Blogging like nobody’s reading

Die Luxemburger Blogosphäre ist ein eher filigranes Netz …
Dieser Text ist zuerst in der Zeitschrift forum erschienen und richtet sich deswegen auch an Leser_innen, die nicht so vertraut mit Blogs sind. Für alle, die den Artikel schon auf Papier gelesen haben, gibt es einen Nachtrag.

Moderne Kunst in Luxemburg – ein Symbolbild für Blogs?Photo by we-make-money-not-art

Ein Weblog – oder kurz Blog – ist ein elektronisches Medium, das Artikel in umgekehrt chronologischer Reihenfolge anzeigt und meistens über Kommentar- und Abofunktionen verfügt. Das gilt mittlerweile wohl auch für die meisten Nachrichtenseiten, die aus „historischen“ und organisatorischen Gründen jedoch nicht zu Blogs gezählt werden. Die meisten Blogs zeichnen sich durch eine stark persönliche Note aus – Ausrichtung, Stil und Themen bestimmen in den meisten Fällen die Autor_innen selbst, die meisten Blogs sind Freizeitprojekte, die unentgeltlich oder nur durch geringe Werbe- oder Spendeeinnahmen gedeckt betrieben werden.

Als luxemburgische Blogs werde ich in diesem Text alle Blogs mit einem Bezug (Nationalität oder Wohnsitz der Blogger_innen) zu Luxemburg bezeichnen, unabhängig von der Sprache, in der sie verfasst sind. Ähnlich wie die Bevölkerung selbst ist die luxemburgische Blogosphäre vielsprachig, wobei Deutsch, Englisch und Französisch dominieren. Erfreulicherweise finden sich auch einige Blogs, die auf Luxemburgisch verfasst sind.

424 Blogs zählt d’blogbuerg, ein Verzeichnis aller luxemburgischen Blogs, das allerdings auch einige Nachrichtenseiten dazuzählt. Von diesen sind nur rund 100 aktiv, d. h. sie haben in den letzten neun Monaten mindestens einen Beitrag gepostet. Natürlich kann kein Verzeichnis wie die blogbuerg je komplett sein, immerhin handelt es sich um ein Hobbyprojekt, das auf den Einträgen von Blogautor_innen und Leser_innen aufbaut. Aber selbst eine optimistische Schätzung kann nur von einer niedrigen dreistelligen Zahl an luxemburgischen Blogs ausgehen. 2011 betrieben, rein rechnerisch, rund 7,7 % aller Internetnutzer_innen weltweit ein Blog. Luxemburg hinkt im internationalen Vergleich um Größenordnungen hinterher, auch wenn es kaum möglich ist, alle luxemburgischen Blogs zu erfassen. So könnte man beispielsweise trefflich darüber streiten, ob alle tumblr-Seiten als Blogs „gelten“ und wie viele luxemburgische tumblr-Blogs existieren.

Erste Entwicklungen
Während die ersten luxemburgischen Blogs bereits Anfang der 00er Jahre starten, entstand die erste große Welle an Blogs um 2005. Es handelte sich hauptsächlich um Blogs von Schüler_innen und Studierenden mit einem persönlichen oder popkulturellen Fokus. Einige dieser Blogs bestehen immer noch, sind mittlerweile gut untereinander vernetzt und haben ihr Themengebiet abgesteckt. Schüler_innen wurden zu Studierenden und teilten ihre
Auslands- und Studienerfahrungen, manche gründeten sogar Zweitblogs, um über ihre Studien zu bloggen, oft auch auf Englisch, um eine größere Zielgruppe erreichen zu können.

In den letzten Jahren ist die Frequenz, mit der Artikel veröffentlicht werden, merklich zurückgegangen und weniger neue Blogs sind entstanden. Ein eigenes Blog zu unterhalten braucht trotz Plattformen wie wordpress.com oder blogger immer noch mehr technisches Know-how als ein Profil bei Facebook. Leser_innen müssen erst für ein Blog gewonnen werden – und es scheint, als seien Blogs zumindest in Luxemburg eine eher unbekannte Möglichkeit, um eigene Inhalte zu veröffentlichen.

Diese Mentalitätsunterschiede werden deutlich, wenn man sich die große Zahl an englischsprachigen „Expat“-Blogs über Luxemburg ansieht. Kommentare auf Blogs haben in den letzten Jahren nicht nur stark abgenommen, sondern sind beinahe versiegt. Sie wurden durch die Kommentar- und Likefunktionen sozialer Netzwerke, auf denen Artikel verbreitet werden, ersetzt.

