Ich steige aus dem Zug. Mein Podcast ist vorbei, und da es sich nicht lohnt, auf dem Weg vom Bahnhof ins Büro noch einen neuen Podcast herauszusuchen, höre ich Musik. Das Lied beginnt langsam, die Melodie wird immer schneller, die ganze Stimmung schwillt an, bis die Künstlerin schlussendlich mit sich selbst im Kanon singt. Aber eigentlich ist das nicht wichtig. Wichtig ist, was für ein Moment die Musik ermöglicht.

Alles, was mich den ganzen Morgen und sowieso jeden Tag beschäftigt hatte – die schlechte Nachricht, die mich im Halbschlaf erreichte, der mit jedem Schritt konkreter werdende Stress auf der Arbeit, die Flut von E-Mails, die mich auch heute wieder erreichen wird, die wahrhaft erdrückende Weltlage voll mit unsagbarer Politik, die nur zum Ziel zu haben scheint, Leid zur vergrößern, die zehntausend zwischenmenschlichen Dinge, die wie kleine Stacheln im Alltag sind – wird ausgeblendet, als zöge jemand den Fader langsam nach unten.
Alle Menschen, die mir begegnen, scheinen mir wunderschön. Ich zünde mir eine Zigarette an und genieße das unbestimmbare Wetter. Die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit, die Sonneneinstrahlung, der Wind und tausend andere Faktoren harmonieren gerade so, dass die Meteorologie auf angenehme Art und Weise nicht zu spüren ist. Vielleicht ist dies nun der letzte richtige Sommertag, bevor der Herbst uns endgültig einfängt und den Weg in die halbjährige Dunkelheit freimacht. Der Gedanke belastet mich nicht.
Für einen kurzen Moment herrscht Stille in meinem Kopf, obwohl das Lied immer lauter wird. Als mir bewusst wird, welches Glück mir gerade widerfahren ist, fällt mir auf, dass ich nicht weiß, woher das kommt und wie ich es jemals replizieren soll. Es bleibt nur, den Moment mit Salzwasser zu übergießen, die Mischung in ein Schraubglas zu füllen und wenigstens die schale Erinnerung zu behalten.