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Zum Licht

Als ich mir einmal mehr bewusst machte, dass nicht alles schlecht ist.

Betonstrukturen und Licht. Tschuldigung, viel mehr ist wirklich nicht zu sehen.

Ich sehe das Licht am Ende des Tunnels. „Wie unglaublich lächerlich“, denke ich. Manchmal unterbreche ich meinen Gedankenstrom, um einen einzigen Satz laut und klar zu denken, so als würde ich ihn aussprechen. Ich schüttele ungläubig den Kopf, um meinen Gedanken zu verdeutlichen. Obwohl hier niemand ist, der das sehen könnte, obwohl ich ganz alleine hunderte Meter unter der Erde knöcheltief im lauwarmen Wasser stehe und Licht mit meinem Telefon mache. So, als wäre das eine ganz normale Sache. Vorsichtig gehe ich weiter. Das Wasser macht laute Geräusche bei jedem Schritt.

Ich fühle mich wohl bei der Arbeit. Es ist ja nicht so, als würde ich in die Tiefe vordringen, um lediglich die negativen Dinge zu herauszubohren. Oder zumindest sollte ich das nicht. Ich habe das Gefühl, dass das, was ich tue, geschätzt wird, dass ich die Aufgaben, die ich zu erledigen habe, gut erfülle. Und meistens ist es nicht allzu stressig. Natürlich ist das stets das Bestreben, mehr zu tun, mehr zu erreichen, aber dafür müsste vermutlich alles etwas größer sein. Manchmal bin ich auch müde, oder das scheinbare Verharren im Status Quo nervt mich, aber im Großen und Ganzen läuft alles.

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Dunkler

Als ich versuchte, mich wieder mit der Dunkelheit anzufreunden

Höhle, auf deren Grund blaues Wasser zu sehen ist.

Gefühlt wird es immer dunkler in dem Tunnel. Ich kann das rational überhaupt nicht erklären, denn ich bin unter der Erde, und es war von Anfang an stockfinster hier, das einzige Licht kommt von der Taschenlampenfunktion meines Telefons. Ich weigere mich immer noch, „Smartphone“ zu sagen, weil ich es für so ein merkwürdiges Wort halte. „Telefon“ bezeichnet allerdings auch nicht wirklich das, wofür ich das Gerät benutze – es fehlt also, wie so oft, eine gute Vokabel. Das Wasser ist immer noch lauwarm, worüber ich möglichst nicht nachzudenken versuche.

Ich vermisse den Balkon. Meinen Balkon, auch wenn ich nie wirklich einen Besitzanspruch hatte. Die Tür war in meinem Zimmer, andere Menschen mussten bei mir klopfen, wenn sie drauf wollten. Ich hatte einen Sitzsack und einen kleinen Tisch, für eine gemütlichere Sitzunterlage hat es nie gereicht. Ich saß oft darauf und telefoniere oder träumte in den Tag, in den Abend, in die Nacht hinein. Das wunderbare Gefühl, „draußen“ zu sein, ohne die eigenen vier Wände verlassen zu müssen. Hier gibt es einen Garten. Eigentlich besser, uneigentlich halt nicht so privat und halt kein Balkon.

Natürlich vermisse ich nicht den kleinen, engen, oft staubigen Balkon, auf dem nicht einmal eine einzige gemütliche Sitzgelegenheit stand. Ich vermisse das Gefühl, das ich damit verbinde. Die Abende, wenn ich mit speziellen Leuten darauf saß und wir rauchten und uns vorfreudig in die Augen schauten. Ich vermisse, darauf zu stehen und in den grauen Himmel zu schauen und mich ganz gut eingepackt zu fühlen in einem kleinen gemütlichen Schuhkarton, bestehend aus dem Innenhof, den Mauern der Häuser, die ihn bildeten, und eben den Wolken über der Stadt.

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Ohne Fackel

Als ich mich weiter in die Tiefe vorwagte

Ein Tunnel, spärlich beleuchtet, der Boden ist mit Wasser bedeckt.

Es ist still. Nur das unheimlich lauwarme Wasser macht Geräusche, als ich durchwate. Sonst ist nichts zu hören. Zu erwarten wäre natürlich, dass ich eine große Fackel entzünde mit einem theatralischen Wusch, wie es auf Hollywoodfilmen bekannt ist und von dem wir nicht wissen, ob es überhaupt realistisch ist, vielleicht ist es nur irgendein Soundeffekt, der immer und immer wieder verwendet wird. Aber ich habe keine Fackel, woher soll ich eine Fackel nehmen? Wie jeder moderne Mensch benutze ich die Taschenlampenfunktion meines Smartphone, wenn ich Licht brauche. Vorbei ist die düstere Zeit, in der die Menschheit darauf angewiesen war, mit dem fahlen Licht des umgedreht gehaltenen Displays ihre Umgebung zu erleuchten.

Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, ich wüsste wieder nicht weiter. Natürlich weiß ich ganz genau, wohin dieser Schacht, dieser Abgrund, dieser Weg führt. Ich sehe Bilder von Schnee in Wien und denke sofort wieder daran, wie unglaublich grandios und gleichzeitig komplett normal es sich angefühlt hat, in der Straßenbahn ganz hinten im letzten Wagen zu sitzen und durch die verschneite Stadt zu fahren. Oder aus dem Lokal zu kommen und durch den Neuschnee zu fahren. Ich vermisse es, durch den Neuschnee in der Stadt zu laufen und mich zu fragen, ob ich nicht bessere Antworten hätte geben können.

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Im Schacht

Als ich das mit dem Befindlichkeitsbloggen wieder einmal versuchen wollte

grauer metalener Förderkorb in der grünen Landschaft

Manche Brunnen sind einfach nur Schächte, in die eins sich an einem Seil herablassen muss, bis das Wasser erreicht ist. Und dann hilft nur ein Sprung in das kalte Nass, um zu dem Grund zu kommen. Moderne Brunnen scheinen Fahrstühle zu haben, Förderkorb genannt, die zwar eine holprige, aber im Großen und Ganzen komfortable Fahrt in die Tiefe ermöglichen. Ich weiß nicht, wie lange es her ist, dass ich wirklich am Grund eines Brunnens gestanden bin.

War ich früher melancholisch, obwohl ich noch kaum etwas erlebt hatte, so bin ich heute nostalgisch, weil ich kaum etwas erlebt habe. Ich lache gerne über dieses Konzept der „Fear of missing out“, tatsächlich aber trifft sie mich jeden Tag. In Gesprächen über das Älterwerden fällt mir immer wieder auf, dass es gar nicht das Älterwerden an sich ist, dass ich damit eigentlich ganz gut zurechtkommen würde – es ist mehr der Fakt, dass immer jüngere Menschen nachkommen und nun jung und cool sind.

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