Ausgeschüttet und wütend

Als ich Kaffee verschüttete.

Zwei Fotos mit vollen Tassen mit Milchkaffe auf Holzfußboden. Neben den Tassen liegen Kaffeebohnen. Die Bilder sind von einer KI generiert und sehen deswegen etwas merkwürdig aus.

Die Kaffeetasse kippt um, der lauwarme Kaffee bildet einen sehr flachen See auf meinem Schlafzimmerfußboden. Immerhin ist er mir nicht auf mein heiliges altrosa Sofa gekippt. Ich ärgere mich. Über diesen unnötigen Verlust. Über die Umstände, in denen es zu ihm kam, die immer mit zu wenig Achtsamkeit zu tun haben. Diesmal hat es nur den Fußboden getroffen, das letzte Mal war es die Laptoptastatur, die In meinem Kopf tadele ich mich selbst mit der Stimme meines Vaters.

Den ganzen Tag über bin ich schlecht gelaunt, aber vielleicht das gar nicht an dem verschütteten Kaffee. Noch ohne Brille vor den Augen sehe ich mir Instagram an, was vermutlich nicht die beste Idee ist, den Tag zu beginnen. Dort sehe ich einen Post, bei dem jemand Memes von „Galerie Arschgeweih“ als Antworten auf Fragen bei Grindr benutzt hat. Ich halte das für ziemlich gephotoshopt. Bei näherer Betrachtung ist es das vielleicht nicht, aber es hat trotzdem sehr starke „erfunden“-Vibes. So wie diese Facebookdialoge, bei denen immer alle perfekte Rechtschreibung und Interpunktion beherrschen, aber sich trotzdem so benehmen, dass es möglichst lustig ist.

Mich macht das irrational wütend. Ich weiß nicht genau, warum mich diese Art von „Fakes“ so stört, aber sie tut es. Vielleicht empfinde ich es als Beleidigung meines Intellektes? Wenn das Ziel gar nicht ist, jemanden hinter das Licht zu führen, warum macht eins sich dann die Mühe, das als Facebook-Dialog zu formatieren? Mir ist dann auch diese „As If Nothing Happened„-Fotoreihe über den Weg gelaufen, die mir sehr bekannt vorkommt. Ich glaube nicht wirklich, dass da (viel) AI/neuronale Netzwerke am Werk waren. Bei dem Foto von Kurt Cobain ist relativ klar, dass es einfach nur gephotoshoped ist: Im Original ist ein Kreuz mit drauf, das hat „die AI“ komischerweise einfach kopiert. Vermutlich hat die Person sogar einfach ein Bild mit einem kleineren Ausschnitt als Vorlage genommen.

Mir kommen die Fotos sehr bekannt vor, zum Beispiel das von Charlie Chaplin. Vor ein paar Jahren gab einen regelrechten Boom an eingefärbten Schwarz-Weiß-Fotos, wie sie zum Beispiel Marina Maral oder Danar Keller macht. Beide haben das gleiche Foto von Abraham Lincoln eingefärbt. Vermutlich stammt daher meine Bekanntheit mit dieser Art Fotos, die haben nämlich immer eine sehr bestimmte Stimmung, was sicherlich mehr mit der Erwartung, die wir an eine bestimmte Epoche haben, zu tun hat, als mit der tatsächlichen Farbgebung der damaligen Realität.

In diesem Artikel sind einige weitere Fotos eingebettet, auch eins von Chaplin. Der sieht aber gar nicht aus wie der Mann auf dem Bild. Ich habe das Original – und ich bin mir sicher es existiert – jetzt nicht gefunden, aber ich tippe darauf, dass es ein aktueller Schauspieler auf einem roten Teppich ist. Eine AI würde Chaplin wohl eher nicht in Farbe und in so einer Situation darstellen, außer sie wird explizit darum gebeten – was auch wiederrum wenig Sinn ergäbe.

Warum mich das jetzt so wütend macht, weiß ich auch nicht wirklich. Vielleicht, weil alle Beteiligten irgendwie unehrlich mit sich selbst sind und aber von mir verlangen, dass ich das glaube? Sowohl der*die Künstler*in die Menschen bei Medien die damit Klickstrecken veröffentlichen und jene, die diese dann für Insta oder Twitter-Clout verbreiten. Mir wäre fast noch ein wenig lieber gewesen, ich hätte diese Fotos, die mir so bekannt vorkommen, 1:1 wiedergefunden.

Möglicherweise geht es mir auch um diese ominöse Medienkompetenz, von der alle immer reden. Viele Wörter wurden darüber geschrieben, dass Deepfakes und AI-generierte Bilder uns bald alle an der Realität zweifeln lassen werden, aber wir sind als Gesellschaft und/oder Medienlandschaft scheinbar alle so bereit, daran zu glauben, dass wir überhaupt nicht mehr in Frage stellen, ob ein Computer ein bestimmtes Bild überhaupt selbstständig erschaffen haben kann. Ich kann dahingehend nur anraten, Blogs wie AI Weirdness zu lesen oder selbst ein wenig mit Stable Diffusion herumzuspielen. Die kostenlos zugänglichen Modelle für Bildgenerierung sind zwar meistens einige Monate oder gar Jahre hinter dem, was komerziell und nur per Einladung auf obskure Discordserver angeboten wird, geben aber einen sehr guten Eindruck von dem, was so ein Modell realistischerweise ausspucken kann.

Das Titelbild habe ich mit starryai gemacht, ein komerzieller Dienst, der jedoch ein sehr kleines Kontigent an kostenlosen Bildern am Tag ausspuckt. Es sind zwei von den vier Bildern zu sehen, die generiert wurden. Mein Prompt „a shallow sea of spilled coffee with milk on an old wooden floor, the cup empty, trending on artstation“ schien dann doch eher verwirrend.

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