Als ich Gerüche roch.

Ich fühle mich einsam, obwohl ich auf einer intellektuellen Ebene weiß, dass ich es nicht bin. Es ist erst Dienstags, und die Luft fühlt sich trotzdem so an, als wäre bereits das Ende der Woche. Am nächsten Tag soll es schneien, und ich frage mich, ob ich es verkraften kann, wenn ich morgen durch eine schneebedeckte Landschaft fahren muss. Eigentlich dachte ich ja, der Frühling käme endlich, aber es ist lediglich die scheißverdammte Klimakrise, die uns das vorgaukelt. Ich hätte an der Bushaltestelle dennoch ein Foto von dem lustigen Graffiti machen können, für das es die letzten Wochen immer bereits zu dunkel war. Vielleicht gewinnen wir den Kampf doch.
Wieder bin ich im Wald, und ich habe zwei olfaktorische Flashbacks, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Passivrauchen in der Natur riecht vielleicht anders als in der Stadt, oder ich kriege den Rauch nur so in die Nase, dass es sich anfühlt wie früher, als das noch abenteuerlich oder zumindest so halbwegs verboten war. Es dauert nur einen Bruchteil einer Sekunde, und dann muss ich im Dunkeln versuchen, nicht in eine Pfütze zu treten, weswegen ich diesen Gedanken nicht ausführen, den Geruch nicht besser analysieren kann. Aber da ist noch ein anderer Geruch. Oder Gedanke. Ist das überhaupt voneinander zu unterscheiden?
Eine Person riecht gut, denke ich. Auch das kommt wie ein Flashback und interagiert mit irgendeinem Teil meines Gehirns, über das ich wenig bis gar keine Kontrolle habe. Ich hasse es, wenn das passiert, aber gleichzeitig kann ich nicht verleugnen, dass es sich auf irgendeine merkwürdige Art und Weise „gut“ anfühlt. Vielleicht ist das das, was manche Menschen Reptiliengehirn nennen? 16 Milliarden Nervenzellen im Großhirn und trotzdem bin ich nicht davor gefeit, dass ein glorifiziertes Stück Rückenmark die Leuchten einschaltet, wenn ich einen Geruch rieche?
Die meisten Menschen riechen nicht nach Mensch, sie riechen nach Deo, Parfum oder – und das ist weitaus häufiger – ihrem Waschmittel. Ich rieche also nicht die Erinnerung an einen Menschen, wie ich denke, sondern die Erinnerung an ein Vollwaschmittel oder einen Weichspüler. Das wäre ironisch, wäre meine Reaktion nicht so merkwürdig. Ich stapfe durch den Schlamm, wieder einmal, wie jeden Tag, versuche meine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen und etwas zum Gespräch beizutragen. Vielleicht werde ich die Lichtung niemals finden, vielleicht werde ich mich nicht auflösen, vielleicht werde ich doch nicht steckenbleiben.
Ich möchte den Mond anheulen, doch ich sehe ihn nirgendwo.