollte die LSAP aber auch einfach einmal „schonend mit Umwelt und Naturressourcen umgehen“ schreiben, auch wenn der Kontext nicht so ganz passt.
Sonst will die LSAP: Jobs schaffen (woher kommt mir das nur bekannt vor?), dafür Sorgen, dass Umweltnormen eingehalten werden, die „biologische Vielfalt“ durch Bienenschutz, die Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln und den Verbot von genmanipulierten Pflanzen erhören. Ist es zynisch, wenn ich behaupte, dass das Verbot von genmanipulierten Pflanzen ein Verbot einer möglichen Vielfalt ist? Zumindest steht ein generelles Verbot im Kontrast zu den geforderten Biotechnologien, denn es gibt z.B. Methoden, um Wirkstoffe für Arzneimittel aus GMO-Pflanzen zu gewinnen. Die müssen ja nicht im Freiland angebaut werden. Das Waldgesetz will die LSAP auch erneuern, sowie darauf achten, dass Gesetze eingehalten werden. Mir schwammt schlimmes: die LSAP weiß gar nicht, dass die Wahlen eigentlich für die Legislative sind. Wollen die Kandidat_innen eigentlich nur bei der Polizei arbeiten?
Bioland- und Weinbau will die LSAP neben der konventionellen Landwirtschaft fördern, und es
wird darum gehen Umwelt- und Klimaschutz mit den Vorgaben einer leistungsfähigen Landwirtschaft in Einklang zu bringen
was dann doch ein bisschen wie eine Kampfansage an den Umwelt- und Klimaschutz klingt. Vielleicht irre mich hier aber auch und das ist nur wieder so ein „Recht und Ordnung“-Satz, wie die LSAP sie so zu lieben scheint.
Sonst stehen einige sinnvolle Stichworte im Programm: ein Bienenzuchtprogramm (das gefällt mir wirklich sehr gut!), artgerechte (was auch immer das sein mag) Tierhaltung, Umweltbildung in die Lehrpläne, Gewässerschutz, ökologische Abfallwirtschaft. Wasser will die LSAP nicht privatisiert wissen, aber z.B. von Verbesserung der Gewässerqualität lese ich nichts.
Klima
Die LSAP bekannt sich zu den 2020-Zielen der EU. Also, da wo es ihr passt halt. Bei den Treibhausgasemissionen. Das mit den erneuerbaren Energien findet sie, wie oben erwähnt, nicht so wichtig. Die LSAP will aktiven Klimaschutz betreiben, uns aber nicht verraten, wie sie das tun will. Sie will „bis 2050 95 Prozent der CO2-Emissionen“ einsparen. Warum nur CO2? Natürlich ist Kohlenstoffdioxid das wichtigste Treibhausgas anthropogenen Ursprungs, aber es ist längst nicht das einzige. Es gibt auch ein Kapitel „internationale Verpflichtungen“, in denen es um die NATO geht. Klimaschutz scheint für die LSAP mehr ein Wirtschaftsmotor als eine internationale Verpflichtung zu sein. Die Partei des amtierenden Außenministers sieht Luxemburg offenbar nicht in einer Vorreiterrolle in Sachen Klimaschutz. Die soll Europa spielen, aber auch nur, weil es sich dadurch „Wettbewerbsvorteile sichern kann“.
Fazit: Die LSAP hat einige gute Ideen, das will ich gar nicht bestreiten. Leider gehen sie in dem allgemeinen „Arbeitsplätze! Wirtschaftswachstum! Standort!“-Geschrei, das sich durch das gesamte Programm der LSAP zieht, ziemlich unter. Einige Dinge widersprechen sich, andere sind so unklar formuliert, dass ich Zweifel daran habe, ob die LSAP tatsächlich weiß, wovon sie spricht. Vor allem scheint Umweltpolitik etwas zu sein, was für die LSAP mit Wirtschaftsfaktoren steht und fällt, was ihr angebliches Commitment zu einem „aktiven Klimaschutz“ eher in spekulative Sphären driften lässt. In Sachen Mobilität wirkt die LSAP ein klein wenig ambitionierter als die CSV – meine Vermutung ist, dass sie die bisherigen Regierungspläne einfach etwas genauer beschrieben hat.
Was fehlt: Nutzung nachwachsender Rohstoffe, Biokraftstoffe, Umweltmanagement, Feinstaub.
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