Medien
Wer sich auf den Webseiten internationaler Medien umsieht, wird schnell entdecken, dass so gut wie jede Redaktion ihr redaktionelles Angebot durch verschiedene Blogs erweitert hat. Meist schreiben engagierte Journalist_innen über ihre Arbeit oder zu Nischenthemen, kommentieren Politik oder publizieren ungewöhnlichere Artikel, die in den klassischen
Medien in dieser Form nicht unterkommen würden. In Luxemburg versuchten sich die großen Medienhäuser erst relativ spät, nämlich 2007, an der neuen Form. Sowohl die Experimente von rtl.lu und tageblatt.lu bestanden darin, bereits vorhandene Kommentare unter dem Label
„Blog“ neu zu verkaufen und mit einer Kommentarfunktion zu versehen. Diese Versuche waren von kurzer Dauer und wurden bald wieder eingestellt.

Heute gibt es immer noch keine Redaktionsblogs von luxemburgischen Zeitungen, einzig auf rtl.lu bloggen vereinzelt Mitarbeiter_innen, meist um über Reisen oder das Wetter zu berichten. Die englischsprachigen Seiten von wort.lu berichtet in einer speziellen Rubrik über luxemburgische Blogs: Zielgruppengerecht werden meistens englischsprachige Expat-
Blogs vorgestellt. Die Zusammenarbeit zwischen Medien und Blogger_innen beschränkte sich bisher auf einige wenige Projekte, die wohl mehr von persönlichen Bekanntschaften als dem Wunsch, neue Talente zu fördern, ausgingen. Das Lëtzebuerger Land nennt ihre Rubrik mit Kurznachrichten (wohlgemerkt in der Printversion!) „Blog“.

Politik
Die luxemburgische Politik setzte spätestens mit den Wahlen 2009 verstärkt auf das Internet als Wahlkampfmedium. Dazu gehörten auch Blogs, die meistens auf Initiative der einzelnen Politiker_innen unterhalten wurden. Das popkulturelle Blog pianocktail untersuchte während dem Wahlkampf 2009 sämtliche Blogs von Kandierenden und vergab gemischte Noten. Abzüge in der pianocktail-Wertung vor allem wegen mangelnder Interaktivität, denn Antworten auf Kommentare waren selten. Besonders jüngere Politiker_innen nutzten Blogs, um potentielle Wähler_innen anzusprechen. Anfang 2013 berichteten mehrere Blogger_innen ausgehend von der 30-jährigen Regierungsbeteiligung Jean-Claude Junckers unter dem Stichwort „Generation Juncker“ über ihre Erfahrungen, Gedanken und Erlebnisse mit dem langjährigen Premierminister.

Die SREL-Affäre beschäftigte die Blogosphäre ebenso wie die Aussicht auf Neuwahlen. Einige neue Blogs entstanden aus dem Bedürfnis heraus, sich zur Regierungskrise äußern zu können. Politiker_innen bloggten im folgenden Wahlkampf auch wieder, wobei Blogs eher einen Nebenschauplatz einzunehmen schienen: Facebook dominierte den Onlinewahlkampf. Mit François Bausch hat Luxemburg nun auch einen bloggenden Minister. Mehrere Abgeordnete, Gemeinderäte und andere politische Aktivist_innen betreiben ebenfalls Blogs. Politische Diskussionen scheinen trotzdem eher auf Facebook und Twitter stattzufinden. Die Beobachtung, dass Luxemburg traditionell eher schwer mit Medienvielfalt zurecht kommt, mag als Erklärung für die kleine Zahl an Blogs herhalten, sie sollte aber niemanden davon abhalten, selbst ein Blog anzulegen. Wer E-Mails lesen und schreiben kann, wird auch mit wordpress oder ähnlichen Angeboten zurechtkommen. Es fehlen immer noch Stimmen von Migrant_innen, von LGBTQIA*-Personen und auch von älteren Menschen, die eine Bereicherung für die luxemburgische Blogosphäre und Medienlandschaft insgesamt wären.

Nachtrag: Natürlich war dieser Artikel schon im Druck, als ich diese Vernetzungsgruppe luxemburgischer Blogs auf Facebook fand. Auf den ersten Blick sind dort vor allem Modeblogs zu finden – sie zeigt auf jeden Fall, dass die luxemburgische Blogosphäre (eigentlich wollte ich dieses Wort nicht mehr benutzen, oder?) vielleicht dann doch nicht ganz so klein ist wie gedacht.

Weil auf Papier dann doch immer zu wenig Platz ist, dachte ich mir, ich würde eine Liste meiner luxemburgischen Lieblingsblogs anlegen. Für weitere Empfehlungen ist in den Kommentaren natürlich Platz! Achtung, vielleicht wird die Sprache jetzt ein bisschen repetitiv, dieses Loben kann ich nicht so gut.

Lesenswerte luxemburgische Blogs:

Ein Kommentar zu “Blogging like nobody’s reading

  1. Pingback: Blogging like nobody’s reading | enjoying the postapocalypse | Bjuer's Blog

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