Als ich kein Ende fand.

„Und wieder bin ich versucht, noch ein Ende dranzuhängen, noch eine dramatischere Wendung als die vorige einzubauen. Wieder fällt mir nur dies ein: eine Atombombe zu zünden.“
Die Person, die ich einst Ruth nannte, grinst wieder. Die Erschrockenheit ist dennoch nicht auf ihrem Gesicht gewichen. Ich halte das, angesichts der gestaltswandlerischen Fähigkeiten, die diese Person besitzt – ich bin mir sicher über das, was ich gesehen habe – für bemerkenswert. Sie könnte sich das selbstgefälligste aller möglichen Gesichter geben, aber sie bleibt beim Abbild roher Emotion.
„Du hattest immer schon einen Hang zur Dramatik. Aber noch einmal: Bist du wirklich hier, um wieder einmal mit mir über Metafragen des Stils zu diskutieren, statt dich dem eigentlichen Problem, der schrecklichen, tyrannischen Echse im Raum, zu widmen?“ Ihre Stimme klingt zärtlich, ohne den Hauch der Ironie, die ich dennoch vermute. Ich nehme intellektuell wahr, dass sie die Frage ohne Hintergedanken stellt, aber jede Faser in mir strebt sich gegen diese Erkenntnis und ich fühle mich gedemütigt.
„Ist das in diesem
Fall nicht das Gleiche?“
Ich drücke eine Taste auf der
Konsole.
Sogleich steigt das Wasser nicht weiter. Langsam zieht es sich zurück, aus der Ferne ist ein leises Gurgeln zu hören. Der Beton ist sofort wieder trocken, meine Hosenbeine werden wohl für immer nass sein. Unter der Dusche war es am schlimmsten, die imaginieren Wortgefechte, die ich natürlich immer gewann und gleichzeitig verlor, weil es keine befriedigenden Schluss gab. Irgendwann hat das aufgehört, irgendwann konnte ich beim Duschen wieder an andere Dinge denken, angenehm und unangenehm.
Letztens war es nicht in der Dusche, sondern beim Abtrocknen. Die Gedanken sind herum mäandert, ohne Ziel, frei, und auf einmal standen da wieder die gleichen Fragen im Raum, die gleiche Wut, die ich vor allem auf mich selbst habe, weil es mir nicht gelingt, den Deckel auf dem Gefäß zu lassen und weil es auch nicht klappt, das Gefäß zu leeren und überhaupt nie etwas gelingt in diesem metaphorischen Porzellanladen voller hoher hohler Gefäße aus schönster Keramik, bemalt mit den feinsten detailreichen Zeichnungen in radioaktiver Goldfarbe.
Als ich die Augen wieder öffne, stehen die Person, die ich einst Ruth nannte und ich in einem kleineren, weiß gestrichenem Raum, in dem Vitrinen und Vitrinen voller Krüge, Vasen, Amphoren, Dekanter, Parfümflaschen und -fläschchen, Fliegengläser, Konservengläser – aus Glas, aus Keramik, aus Kristall, aus Metallen, deren Farben ich nicht zuordnen kann – eine zerbrechliche Menagerie, deren Sinn sich mir nicht erschließt.
„Ist das deine Idee eines dramatischen Endes? Ist dies das Ende des Stollens am Fuße des Brunnenschachtes?“
Es hört sich eher wie ein Cliffhanger. Ds müsste, meiner Meinung nach, noch etwas kommen.