Der 2020-Musikrückblick

Als ich auf ein Jahr Musikkonsum zurückblickte.

Ich habe mich dieses Jahr so auf mein erstes, richtiges Spotify Unwrapped gefreut, dass ich es überhaupt nicht gepostet habe. Das macht natürlich nichts, denn dafür gibt es ja diesen Blogpost, in dem ich meine Top 10 Alben und Songs präsentiere, obwohl ich mir selbst über die Regeln nicht ganz klar bin. Durch das Abo von dem bösen grünen Musikstreamingdienst habe ich viel mehr Musik gehört als die Jahre vorher. Durch ständiges Homeoffice seit März kann ich auch bei der Arbeit hören, was ich auch ausgiebig getan habe.

Das Jahr 2020 war mit über 18.000 gehörten Songs sogar das Jahr, in dem ich am zweitmeisten Musik überhaupt hörte (und da last.fm anvertraute, was technisch nicht immer so einfach war, bevor es Smartphones gab). Lediglich 2007 habe ich mit über 21.000 Songs mehr gehört. Da wundert es mich jetzt ein wenig, dass es so schwer für mich ist, die Alben des Jahres auszuwählen. Möglicherweise liegt das auch daran, dass ich zwar oft ganze Alben höre, danach jedoch gleich wieder weitergeschickt werde.

Ich mache also das gleiche wie 2019 und wähle einen quanitativ-qualitativen Ansatz. Die ausgewählten Alben entsprechen vor allem den meistgehörten, wurden aber angepasst. Vor allem, wenn sie letztes Jahr bereits vorkamen, habe ich sie ausgelassen. Singels zähle ich nicht als Album, EPs und Soundtracks schon. Werke auf 2020 wurde Vorrang gegeben. Ich präsentiere meine Top 10, so wie es sich gehört, von unten nach oben.

#10 Matthew Halsall – Salute to the Sun

Matthew Halsall macht großartigen Jazz, den ich besonders gerne immer dann höre, wenn ich mich eigentlich auf etwas anderes konzentrieren will. Oder wenn ich im Bett liege, noch etwas mit Menschen schreibe und mir im Hintergrund Musik anhören will. „Gute Hintergrundmusik“ ist jetzt vermutlich nicht das, worauf Musiker*innen am meisten Bock haben, aber Halsall macht auch konzentriert mit Kopfhörern sehr viel Spaß. Ich habe nur leider selten Zeit, Musik konzentriert mit Kopfhörern zu hören. Das neue Album hat mich sehr gefreut, vor allem da es sehr viele Natur-Themen beeinhaltet.

#9 C‘est Karma – Farbfilm

Das ganze Jahr über hat die luxemburgische Künstlerin C‘est Karma Singles veröffentlicht, die mich jedes Mal überrascht haben. So gut produziert, dass ich nicht Luxemburg vermuten würde, wenn ich es nicht wüßte. Teilweise tanzbar, teilweise zum Mitwippen anregend, immer nachdenklich, ohne je die Freude an der Musik zu verlieren. Es sind – wenn man nicht zu genau hinhört – Hymnen für einen Sommer, den wir nicht erleben durften. Ich mag es sehr.

#8 Sigur Rós – Odin‘s Raven Magic

Sigur Rós haben wieder ein Album rausgebracht! Na ja, nicht ganz. Die isländische Band, die ich sehr schätze und die meine Jugend um 200 Prozent melancholischer gemacht haben, ohne dass ich alte Musik hätte hören müssen, hat eine alte Aufnahme von Odin‘s Raven Magic veröffentlicht, der Vertonung einer isländischen Sage. Ich verstehe zwar kein Wort, aber es klingt phänomenal und im wahrsten Sinne episch.

#7 Sigrid Horn – Sog i bin weg

Mir ist bewusst, dass Sigrid Horn, die ich erst dieses Jahr entdeckte, heuer ein neues Album herausgebracht hat. Ich konnte aber nicht anders, als „Sog i bin weg“ auf diese Liste zu setzen. Ich erinnere mich an äußerst melancholische Busfahrten, die nur durch dieses Album so großartig wurden, noch bevor die Pandemie nach Luxemburg schwappte. Ich bin immer noch erstaunt, wie ich beim allerersten Hören kein Wort verstand, dann Kopfhörer aufsetzte und auf einmal alles verstand, als würde ich selbst Wienerisch reden und könnte demnächst mitsingen. Die beste Musik, um traurig dazu zu sein.

#6 Einstürzende Neubauten – Alles in Allem

Die Neubauten haben ein neues Album rausgebracht. Das ich das noch erlebe, hätte ich mir auch nur so halb gedacht, vor allem nachdem das altbewährte Supporter-Modell durch ein etwas teureres Patreon-Modell ausgetauscht wurde. Für die Neubauten hatte ich auch schon eine Konzertkarte, aber das Konzert wurde natürlich abgesagt. Somit bleibt mir nur, das Album zu hören und mich an dem zu erfreuen, was mich an den Neubauten immer erfreut: Der überart großartige Wortspielschatz Blixa Bargelds und der Krach, den die Band auf ihren Instrumenten verursacht.

