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Zehn Jahre Schreiben

Zehn Jahre Bloggen heißt auch: zehn Jahre schreiben. Deshalb ein Überblick über die letzten zehn Jahre, über Schreibversuche und Stilfindungen. Eigentlich sollte das hier nur eine kurze Liste mit je einem Text pro Jahr werden. Es ist dann ein bisschen länger geworden. Aber im Netz ist ja Platz genug.

Ich behaupte ja gerne, dass ich schreibe, seit ich es kann. Meine erste „Publikation“ war ein Heft über Waldsäugetiere, mit selbst gemalten Bildern. Mit dem ersten Computer im Haushalt kam dann auch Wordpad und damit wieder eine wildtierökologische Abhandlung. Aber hier soll es ja um die Texte im Blog gehen. 2001 habe ich ja nur drei Monate gebloggt, Anfang 2002 bis Juli hat das Blog dann geruht, ehe ich Tag für Tag etwas HTML strickte, es „Blog“ nannte und mir unheimlich cool vor kam, nicht von blogger.com abhängig zu sein und ein eigenes Layout zu haben. Deshalb gibt es aus dieser Periode auch keinen Text, der nicht auch Tagebucheintrag wäre.

23.10. 2001 – Ohne Titel
Mir gefällt das. Die Schreibe ist natürlich unbeholfen, der Wunsch nach zwei Liter Kakao hätte wohl in Bauchweh geendet, aber ich kann ihn mit dem nahenden Winter im Genick durchaus nachvollziehen.

One Dead every day“ habe ich wohl Anfang 2002 geschrieben – beachtet auch das lustige Vorwort, das ich drei Jahre später schrieb. Leider habe ich ziemlich viele längere und prosaische Texte nicht direkt im Blog, das ich damals wirklich als öffentliches Tagebuch verstand, sondern auf statischen Seiten daneben veröffentlicht, so dass es schwierig ist, sie zu datieren. (Beim Umzug auf ein CMS habe ich die Texte nach Gutdünken eingeordnet.) Wer sich ODED nicht antun will: Meine damaligen Lehrer_innen und Klassenkamerad_innen metzeln sich gegenseitig ab. Im Weltraum.

2002 und 2003 waren auch die Jahre von „NEON ODED“, eine Mischung aus einer Neon Genesis Evangelion-Fanfiction (deren Fanfictionhaftigkeit ich mir aber nicht eingestehen wollte!) und dem eben erwähnten, etwas älteren Text. Interessanterweise habe ich mit NEON ODED etwas getan, was ich sonst mit so gut wie keinem wichtigen Text getan habe: Ich habe ihn nie online veröffentlicht, sondern nur Freund_innen gezeigt. Was wohl auch sein Verhängnis ist. Ich habe ihn nämlich nicht mehr auf der Festplatte, bei irgendeinem Crash ging er verloren. Was eigentlich schade ist, denn er war ca. 60 Seiten lang und wäre sicherlich ein interessantes Dokument meines Schreiben-Lernens gewesen.

Sehr glücklich war ich damals nicht. Es fühlt sich nicht gut an, über diese Zeit zu lesen. Kein Wunder, dass der Löffelmörder in dieser Periode entstanden ist, ein Text, der offenbar nur noch auf ff.net zu finden ist. (Die Fortsetzung ist allerdings im Blog.) Ab Oktober 2003 wurde es besser. Ich lernte L. kennen, schreib merkwürdige Songtexte und solche Aufsätze in der Schule.

2004 schrieb ich an einer Fantasygeschichte, in der die verschiedensten Personen aus meiner damaligen Clique auftauchten. Ich glaube, auch dieser Text ist verloren, einen Ausschnitt gibt es hier. Ich finde es interessant, wie ich damals so bloggte. Das sind oft Tagebucheinträge, bei denen die Gedanken so derart hin und her springen, dass ich sie wahrscheinlich oft nur selbst verstanden habe. Ich muss wahrscheinlich nicht erwähnen, dass vieles von dem, was ich damals geschrieben habe, mir heute zumindest schleierhaft ist. Musik beschreiben konnte allerdings ich besser als heute, habe ich das Gefühl.

