Das Loungen

Als ich unkomfortabel gemütlich saß.

„Hallöchen!“
Ich weiß sofort, wer da spricht. Vielleicht, weil es vergleichsweise selten passiert, dass der Raum um mich herum kippt, ich aber sitzen bleibe und nach einer 281 Grad-Drehung nicht zweimal mit dem Rücken auf dem Boden liege. Und dieser stattdessen unangenehm angenehm in eine Chaise-Lounge gedrückt wird, auf der ich nunmehr sitze und diese schreckliche Begrüßung höre.

„Kannst du bitte nicht ‚Hallöchen‘ sagen? Was für eine schreckliche Begrüßung.“

Die Person, die wir einst Ruth nannten, grinst mich, ihrerseits ebenfalls in einer viel zu bequemen Chaise-Lounge sitzend, an. Mit dem breitesten Grinsen, das mir wie immer klar macht, dass sie mich durchschaut hat, dass ich meine Gedanken überhaupt nicht verbalisieren muss und sie ohnehin schon alles weiß, was ich ihr nur sagen wollen könnte. Nur, dass ich das noch nicht weiß. Und viel wichtiger: Mit dem klitzekleinen Detail, dass ich im Gegenzug noch überhaupt nicht weiß, was sie sagen wird.

„Ach. Und ich soll mich aber eingeladen fühlen von einem dumpfen Gefühl der Unzufriedenheit?“
Die Stimme der Person, die wir einst Ruth nannten, wirkt gespielt beleidigt. Natürlich ist sie nicht wirklich beleidigt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass unser Zusammentreffen mehr mit ihr als mit mir zu tun hat. Ziemlich.

„Vielleicht hast du da sogar ziemlich recht. Wir haben uns nämlich ziemlich lange nicht gesehen.“

Ich sehe mich um. Wir sind im Porzellanladen, nur dass kaum Geschirr herumsteht, dass wir nicht schweben, dass ich völlig ohne Kontrolle bin und auf einer Chaise-Lounge sitze. Ich seufze.

„Ich wusste nicht, dass wir so gut befreundet sind, dass wir uns regelmäßig sehen müssen. Du bist schon länger ohne mich ausgekommen.“
Ich mache eine künstliche Pause. Gerade so lange, dass es sich wie eine unangenehme Stille anfühlt, die die Person, die wir einst Ruth nannten, sicher gerne ausgefüllt hätte, wäre ich ihr nicht zuvorgekommen. Oder sie ließ mir ganz einfach diesen kurzen Moment des Triumphes.

„Ich bin schon länger ohne dich ausgekommen.“
Die Antwort kam so schnell, so schlagfertig, als hätte sie stundenlang darüber nachgedacht.

„Das bildest du dir ein. Und eigentlich weißt du das auch.“

Ich legte einen Fuß von der Chaise-Lounge auf den Boden. Erdete mich selbst auf dem kalten Fußboden, der sich anfühlte wie das Porzellan, das hier verkauft wurde, öffnete den Mund und …

„Du fragst dich, wo die guten Nächte hin sind. Du fragst dich, ob es sie je gab. Du vermisst den Schein deines Globus‘.“

Die Person, die wir einst Ruth nannten, hatte ich im letzten Moment, just als die erste Silbe meinen Mund verlassen wollte, unterbrochen.

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