Ich habe heute in einem Screenshot die Probleme von „Premiumcontent“ und die Probleme der luxemburgischen Grünen und ihres Mobilitätsverständnisses zusammengefasst, wie schön! Der Blogeintrag ist ein erweitertes Facebook-Posting, weil ich zuerst natürlich nur zwei abfällige Sätze posten wollte, aber natürlich wurde das dann länger. Und ich sehe wenig Gründe, meine Gedanken nicht auch noch einmal hier festzuhalten.
Screenshot von wort.lu. Die zweite Frage habe ich verpixelt, um nicht zu viel Premimumcontent anderer Leute umsonst herzugeben.
Zuerst zum Luxemburger Wort-Premimumcontent, „Wort+“. Ich weiß, dass im Journalismus Fehler oder Missgeschicke passieren. Jeden Tag. Das hat ein Tätigkeitsbereich, der schnell sein muss und von Menschen gestaltet wird, so an sich. Das ist völlig normal und verständlich. Nur: Das Wort verlangt dafür, dass ich mir die Wort+-Artikel ansehen kann, mindestens 115 € (Studierende) oder 225 € im Jahr. Um fair zu sein: Das Foto ist eins von sieben Fotos, die das lange (und recht spannende) Interview bebildern und dass das Wort den bei seiner Leser_innenschaft nicht sehr beliebten Minister nicht noch öfters aus der gleichen Perspektive abbilden wollte, ist auch verständlich. Aber das Bild und die Bildunterschrift ist für bezahlten Premiumcontent doch etwas sehr beliebig, vor allem da Tourismus in dem Interview kein Thema ist.
Nun aber zu der großartigen Aussage vom Infrastruktur- und Nachhaltigkeitsminister Francois Bausch:
… die beste Mobilität ist die, die man verhindert! (lacht) Wenn die Leute in der Nähe des Arbeitsplatzes wohnen und zu Fuß gehen können.
Das ist Quatsch. Also, natürlich ist es super, wenn Menschen in der Nähe ihres Arbeitsplatzes wohnen und zu Fuß gehen. Aber diese Menschen nicht als „mobil“ zu begreifen ist ein Fehler. Das ist die Auffassung von Mobilität, wie sie von MIV-Lobbyist_innen à la ADAC verbreitet wird: mobil ist, wer ein eigenes Fahrzeug hat und damit nach Lust und Laune herumfahren kann. Diese Aussage wurde zur Schlagzeile (die sehen auch Menschen, die sich Wort+ nicht leisten können/wollen/die Abonummer ihrer Eltern benutzen können).
Der Zugang zu einem MIV-Fahrzeug kann ein Baustein von Mobilität sein, aber Mobilität hat sehr viele andere Bausteine, von denen nicht wenige die Infrastruktur betreffen: Kein Auto der Welt bringt mir etwas, wenn es keine Straßen gibt, auf denen ich fahren kann, die schönsten Radverkehrsanlagen nützen mir nichts, wenn der Weg zu Arbeit einfach zu weit ist oder es dort keine guten Abstellmöglichkeiten gibt. Physische Mobilität lässt sich zum Teil durch ersetzen oder verlagern – das Verlegen eines Glasfaserkabels ins Ösling oder das Ändern eines Schulstundenplans kann auch eine Mobilitätsmaßnahme sein. Ich zitiere mich ja so unglaublich gerne, daher nochmal diese Zeilen aus meiner Bachelorarbeit:
Dem Autor scheint eine breite, möglichst viele Faktoren einschließende Definition von Mobilität am sinnvollsten zu sein: selbst ein theoretisches Automobil, das eine unendliche Reichweite hätte, würde ohne geeignete Infrastruktur, also eine Straße, nichts nützen, sondern als „Immobil“ in der Garage herumstehen. Das Miteinbeziehen von Siedlungsstrukturen, Arbeitszeiten und Kommunikationsnetzen ist ebenso wichtig für eine präzise Betrachtungsweise von Mobilität wie die Wahl des Verkehrsmittels selbst (ADAMI 2012).
Ich wohne in einer Großstadt, besitze statt einer Fahrerlaubnis eine Jahreskarte für die Öffis und gehe die meisten meiner täglichen Wege zu Fuß. Und das ist keine verhinderte Mobilität, das ist die beste und für uns alle gesündeste Mobilität der Welt. Ich halte es tatsächlich für einen großen Kommunikationsfehler, den Leuten jetzt zu erklären, ihre Mobilität sei zu verhindern. Nein, ihre Mobilität soll sich nur verändern. Die Infrastruktur ändert sich so, dass die Öffis eine gute Alternative zum MIV werden, das Gerücht, „Umsteigen“ sei ungefähr so schlimm wie ein Weltuntergang wird entkräftet. Und wenn wir dann auch noch schaffen, die suburbanen Strukturen („Citéen“) in urbane umzuwandeln, wird das mit dem Rad- und Fußverkehr in Luxemburg auch funktionieren. Statements, die von „verhinderter Mobilität“ sprechen, sind da leider absolut kontraproduktiv. So bleibt am Ende immer das Gefühl, die luxemburgischen Grünen hätten zwar die richtigen Worte und Konzepte gehört, sie aber nicht wirklich verstanden.
Es ist in meinen Augen auch bezeichnend, dass der Fokus immer auf dem Grenzgänger_innenverkehr liegt, getreu dem Motto „der Verkehr zieht aus dem Ausland ein“. Luxemburg hat mit 660 PKWs auf 1000 Einwohner_innen den höchsten Motorisierungsgrad in der EU, das Problem ist also auch hausgemacht. Ich vermute aber mal, dass die Stammwähler_innenschaft der Grünen in Luxemburg halt auch in „Cités“ wohnt, die „im Grünen“ liegen und daher viel mit dem Auto herumfährt. Ob gezielt versucht wird, die nicht zu verärgern, indem ihre Lebensentwürfe in Frage gestellt werden, kann ich nicht beantworten.
Immerhin kann keine_r sagen, er_sie wäre nicht gewarnt gewesen: Im Wahlprogramm 2013 wollten déi gréng Carsharing flächendeckend einführen, damit die Menschen auf ihr Zweitauto verzichten könnten (cf. Umweltwahlprogramme der luxemburgischen Parteien – déi Gréng). Und ja, das ist alles Meckern auf sehr hohem Niveau, immerhin wird versucht, etwas zu tun. Oder es wird so getan, als würde versucht, etwas zu tun.