Anfang 2005 versuchte ich zu dichten. Lustigerweise habe ich 2005 meine immer noch existierende Rubrik „fiktive Gespräche“ begonnen, in der ich, wenn ich das richtig sehe, immer nur Gespräche mit A. geführt habe, zum Beispiel dieses hier. Gedichtet habe ich immer noch, allerdings für ein Mädchen. „When I come arround“ war ziemlich beliebt bei den Leser_innen, so dass es sogar eine vorgelesene Version gibt. Nach meinem Rant über die luxemburgische Blogosphäre nahmen mich die Eingeborenen gut auf und wählten mich zu ihrem König. (Oder so ähnlich.) *fucker war wohl der Anfang zu dem, was so was wie „mein Stil“ werden würde. Ich würde den Text heute anders schreiben, aber ich finde ihn immer noch sehr spannend. Beschreibungen von Zärtlichkeiten und Sex, wie feeling so unholy fand ich damals aber wohl noch spannender.

Anfang 2006 lernte ich L. kennen und schreib AIDYLL, das ich mit Scribus zu einem pdf machte und als Heftchen fotokopieren ließ und verteilte. Es folgten oben erwähnte Beschreibungen wie Steg oder FrühlingsErwachen. Für Schwalbenhimmel gab es immerhin einen Anlass. Heute finde ich Texte wie days of war, nights of love oder den Sci-Fi Versuch Weltraum Blues ja wesentlich interessanter, ich würde die Kuschelprosa aber nicht unterschätzen, immerhin habe ich sogar noch 2007 einen solchen Text öffentlich vor Publikum vorgelesen. Weltraum Blues stammte übrigens aus einer Sci-Fi-Serie, die als Wiki angelegt war. Das Wiki war auf einem unglaublich tollen Wikisystem aufgebaut, das alle Funktionen hatte, von denen MediaWiki wahrscheinlich heute noch träumte: nur updaten konnte man es nicht. So sind auch dort viele Texte verschwunden. Achherje. Stelle ich die Texte nicht online, verschwinden sie, stelle ich sie online, verschwinden sie erst recht.

2007 war voller interessanter Texte: XX/Y. Oder das Gedicht Tränen, das mir einfach so auf der Straße einfiel. Ich schreib an einem Text namens EVA, immer noch inspiriert von Neon Genesis Evangelion und L. Ich würde EVA auch heute noch Potential geben. Irgendwann vielleicht. Bei meinem ersten Freewriting-Text habe ich Ina entdeckt. 2007 haben wir les jeunes melancoliques gegründet und im Dezember das erste mal im D:qliq vor Publikum gelesen. Mit Hoffnung habe ich die Arbeit an Kuchenbaum begonnen, unwissend, was da kommen würde.

Anfang 2008 fühlte ich mich wortlos und pflanzte den Wunsch, mit den jungen Melancholiker_innen in einem VW-Bus nach Skandinavien zu fahren. Was wir übrigens nie getan haben. Ich war 2008 trotzdem viel unterwegs und kam nicht immer ganz damit zurecht. Ich glaube, Ein dicker Strich aus schwarzer Kreide ist der erste Text, in dem das Zeppelin erwähnt wird, sicher bin ich mir allerdings nicht. Im September begann mein letztes Jahr in der Schule und ich kritzelte rote Zeichen in meinen Kalender. Übrigens die Daten der Examen.

Im Februar 2009 verliebte ich mich richtig heftig, das erste Mal in meinem Leben. Fühlte sich an wie ein Tumor in meinem Kopf, der sich dann verflüssigte und schließlich platzte. Im Sommer war dann nicht nur die Schulzeit vorbei, sondern ich fand das Zentrum des Universums. Ein Gefühl, das ich eigentlich gerne mal wieder hätte.

2010 vermisse ich k. auf meinem Fensterbrett, habe Kopfschmerzen und rieche Benzingeruch. Wien hat mein Schreiben verändert. Das Tagebuchartige ist wieder da, aber in einer prosaischen Form, die mir immer noch sehr gut gefällt. Ich wartete auf Dr. Kroko und warf Gewehre über Bord. Der Herbst war emotional sehr anstrengend, was ################################# und Yogaübung klar zeigen.

2011: Kälteeinbruch im März. Ich wünsche mir mehr verfickte Poesie in meinem Leben und finde sie im April beim Duschen. Noch bevor der Sommer richtig begonnen hat, versuche ich mir vorzustellen, wie ich ihn erinnern werde. Natürlich kam alles ganz anders als geplant.

