Die Brache

Als es einen Stromausfall gab

Mein Blick auf die Welt ist getrübt. Nicht nur, dass meine Brillengläser und das Zugfenster schmutzig sind, ich vernebele ihn mir auch selbst. In der Dämmerung fühle ich mich wohl, die Nacht begrüße ich wie eine alte Bekannte, unter deren Mantel ich mich sicher fühle.

Was für ein Quatsch. Es gibt keinen Menschen, unter dessen Mantel ich passe, und in so einer Situation würde ich mich schon gar nicht sicher fühlen. Eher merkwürdig. Zu viel Nähe, die sich komisch anfühlt, die ich nicht aufdrängen möchte und die auch nicht machen würde, dass ich mich sicher fühle.

In der Nacht fühle ich mich sicherer, weil weniger Menschen unterwegs sind, weil es stiller ist, weil Füchse auf den Straßen herumlaufen und versuchen, die Mülltonnen zu plündern, die nicht schon von den Krähen ausgenommen wurden.

Mitten am Tag fällt der Strom aus, auf dem ganzen Häuserblock. Plötzlich kann niemand mehr so tun, als würde er*sie arbeiten, weshalb wir uns erstmal Kaffee holen gehen. Aus allen Geschäften und Lokalen stolpern verwirrte Menschen, die sich verwundert umsehen, ob auch die anderen Häuser keinen Strom mehr haben. „Das ist der Anfang vom Ende“, scherzt jemand und ich lache darüber. Dann frage ich mich, wie ich mich fühlen würde, wenn das jetzt wirklich das Ende wäre, von der Stadt, dem Land, der Region, von allem. Und ich hätte einfach darüber gelacht, wie über einen Scherz den eins während eines Stromausfalls macht. Nicht einmal die Ampeln funktionieren, der Verkehr fließt dennoch. Die Busfahrer*innen sind geistesgegenwärtig genug, an Zebrastreifen stehen zu bleiben, so dass alles wirkt, als wäre nichts passiert. Vielleicht würde die Menschheit die Apokalypse dennoch etwas länger überleben als ich bisher dachte. Vielleicht gibt es Hoffnung, vielleicht ist das nicht nur Quecksilber am Fluchtpunkt.

Jedes mehrstöckige Mehrparteienhaus sehe ich mit sehnsüchtigen Augen an, labe mich in jeder Illusion von Urbanität. Die fiktiven Füchse würden sicher mehr zu fressen finden, wäre hier mehr Stadt. Ich würde mehr Nacht finden oder mehr Menschen, unter deren Mantel ich mich tatsächlich sicher fühlen würde.

Es bleibt nur die Brache.

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