Der rote Tee

Als ich an den Balkon dachte.

komischer rot-cyan-3D-Effekt auf einem Foto von einer Tasse mit rotem Tee. Es steht auf Holzlatten, auf denen auch gelbe Birkenblätter liegen. In der Tasse ist ein Löffel.

Ich werde daran erinnert, dass vor vier Jahren der Monat war, während dem ich einen Monat lang bloggte. Einfach nur, weil ich mir es vorgenommen hatte und es konnte. Ich finde meine Texte von damals natürlich besser als die kargen Skizzen, die ich heute auf dem Klo in mein Handy tippe, aber ich finde ja immer alle Texte, die älter als einen Monat sind, besser als das, was ich gerade produziere.

Ich denke wieder nostalgisch an meinen Balkon und frage mich, ob mein Leben ohne ihn nicht komplett anders verlaufen wäre. Ich denke an Menschen, die dort saßen und immer noch in meinem Leben sind. Vielleicht sollte ich nicht zu viel an Menschen denken, um nicht auf einmal doch wieder an P. zu denken. Dabei habe ich letztens sogar freiwillig von P. erzählt, ohne dass es einen Grund gegeben hätte, nur um mich weiter als Opfer darzustellen, an einen Pfahl gefesselt, mit Pfeilen durchlöchert, still leidend. Das Gegenteil ist auch nicht unbedingt wahr. Ich traue mir selbst als Chronisten nicht.

Mein Kopf ist voller Verschwörungstheorien, und ich spüre wieder den kalten Herbst auf dem Balkon, der rote Tee auf der schönen Holzunterlage, die gelben Blätter der Birke daneben, die scharfe Zigarette in meinem Mund. Und der Griff der kalten Luft, die mich am Ende jenes schicksalhaften Oktober fest im Griff hatte. Ich möchte nie wieder so reagieren, ich möchte mich nie wieder so fühlen – und für einen kleinen Moment vermisse ich es dennoch.

Vielleicht, wenn ich jene Momente noch ein einziges Mal durchleben könnte, würde mir ein Detail auffallen, ein Indiz, das mir den großen Plan verrate und ich könnte „Ha!“ rufen und mit dem Finger auf P. zeigen und mir groß und wichtig vorkommen, weil ich sie überführt hätte. Das würde natürlich nichts ändern, außer dass ich das großartige bittere Gefühl fühlen könnte, Recht gehabt zu haben. Es tut gut, sich als jemanden wahrzunehmen, der in eine Verschwörung, in eine Falle gelaufen ist, voller herzgebrochener Naivität, dem falsche Tatsachen vorgespielt worden sind, aber es ändert nichts an der Realität, die vermutlich nicht so war.

Fast möchte ich einen Tee machen, fast möchte ich nochmal über alles nachdenken.

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