Wow. Zehn Jahre. Ich staune immer noch über diese Zeit. Ich tue mir schwer mit vielen Texte, die im Blog stehen. Ich könnte sie höchstens aus heutiger Sicht kommentieren, aber wie lächerlich würde das in ein paar Jahren erst wirken. Löschen ist keine Lösung, also müssen sie stehen bleiben, als Zeugen von dem Joël, der sie vor sieben, acht, neun, zehn Jahren schrieb.

Hättet ihr andere Texte für diese Retrospektive ausgewählt? Gibt es Texte, die euch besonders am Herzen liegen, die euch berührt haben?

photo: some rights reserved by Thomas Fisher Rare Book Library

Zehn Jahre Bloggen

Krass. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Zehn Jahre! Ein Jahrzehnt! Dabei bin ich noch nicht mal drei Jahrzehnte auf diesem Planeten. Ich habe mit vierzehn angefangen zu bloggen, damals noch bei blogger.com. Ich weiß nicht, ob es noch eine Ruine der ersten paar Monate bei blogger.com gibt, ich schätze nicht.

Gerade sitzt ein Kumpel bei mir und wir lesen und gegenseitig Blog- und Tagebucheinträge vor und lachen über unsere damaligen Schreibversuche. Wenn ich Sachen wie „One dead every day“ lese, weiß ich nicht, ob ich über meinen Versuch, Dragonball, Sci-Fi und meinen offensichtlichen Hass auf meine Lehrer_innen zu einer Fortsetzungsgeschichte zu verbinden, lachen, weinen oder mir ernsthafte Gedanken über meinen damaligen geistigen Zustand machen sollte.

Aber gerade das ist das spannende. Ich habe die letzten zehn Jahre meiner Entwicklung ziemlich genau dokumentiert. Von 14 bis 24, wahrscheinlich eine der einflussreichsten Dekaden meines Lebens. Passenderweise habe ich mein Blog kurz nach meinem Geburtstag begonnen.

Wie alles anfing …
Eigentlich wollte ich ein Bildbearbeitungsprogramm. Damals gab es in Luxemburg noch kein DSL, oder es war so teuer, dass meine Eltern sich das nicht leisten wollten. Über ISDN war es nicht möglich, sich GIMP herunter zu laden. (Heute dauert der Download weniger als eine Minute) Zumindest war die .exe immer defekt, warum auch immer. Die Lösung bot Martin, eine meiner längsten Internetbekanntschaften, mit der ich noch immer in Kontakt – über Facebook, ironischerweise – bin. (Danke für die Karte aus Brasilien, übrigens!) Auf einer Heft-CD gab es GIMP. Und in dem Heft einen Artikel über Blogs.

Natürlich hatte ich davor eine Homepage. Zusammengebastelt mit dem damals schon veralteten Netscape Composer, gehostet auf tripod, das damals Lycos gehörte. Das war eine Suchmaschine, die Fernsehwerbung mit einem schwarzen Labrador schaltete. (Fernsehwerbung für Suchmaschinen! Überhaupt: Suchmaschinen! Plural!) Ich glaube, darauf standen Dinge über mich und Harry Potter. Überhaupt hat meine Netzsozialisation viel mit Harry Potter zu tun gehabt, auch Martin kannte ich aus dem Phoenixfeder/Expertenrunde-Forum. Er hat mich dann auch animiert zu bloggen: „Das wäre doch was für dich!“

War es dann auch, wie wir alle gemerkt haben. Der erste Artikel ist typisch für den vierzehnjährigen Joël: „ICH WILL ES ALLEN ZEIGEN !“. Das ich irgendwie „anders“ war wie die meisten Menschen, die mir bis dorthin begegnet waren, war mir klar. Ob mein doch sehr stark nerdhaftiges Benehmen immer zu dem gewählten Ziel geführt hat, wage ich zu bezweifeln. Aber es ist leicht, über Vierzehnhjährige und ihre Vorstellungen und vermeintliche Naivität zu lachen. Es ist auch merkwürdig, diese Dinge zu lesen. Zu Wissen, dass ich die mal geschrieben habe. Der Joël, der vor zehn Jahren schrieb, dass er es allen zeigen will, hätte sich wahrscheinlich nicht vorstellen können, dass er mal in Wien sitzt, studiert, Referent für Öffentlichkeitsarbeit ist, immer noch bloggt, auf einer Hörbuch-CD veröffentlicht wurde, usw. Der Gedanke macht mich ein wenig wirr.

