„Pass auf, er hat heute wohl nicht viel anderes gemacht als hier rumhängen, also wird er etwas über uns schreiben!“, sagt wer über mich und ich überlege kurz, ob das wohl stimmt. Oder ob ich aus Trotz etwas ganz anderes schreiben sollte, vielleicht darüber, wie genial ich „Steven Universe“ finde oder wie gut die Musik von Kamasi Washington. Stattdessen nippe ich an meinem Cola-Bier und sage nichts oder etwas beschwichtigendes, denn ich kann meine großen Gedanken kaum noch aussprechen, die Worte sind immer unbeholfen, wenn sie erst einmal aus meinem Mund herauskommen.
Doch das macht nichts, denn ich sitze schon wieder im Zug nach Hause, wo mich ein Spaziergang mit dem Hund erwartet. Natürlich fängt es an zu regnen, sobald wir das Haus verlassen haben und am Ende war es so ein kleines Sommergewitter und ich bin plitschnass und denke nicht mehr daran, dass ich keine großen Dinge sagen kann, wann immer ich Lust dazu habe, denn wenn ich klatschnass, durchtränkt vom nach Petrichor riechendem Regen nach Hause hetze und versuche dem Hund zu erklären, warum wir jetzt doch wieder schnell gehen wollen, nachdem ich ihm die andere Hälfte des Spazierganges versucht habe zu erklären, dass wir nicht so schnell gehen wollen, habe ich auch gar kein so großes Bedürfnis nach großen Worten mehr.
Der Text riskiert, lustig zu werden. Ich mag keine lustigen Texte, vor allem nicht, wenn ich sie schreibe. Das ist so dankbar. Irgendwann stehe ich dann vor den Leuten und lese etwas vor und die Leute lachen an den richtigen Stellen. Das ist viel zu einfach und nicht kompliziert genug, da könnte ich gleich behaupten, ich würde Stand-Up machen (Haha, ich und Stand-Up!). Ich will nichts machen, wo die Menschen dann genau wissen, wo sie lachen sollen. Nicht, weil ich das für grundlegend schlecht oder falsch hielte, sondern weil es nicht das ist, was ich machen möchte.
Vielleicht hatte ich doch ein paar wenige große Worte, als ich triumphierend nach den zehn großen luxemburgischen Romanen fragte, die nicht existieren. Vielleicht liegt das auch daran, dass niemand Lust hat, zehn Romane auf Luxemburgisch zu verfassen, es gibt ja kaum Publikum für schlechte Sitcoms. Und es ist ja auch nicht gerade so, als ob Prosa statt Kochbücher und Bildbände die Bestsellerlisten anführen würde. Aber Publikumsbeschimpfung hat auch noch nie etwas gebracht.
Ich ertappe mich irgendwann bei dem Gedanken, dass ich mich schlecht fühle, weil ich mich nicht unglaublich schlecht fühle oder keine komische Sinnkrise habe, wie ich sie in letzter Zeit so oft hatte, als ich in Luxemburg war. Vielleicht schreibe ich gerade eine herbei, weil die Texte, die ich jeden Abend in das kleine und viel zu langsame Netbook tippe (es kommt kaum nach mit den Wörtern nach, wenn ich schnell genug schreibe), kaum wer liest und es noch weniger Feedback gibt, abgesehen von ein paar Likes auf Facebook, und wer weiß, ob die nicht aus Mitleid kommen.
Ich mache eine Liste mit Dingen, die ich noch tun will, aber noch nicht angefangen habe:
Ich möchte meinen Film, der seit einem Jahr in der Kamera steckt, vollkriegen, die Fotos entwickeln und einscannen lassen und weitere analoge Abenteuer erleben. Ich möchte ein Hörspiel schreiben, aufnehmen und produzieren und es dann irgendwo einreichen, damit Leute es sich anhören können. Ich möchte eine längeren Text (DEN GROSSEN LUXEMBURGISCHEN ROMAN!) schreiben und vielleicht irgendwie veröffentlichen lassen. Ich möchte x, ich möchte y, ich möchte mit einem Raumschiff durch die Milchstraße fliegen und weirde Abenteuer erleben. Eigentlich möchte ich auch nur den ganzen Sommer auf meinem Bett liegen, Wasser aus Glasflaschen trinken, mich von dem Ventilator ansurren lassen und dünne Bücher lesen.
Und die Glasflasche hat an der Stelle einen Riss, an der die Angabe, wie viel Magnesium in dem Mineralwasser ist, eingestanzt ist. Das ist der Riss, der durch dieses Blog geht, der die Fiktion und den künstlerischen Anspruch von dem akribischen Gefühleaufschreiben und Befindlichkeitsbloggen, der Wachsein vom erfundenem Traum trennt. Die Glasflasche zerbricht in meinen Händen, als ich zum letzten Schluck des Sommers ansetze und mir mit einer unheilvollen damoklinischen Dramatik der erste Regentropfen des Gewitters vom zweiten Abschnitt auf die Nase fällt: in diesem Augenblick verdichtet sich alles, ein Männerchor beginnt zu singen und ich weiß nicht weiter, ich weiß nicht wo wir sind …
Nur so als Klarstellung: meine Likes kommen nicht aus Mitleid, sondern weil es mir gefällt seit einigen Tagen vor dem Schlafengehen hier noch etwas lesen zu können (was natürlich auch wieder daran liegt, dass es Sommer in Luxemburg ist und ich mir deswegen gerade die Zeit nehmen will oder kann oder muss…)
Hi, hi, Mitleid-Feedback! Oh, habe ich jetzt an der falschen Stelle gelacht?
