Das Wechselspiel

Als ich über die Interaktion zwischen Mensch und Natur nachdenken musste.

Eine weitere Wanderung. Diesmal, nach 11,5 Kilometern, traue ich mich, das so zu nennen. Ich bin recht schnell unterwegs, vor allem am Anfang, obwohl ich öfters auf mein Telefon schaue, um den richtigen Weg zu finden. Nun, nachdem ich drei Touren durch dieses Waldgebiet hinter mir habe, würde ich mir fast zutrauen, ohne jedes Hilfsmittel zu gehen. Aber die Idee, sich eine Aufzeichnung einer Tour, die irgendwer vor mir gemacht hat, auf das Telefon zu laden, war gar nicht so schlecht. Ich liebe das ehemalige Tagebaugebiet, das die Natur langsam zurückerobert, in dem manche Flächen als Trockenrasen gehalten werden, in anderen die Birkenwäldchen langsam die natürliche Sukzession anführen.

Ich komme durch einen Teil des Waldes, in dem ich noch nicht war, er kommt mir seltsam vor, so viele Nadelbäume. Eine Tafel liefert gleich die Erklärung: Hier herrscht ein quasi-alpines Mikroklima, da die Landschaft nicht natürlich so hügelig ist, sondern hier Geröll abgeladen wurde, sogenannten „taubes Gestein“, das ohne Erz ist und demnach nicht gebraucht wurde. Ich staune darüber, wie selbstverständlich mir die Landschaft vorkam, ehe ich diese Information hatte und wie fremdartig und künstlich sie wirkt, nachdem ich das weiß. Dabei stimmt das eigentlich nicht: Ein Wald wirkt immer noch natürlicher und „wilder“ als die Rasenflächen nahe der Abbruchkanten, wo der Berg abgetragen wurde, um an das Erz zu kommen, die vor nicht allzu langer Zeit rostbraune Mond- (oder eher Mars-)Landschaften gewesen sein müssen.

Dieses ganze Naturschutzgebiet besteht nur durch die dichte und wechselseitige Interaktion zwischen Mensch und Natur (was nicht einmal ein Gegensatz sein sollte) und ich finde das unglaublich spannend. Wir schaffen auf gerade einmal 300 Metern Höhe ein alpines Klima, weil hier steile „Gipfel“ aufgeschüttet worden sind – die Nadelbäume sind vermutlich auch gepflanzt worden – und bewundern dann die seltenen Arten, die sich dort ansiedeln. Das gleiche gilt für das ehemalige Tagebaugebiet. Ich wandere weiter, durch „natürlichere“ Wälder, die natürlich auch seit Jahrhunderten vom Menschen angelegt wurden, unter das einspurige Gleis der Dampfeisenbahn, die Tourist*innen zu einem Zentrum des Bergbaus bringt, das heute so etwas wie ein Freilichtmuseum ist.

Ich gehe an Kühen vorbei, an Fischweihern, über einen Trimm-dich-Pfad wieder ins Tal, wo eben der Bahnhof der erwähnten Eisenbahn steht. Der vorgeschlagene Weg führt über eine Straße – nachdem ich den Fehler, der Aufzeichnung ohne Nachzudenken zu folgen, bereits einmal begangen habe, suche ich mir einen Weg durch den Wald. Ich sehe eine Krähe, die mir den richtigen Pfad zu zeigen scheint – auf jeden Fall fliegt sie immer genau dorthin, wo ich gehen muss.

Ich komme am Waldfriedhof vorbei, den ich mich nicht zu betreten traue, ziehe über die üppig wirkenden Graslandschaften, während meine Waden schon etwas kneifen und begebe mich auf den Abstieg, den ich im Vorfrühling bereits nahm.

Am nächsten Tag spüre ich meine Beine immer noch, aber auf eine gute Art und Weise.

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