Zehn Jahre Bloggen heißt auch: Zehn Jahre interessante Menschen kennen lernen. In den ersten Jahren habe ich mich so gut wie nicht vernetzt, ich habe sicher ein Jahr oder noch länger gebloggt, ohne je ein anderes Blog zu lesen. Wenn ich mich richtig erinnere, war das Blog von Doc Rollinger unter den Ersten, die ich gelesen habe, mit dem Herrn Stardustlyricer zusammen. Viele Blogs von „damals“ sind verschwunden oder wurden eingestellt, manche haben einfach aufgehört, ganz still. Andere sind dazu gekommen und stellen sich immer wieder als wunderbare Freundschaften und Bekanntschaften heraus.

Ich hoffe, ich habe euch, meinen Leserinnen und Lesern die letzten zehn Jahre über zumindest etwas unterhalten, anregen und sogar inspirieren können. Ich freue mich auf die nächsten zehn Jahre. Und werde in den nächsten Tagen noch ein bisschen darüber bloggen, wie das so war, in den letzten zehn Jahren und wie es weiter gehen soll. Dank euch!

photo: AttributionSome rights reserved by Thomas Fisher Rare Book Library

High

Bis jetzt habe ich keine Droge entdeckt, die einem auch nur annähernd ein solches High beschert, wie ich es erlebe, wenn ich an meinem Tisch sitze und schreibe, wenn ich versuche, eine Geschichte zu ersinnen, egal wie aberwitzig sie auch immer sein mag […]

Hunter S. Thompson, im Interview mit William McKeen, März 1990

Wunschzettel

  • Freitag-Tasche, (F12 oder F13)
  • Einen Kaputzenpulli aus diesem superteuren extrabold-Geschäft
  • Eine halbwegs ordentliche Kamera, am liebsten natürlich eine digitale Spiegelreflex
  • Im D:qliq lesen dürfen
  • Eine Geburstagsparty im Untergrund
  • Ein Großmembranmikrophon, z.B. das hier.
  • Externe Soundkarte, zum Beispiel diese oder diese

Ich habe am 14. Oktober Geburstag. Durchgestrichene Dinge sind bereits erledigt. Und die Kategoriezuordnung ist ironisch zu verstehen.

Wieso ich blogge: Plädoyer für die Belanglosigkeit

Ich habe eben einen Artikel in der FAZ über Wikipedia gelesen, den ich nicht mal wert finde, zu verlinken. Er ist auch schon über eine Woche alt, kam aber definitiv nach den Scanner-Meldungen. Ich habe dann dran denken müssen, dass die FAZ, wie anscheinend so viele alte Medien, das Internet und vor allem das sogenannte Web 2.0 noch immer nicht verstanden haben. Und wahrscheinlich auch nie verstehen werden. Bei der FAZ musste ich wieder an diesen unsäglichen Artikel denken und habe bei Thierry nachgelesen, was ich damals dazu geschrieben habe:

Jo, mir sin 10000 mol méi kleng wéi RTL. Jo an? I don‘t give a shit on it! D’FAZ huet 1000 mol méi lieser wéi ech? Jo an? I don‘t give a shit on it! Ech kreien deelweis innerhalb vun Minuten en Kommentar, eng perseinlech Reaktion, ech kann eng Relatioun mat mengen Lieser opbauen, ech leiren Leit kennen, an ech liesen wonnerbar Saachen. An daat huet FAZ net verstaanen: Daat d’Leit net aus Domheet bloggen, mee well se Spaß drun hun.

Ja, wir, die Blogger, sind zehntausend mal kleiner als RTL: Na und? I don‘t give a shit on it! Die FAZ hat tausend mal mehr Leser als ich? Na und? I don‘t give a shit on it! Ich bekomme teilweise innerhalb von Minuten Kommentare, persönliche Reaktionen, ich kann eine Beziehung mit meinen Lesern aufbauen, ich lerne Menschen kennen und ich lese wunderbare Sachen. Und das hat die FAZ nicht verstanden: Die Leute bloggen nicht aus Dummheit, sondern weil sie Spaß daran haben.

Das Leben jedes einzeln von uns ist belanglos, ein großes kleines »Blub!« im Angesicht des Universums und ein noch viel kleineres im Angesicht der Ewigkeit. Na und? I don‘t give a shit on it. Wenigstens habe ich Spaß.

