Die Nichtmehrunumarmtheit

Als ich umarmt wurde.

Ein Käfer krabbelt kupferfarben und das Licht brechend im Betonhof umher, verirrt sich kurz unter meiner Sandale, bis ich sie hochhebe und er erneut die Freiheit genießen kann. Ungeachtet dessen steht mir immer noch die Person, die wir einst Ruth nannten, gegenüber. Mit ausbreiteten Armen, die nicht so einladend aussehen, wie sie sich anfühlen sollten.

Wir umarmen uns. Es fühlt sich so an wie immer, nach nichts und nach der besten, vollsten, festesten, zärtlichsten, liebevollsten und schmerzhaftesten Umarmung aller Zeiten. Für einen Sekundenbruchteil spüre ich sämtliche menschlichen Empfinden gleichzeitig, dann fängt ein Teil meiner Wahrnehmung an, dieses übernatürliche Phänomen als etwas bekanntes einzuordnen und filtert jene Sinneseindrücke, die ich mangels Referenz niemals zuordnen könnte. Ich lege meinen Kopf auf die Schulter, die mir angeboten wurde. Ich versinke darin, als wäre dieser Körper ein zu weiches Kissen. Ich spüre eine Hand in meinem Nacken, auf meinen Hinterkopf, sechs lange dünne Finger, die mich kaum berühren und doch fest halten. In meinem Kopf formt sich ein Wort in Großbuchstaben: „TROST“.

Mein Körper spannt sich an, als könne ich tatsächlich weinen, ich halte die Luft an. Der Käfer krabbelt weiter.

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