Der Satz

Als ich von dem einen Satz träumte

Verschwommenes Foto aus dem Zugfenster. EIne Stadt ist im Hintergrund zu erahnen, im Fordergrund ein Metalpfosten mit Eisenbahnsignal. Scharf ist aber nicht der Blick aus dem Fenster, sondern der Schmutz auf dem sehr schmutzigen Zugfenster.

Und immer noch denke ich, es könne diesen einen Satz geben, mit dem ich alle Zweifel aus der Welt räumen könnte. Als könnte ich eine Kombination von Silben und Wörtern ersinnen, die, korrekt aneinandergereiht, alles sagt, was ich ausdrücken will (minus meine Pickel, die auch mit Anhang Dreissig noch nicht verschwunden sind).

Es ist der Wunsch nach einem einfacheren Leben, mit sechs Beinen oder dichtem Fell, in dem ein Satz genügt, vielleicht auch ein einziges Wort, das, im richtigen Moment auf einem Hügel hoch oben über der Stadt in genau die richtige Richtung gegen den Wind geschrien, die Welt stillstehen lässt, alle Sorgen wegwischt, den fahlen Mond zum Aufgang bewegt und alle Vögel für einen Herzschlag verstummen lässt.

Aber ich habe kein sonderlich dichtes Fell, kein Exoskeleton, keine sechs Beine. Es kann keinen Satz geben, der für mich reichen würde. Es gibt nicht einmal genug Wörter für mich, ich will ständig welche erfinden, ihre Prototypen mit einem 3D-Drucker herstellen und sie, sobald sie serifenreif sind, mit güldenen Lettern in ein großes Diktionär einschreiben.

Aber selbst alle glänzenden neuen Wörter mit ihrer scharfen Eindeutigkeit und präzisen Bestimmung würde ich niemals so nacheinander auf die Perlenkette, die ein Satz ist, auffädeln können, um damit all das sagen zu können, was mir vorschwebt.

So sitze (oder stehe neben dem Spaghettitopf) ich Tag für Tag und scheuche Buchstaben von hier nach da, als sei ich ein überdrehter Hirtenhund, mal ziel- und mal kopflos. Und dann setze ich mich schweigend unter das Sternenzelt und blicke hinauf, in der Erwartung eines Satzes, des einen Satz, der niemals kommen mag.

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