#5 Squalloscope – Annette EP

Auch diese EP von Squalloscope ist eine von jenen, die in Dauerschleife liefen, wenn ich abends noch herumschrieb und es nicht komplett still haben wollte. Aber auch sonst ein fixer Begleiter, der so schön melancholisch und melodisch ist, dass ich gar nicht aufhören möchte, ihn zu hören. Besonders das Schlusslied Heart Hearth Earth ist mit seinem Manifest so schön, dass ich gar nicht aufhören möchte, es zu hören.

#4 St. Vincent – MASSEDUCTION

Ach, das Album ist von 2017? Ich musste es dieses Jahr trotzdem ständig hören, weil einzelne Songs einfach so gut sind, so tief in meine Seele oder mein Herz oder wie eins das auch immer nennen mag reinstechen, dass ich am liebsten weinen möchte. Besonders „Smoking Section“ ist so großartig, dass ich es immer und immer wieder anhören möchte. Ist das Pop, oder ist es jemand, der meinen Weltschmerz aufgenommen hat und jetzt singt?

#3 Thou – Blessings of the Highest Order

Blessings of the Highest Order ist ein Coveralbum mit Nirvana-Songs. Thou ist eine sludge metal-Band, ich hätte vermutlich Hardcore gesagt, wenn ich es nicht nachgeschaut hätte.Auf jeden Fall ist das Album so eins dieser Geschenke, die während des Lockdowns auf uns niederprasselten, weil Leute halt herumsaßen und sich etwas ausdenken musste. Ich liebe es, besonders „Something in the way“ ist so großartig. Vor allem haben Thou nicht unbedingt ein Nirvana-Best Of-Album neuinterpretiert, sondern ihre Lieblingssongs. Das merkt man, und das ist auch gut so. Viel Krach, aber genau der richtige Krach für die düsteren Tage.

#2 British Sea Power – Disco Elysium OST

Was soll ich sagen? Ich liebe Disco Elysium halt und ich verstehe, warum ZA/UM ihre Lieblingsband damit beauftragt hat, den Soundtrack für ihr Spiel zu machen, denn British Sea Power macht großartige Musik, die aus Disco Elysium mit das machen, was es ist. Einziger Wehrmutstropfen ist für mich, dass „The Smallest Church in Saint-Saëns“ nicht auf dem Album ist.

#1 Perfume Genius – Set My Heart On Fire Immediately

Dieses Album begleitet mich schon so lange, dass ich kaum glauben kann, dass es erst 2020 rausgekommen ist. Es ist mein Go-To-Album, wenn ich Blogeinträge schreibe, wenn ich meine Gedanken sortiere, wenn ich eine beruhigende Stimme im Hintergrund haben will, die mich gleichzeitig mitreißt und mir etwas erzählt. Ich war laut Spotify in den obersten 0,5 Prozent-Fans von Perfume Genius. Und das mit voller Absicht.

Ich war dieses Jahr auch nur auf einem einzigen Konzert, das bestuhlt in einer Burgruine stattfand. War gar nett, aber Konzerte gehen ja eigentlich anders.

Top 10 Songs

  1. Kim Wilde – Kids in America (Der Song war auf einer Playlist einer Person von twitter und ich musste den dann einfach ca. 10.000-mal hören, weil er so catchy ist.)
  2. My Ugly Clementine – Unwritten – Acoustic Version (Ich muss jedes Mal fast weinen)
  3. British Sea Power – The Smallest Church in Sussex (Ich möchte ein Hotelzimmer zu dem Song zertrümmern)
  4. Torres – Wandering Star (die versteckte Düsterheit des Originals exzellent hervorgehoben)
  5. Siouxsie and the Banshees – The Passenger (besser als das Original)
  6. TOMASA DEL REAL – La Vampira (Der Song mat so viel Spaß!)
  7. Honey Gentry – Aphrodite (Das schönste Gebet in Musikform, das mir je untergekommen ist)
  8. Fleetwood – Mac Dreams (jaja, wegen diesem Meme auf tiktok, das überall herumging. Es ist aber auch einfach SO ein guter Song!)
  9. Bishop Briggs – We Will Rock You
  10. Mount the Air – Magpie (Ein großartiger Song, wie ein musikalisches Gebet, der auch in Wahrheit nicht so weit oben auf der Liste stand, der aber gefehlt hätte, hätte ich ihn nicht einbezogen)

Spotify drückt mir oft seltsame Coverversionen recht bekannter Songs auf. Und ich tendiere dazu, die sehr zu mögen und ewig zu hören. Ich bin gespannt, wie sich das weiterentwickelt. Die ganze Liste meiner Top 100 aus 2020 könnt ihr übrigens hier hören.

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