Als sich im Bus jemand neben mich setzte.

Es ist alles ein wenig besser, sicher war es der Tee oder das scharfe Essen oder meine Sorgfalt gegenüber mir selbst, die mich geheilt haben. Eventuell liegt es auch nur daran, dass ich den ganzen Tag zu tun habe und mich gar nicht darauf konzentrieren kann, das Kratzen im Hals zu spüren oder auf die laufende Nase zu achten. Möglicherweise war ich gestern auch lediglich sehr melodramatisch.
Ich erwische einen Zug früher, weil der Verspätung hat und muss ein wenig länger auf meinen Bus warten als gestern, aber den Zug, den ich eigentlich nehmen wollte, sehe ich überhaupt nicht mehr ankommen. Ich muss also alles richtig getan haben.
Im Bus setzt sich eine Person neben mich, die mir – ich nehme an, dass das Zufall ist, denn meist achte ich überhaupt nicht auf meine Mitfahrenden – gestern schon aufgefallen ist. Ich nehme den Rucksack, der auf dem Sitz zwischen uns liegt, auf meinen Schoß, weil es mir unangenehm wäre, so viel Platz einzunehmen, wenn andere Leute ihn brauchen. Außerdem kann ich ihn wie ein Schutzschild vor mich halten, in Falle eines Unfalls ist er mein Airbag, der nur blöderweise nicht mit Luft, sondern mit einer leeren Tupperdose gefüllt ist.
Ich frage mich kurz, ob die Person mich kennt, ob ich sie kennen sollte, ob sie vielleicht sogar wütend ist, weil sie sich extra wortlos neben mich gesetzt hat, damit ich sie erkennen und begrüßen kann. Mir fällt nur eine mir bekannte Person ein, die annähernd so ähnlich aussehen würde. Es ist S., die von der Erdoberfläche verschwunden ist, ohne dass irgendwer weiß, was sie macht oder wo sie ist.
Lange habe ich mich darüber geärgert, über die ganzen Umstände, über meine eigene Unfähigkeit, über das Nichterkennen sämtlicher bemerkenswerter Zeichen.
Heute denke ich mir nur: „Good for you!“ So konsequent, so spurlos, so gut hätte ich das niemals geschafft. So gut nämlich, dass ich mich frage, was denn sein könnte, wenn S. wirklich zwei Sitze von mir entfernt im Bus sitzen würde und ich es nicht einmal merkte.