Wieso ich blogge (IV) oder: Die gottverdammte Revolution revisited

Blogs sind die besten Medien der Welt. Das könnte man behaupten und dabei vielleicht vergessen, dass die „old media“ in Punkto Einflussnahme alles übertreffen, was sich Blogs je vorstellen könnten. Millionen Leser, Hörer oder Zuschauer, die nie von Weblogs gehört haben und das Internet genauso passiv benutzen wie ihren Fernseher, sind ein schlagkräftiges Argument.

Aber wie lange noch? Meine Generation, und die, die nach mir kommt, wächst mit Blogs, Wikipedia und der Möglichkeit, selbst „Medium“ zu sein, auf. Wir waren die ersten, die unsere Pubertät in Blogs ausgelebt haben, unser Heranreifen mit Worten und Bildern an die Öffentlichkeit gebracht haben. Ich will nicht behaupten, dass dies ein bewusster Prozess gewesen wäre, jedenfalls bei mir war es das nicht. Ich wollte es „allen zeigen“, was ich heute jeden gottverdammten Tag tue, und das brachte jene Dinge mit sich. Ich habe geschrien, geschwärmt, chiffriert und verschlüsselt. Und tue dies heute auch noch.

Wir bereits erwähnt gehöre ich der ersten Generation an, die dies tut. Und ich wage zu behaupten, dass das Fernsehen in seinen beschränkten Möglichkeiten zur Interaktivität nicht mehr „das“ Medium sein wird oder kann für eine Generation, die die Interaktivität und Verknüpfungsmöglichkeiten des Internets von klein auf kennengelernt haben.

Und damit werden auch neue Blogger und Blogleser entstehen, die damit die Wichtigkeit von Blogs steigern. Es war nie leichter, seine Meinung kundzutun und sie einer gigantischen potentiellen Leserschaft zur Verfügung zu stellen. Es gibt kein Medium, das so schnellen, individuellen und oft auch persönlichen Dialog über sich selbst und seine Inhalte erlaubt.

Keine andere Medienlanschaft ist vor „Gleichschaltung“, rein kommerziellen Interessen und ähnlichem so sehr geschützt wie die Blogosphäre. Blogs mit kommerziellen Interessen werden wohl in der Minderheit bleiben, auch wenn es mehr werden; das ist auch noch nicht unbedingt „schlecht“ oder „böse“. Und selbst wenn: Es gibt so viele Blogs, die Blogosphäre )oder die Blogklumpensammlung) ist so komplex, dass diese Dinge gar nicht ins Gewicht fallen, und der Leser hat die Macht, mit dem Blogger zu diskutieren oder das betreffende Blog nicht mehr zu lesen.
Und vor allem: Es entsteht, anders als in anderen Medien, ein Dialog darüber. Blogger und Blogs schauen sehr oft „in den Spiegel“ und denken über sich nach.

Blogs sind subjektiv, sie gaukeln keine objektive Berichterstattung vor. Man weiß quasi, „woran man ist“.

Blogs werden die klassischen Nachrichtenmedien nicht ersetzen können (und wollen es wohl auch nicht), aber deren Funktionsweise und Autorität mehr und mehr in Frage stellen und sie ergänzen.
Blogs sind in Betracht auf die klassischen Medien subversiv. Nicht nur, weil sie die Inhalte hinterfragen können, sondern weil die Nutzer und die Blogger selbst eine andere Form der Kommunikation verlangen werden.

Ist das realistisch? Kommentarfunktionen auf Internetangeboten der Presse sind selten und bieten fast nie einen Dialog. Spätestens mit der Einführung des elektronischen Papiers, das sicher kommen wird, wird es auch für die „gedruckte“ Zeitung technisch möglich sein, diese Funktion einzubinden.

Mit der Zeit wird die Generation derjenigen, die in eine Welt mit Blogs geboren wurden, die Mediennutzung wie sie heute existiert, komplett umkrempeln und die „old media“ dazu zwingen, einen Dialog mit ihnen, den Nutzern, einzugehen. Oder auch nicht. Vielleicht wird sich die Medienlandschaft durch Blogs, Podcasts, Vlogs und ähnliches auch „bloß“ enorm diversifizieren. Oder, aber das halte ich für unrealistischer, Blogs werden „bloß“ ihren kleinen Einfluss behalten, aber wird werden dennoch unseren Spaß haben. Und bei aller Revolutionsphilosophie ist das doch noch immer das wichtigste.