(Dieser Artikel ist aus Sicht eines weißen cis-männlichen Luxemburgers mit Hetero-Privilegien geschrieben. Beachtet auf jeden Fall auch die Linktipps.) In Luxemburg wird in den nächsten Tagen eine neue Regierung vereidigt werden. An ihrer Spitze werden aller Voraussicht nach zwei schwule Minister stehen, den liberalen Xavier Bettel als Premierminister und den Sozialdemokraten Etienne Schneider als sein Vize. Schon im Vorfeld wurde bekannt, dass das Te Deum als offizieller Festakt anlässlich des Nationalfeiertages künftig durch eine nichtreligiöse Feier ersetzt werden wird.
Den frischgebackenen Abgeordneten der rechts-außen ADR Roy Reding fand das Anlaß genug, einen homophoben Witz auf Facebook zu posten, der offensichtlich darauf abzielte, Bettel und Schneider als „homosexuell, und deswegen Kirchengegner“ zu brandmarken. Nach einiger Medienaufregung fand er selbst seinen „Witz“ überhaupt nicht homophob und völlig harmlos. Andy Maar, Piratenspitzenkandidat und Generalsekretär der LGBT-Vereinigung Rosa Lëtzebuerg hat das ganze ebenfalls auf seinem Blog kommentiert.
ADR-Vertreter_innen empfinden die Aufregung gegenüber Redings Kommentaren als Eingriff in ihre Meinungsfreiheit:
@eppetondo @JollySea @marcthill Richteg. Well d'Meenungsfräiheet wëllen aschränken, dat entsprécht vill méi dem 21. Joerhonnert…
— Liliana Miranda (@LilsMims) November 28, 2013
(Richtig, denn die Meinungsfreiheit einzuschränken wollen, das entspricht viel mehr dem 21. Jahrhundert [als Antwort auf die Aussage, die Aussagen von ADR-Abgeordneten entsprächen nicht dem 21. Jahrhundert.])
Marc Thill, Chef vom Dienst der größten luxemburgischen Tageszeitung Luxemburger Wort, beurteilte dass das Posting Redings als „verbale Entgleisung“. Offensichtlich schlimmer als sein eigener [TW: Homophobie] homophober Leitartikel vom 24.06.2013, in denen er biologistische Argumente gegen ein gemeinsames Adoptionsrecht von homosexuellen Paaren benutzt. Er spricht von „fiktive Lebensgeschichte, die biologisch eigentlich nie so hätte zustande kommen können“. Ich habe auch eine fiktive Lebensgeschichte, die biologisch eigentlich nie so hätte zustande kommen können, ich trage nämlich eine Brille. Marc Thill übrigens auch. Dieses überspitzte Beispiel zeigt hoffentlich, wie dämlich und homophob das Argument ist.
Er kommt in der Twitterdiskussion mit ADR-Generalsekretärin Liliana Miranda darauf, dass sich seine Argumente sich nicht von denen des ADR-Abgeordneten Fernand Kartheisers unterscheiden, der sich auf seinem Blog ständig gegen LGBTQIA*-Personen, Feminist_innen, Atheist_innen und alles andere, was nicht stramm nationalistisch, katholisch und „europäisch“ genug ist, wettert:
@LilsMims @eppetondo @JollySea mee aaner denken och esou, nët nëmmen den F.K.
— Marc Thill (@marcthill) November 28, 2013
(Dann haben wir wirklich die gleichen Argumenter und er hat nicht abgeschrieben. (aber ich auch nicht von ihm ;))
Aber andere denken auch so, nicht nur Fernand Kartheiser))
Es ist also längst nicht alles progressiv in Luxemburg, obwohl es eine regierungsfähige Mehrheit gibt, die Bettel und Schneider an die Spitze der Regierung setzt. Je nach Wahlbezirk hatten fünf bis acht Prozent der wahlberechtigten Luxemburger_innen kein Problem damit, eine Partei zu wählen, die – um es sehr milde ausdrücken – immer wieder durch homophobe Äußerungen auffällt, sich wie viele neue rechte Parteien aber nach außen möglichst harmlos und „weltoffen“ geben will. Das „Luxemburger Wort“ hat eine Auflage von rund 67.000 Exemplaren, gehört mehrheitlich dem Bistum Luxemburg und ist eng mit der CSV, der stärksten Partei, verbandelt. Wir dürfen also leider davon ausgehen, dass diese homophobe Grundhaltung, die sich hier exemplarisch manifestieren, von vielen Luxemburger_innen geteilt wird. Homophobie ist kein reines Problem der „extremen Rechten“ oder „Fundi-Christ_innnen“ ist, sondern immer noch tief in der luxemburgischen Gesellschaft verankert.
Es bleibt zu hoffen, dass die neue Regierung – egal, welche sexuelle Orientierung sie hat, Rechte von LGBTQIA*-Menschen schützt und zügig umsetzt.
Linktipps
Ich bin bei weitem nicht die erste Person, die über Homophobie schreibt, und wahrscheinlich auch nicht die geeignetste. Ans Herz legen möchte ich euch zusätzlich zu den beiden im Artikel erwähnten luxemburgischen Seiten (Rosa Lëtzebuerg, Andy Maar) folgende Blogs und Medien, die sich mit den Themen Queer, LGBTQIA* und Feminismus im weitesten Sinne beschäftigen:
- die Mädchenmannschaft (Artikelsuche zum Thema Homophobie)
- femgeeks (Artikelsuche zum Thema Homophobie)
- QueerNews.at, eine österreichische Nachrichtenseite zum Thema Queer
- das Portal Intersektionalität, denn Diskriminierungen und Privilegien können nicht unabhängig voneinander betrachtet werden.
- die an.schläge, ein feministisches Magazin aus Wien. (Artikelsuche zum Thema Homophobie)
- raumbaumeln (Artikel, die mit „Queer“ getaggt sind)
- tea-riffic, das Blog von Heng.
- kleiner drei (eher einsteiger_innenfreundlich, kein reines queer/feminismus-Blog) (Artikelsuche zum Thema Homophobie)
- weitere Linktipps könnt ihr in den Kommentaren posten, ich nehme sie gerne auf!
Ein Linktipp wäre auch noch die Resultate der grössten europäischen LGBT Umfrage/Studie, bei der übrigens 33% (!) der LGBTs in Luxemburg angaben in den letzten 12 Monaten Opfer von Diskrimination und/oder Belästigung geworden zu sein. (In Österreich übrigens sogar 48%.)
Die Studie zum Nachlesen: http://fra.europa.eu/sites/default/files/eu-lgbt-survey-results-at-a-glance_en.pdf
Auch interessant ist The Advocate (http://www.advocate.com/), lesen meine englisch-sprachigen LGBT Freunde jedenfalls gerne.