Nein, jetzt ernsthaft, ich finde es schön das du mal wieder hier etwas reinschreibst. Ich bin ja nicht so ein geselliger Mensch, benutze kein Facebook oder Twitter, und mag eben so lieber einsame Blogs, die durch die riesige, unendliche Blog-Michstraße treiben und wahrscheinlich nie das nächste bewohnte Sonnensystem erreichen werden. Ja, das ist so ein bisschen 2002, aber, hey, warum denn nicht?
Ich freue mich schon auf den nächsten Text von dir!
This summer has not yet been a summer, und ich weiß nicht, woran das liegt.
Every time I read one of your blog posts, I regret not keeping a blog of my own, not consistently, or even at all recently. It’s a strange thing to think that blogging in this way is now on the cusp of being classed among “analog” activities, such as the ones you listed; that blogging actually stands with at least one foot in a space the hyper-social networks of facebooktwitterinstagram neither fit into nor care to be a part of: something that isn’t fully immediate. The way you write into the fog, publish your posts and wait for an answer, an acknowledgment of having been seen and read, strikes me as different from the easy acknowledgment (like-ability) of anything posted on facebook. At the same time, the way you write on here is delicate, is refreshingly human, and from it emerges a tone I wish I could address myself with on the rare occasions I write into my physical diary (rather than just “waaaaaaaaaaaaaahhhhhh”).
What I’m trying to say is: diese Art des Schreibens kommt mir einsam vor, genau wie das tägliche Schreiben an Uni-PCs an dem ich diesen Sommer zu arbeiten habe (in ein Paar Monaten kehrt mein Supervisor aus den US zurück, und wird wissen wollen wie es mit den short stories steht…) – und doch ist es dieses Schreiben, in dem das Meiste gesagt werden kann, eben weil es in erster Stelle für uns selber ist. Zudem ist es mir gerade etwas zu sonnig an einem Samstag Morgen, nach einer langen, anstrengenden Woche voll Regen. Was ich dir noch sagen möchte ist: hoffentlich bald Kaffee. Komm doch mal nach England. Kaffee gibts hier auch.
<3 Ihr seid alle großartig, vielen lieben Dank für die Kommentare!
Georges: Nichts anderes habe ich mir gedacht!
henk: Was für Netzwerke nicht alle seit 2002 aufgegangen sind, kurz der heiße Shice waren und heute spricht kaum mehr wer davon – da bin ich ganz froh, auf meinem Blog ein bisschen Stabilität zu haben. Und ich lese dein Zeug auch (fast) alles!
Flo: All this started because I thought I wasn’t blogging enough, so I try to make a ritual out of it. Not sure how this is going to work when I’m back in Vienna (and I have Uni). Im Moment funktioniert es, und solange es funktioniert werde ich versuchen, das Beste daraus zu machen, auch wenn ich nicht immer zu 100% zufrieden bin mit den Texten. Aber hier steht ja auch “Spielwiese”. Ja, es ist einsam. Trotz Likes und allem. England klingt gut, ich sollte sowieso endlich mal dorthin.
[..] Ich will nichts machen, wo die Menschen dann genau
[..] wissen, wo sie lachen sollen. Nicht, weil ich das für
[..] grundlegend schlecht oder falsch hielte, sondern
[..] weil es nicht das ist, was ich machen möchte.
sehr schön das richtige & wichtige gesagt …
dummerweise scheinen wir aber in einer zeit zu leben, in der viele denken, das große hamsterrad zwinge sie genau dazu:
gemochtgeliked zu werden und strengen sich so furchtbar an.ich wollte nur das gemocht durchstreichen, args …
Ich verfolge deinen Blog schon eine ganze Weile, um ehrlich zu sein, auch wenn das vielleicht weird ist.
Aber sowas passiert manchmal, und jetzt sitz ich da in Asien unter einem Ventilator, auf den pinke Toastbrote gemalt sind und lese deine Einträge der letzten Tage nach, weil Wifi Mangelware ist und ich jetzt binge-konsumieren kann.
“Ich ertappe mich irgendwann bei dem Gedanken, dass ich mich schlecht fühle, weil ich mich nicht unglaublich schlecht fühle oder keine komische Sinnkrise habe (…)”
(Wegen solcher Sätze zum Beispiel treibe ich mich gern hier herum.)
Liken drückt für mich aber keine Wertschätzung aus und es würde sich komisch anfühlen, meine (bis jetzt heimliche), echte Freude über das Geschriebene in die nicht-so-echte Facebook Welt zu zerren und mit einem simplen Daumen nach oben abzustempeln.
Katja
Steven Universe!