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In den Brunnen

Gespräche in der Dunkelheit. Bis beide weinen. Einsamkeit hängt nicht davon ab, wie viele Menschen um dich rum sind. Diese Dunkelheit schützt vor nichts. Es ist nicht so dunkel, weil es Nacht ist, sondern weil wir in den Brunnen gestiegen sind, so tief, dass kein Licht der Welt uns mehr erreicht. Ich habe schon lange keine so lange Reise mehr unternommen. War ich überhaupt schon einmal so tief? Es tut weh. Ich stelle mir vor die Schmerzen seien wie Blutegel, die Wunden reinigen. Jeder Satz hallt in mir nach, lange noch. Wahrscheinlich werde ich mich Jahre später noch an diese Gespräche erinnern, so wie immer, so wie damals, als wir über pochierte Eier und Harry Potter redeten. Ohne zu weinen.

Ich träume von Reptilienmenschen und Zügen, in denen zusammengewürfelte Sofalandschaften stehen. Der Zugführer erklärt mir den neusten lokalpolitischen Skandal.
Bald beginnt die Uni wieder und ich weiß nicht, ob ich mich freuen soll. Treffe viele Menschen wieder. Das fühlt sich gut an.

Und es ist noch ein wenig Herzesbrecherkäse im Kühlschrank. So schlimm kann es also gar nicht sein.
« C‘est tellement mysterieux, ce pays de larmes. »

Und plötzlich weiß ich, welches Lied ich jetzt hören muss.

Photo: Kunstschatten in de Sint Pietersberg

Rheinufer

Rheinufer, denke ich. Immer nur Rheinufer.
Ein Schiff mit bunten Girlanden zieht vorbei.
Du bist Ostern nicht Baden gegangen, hast dich nicht rheingewaschen und bereust das immer noch.
Rheinufer.
Dir fällt nichts ein, du blickst in den leeren, grauen Himmel und auch von da fällt nichts, kein Regen, kein Meister, keine Inspiration.
Rheinufer.

Rheinufer (cc by phototram)

Diese Stadt hat dir schon einmal nicht gut getan, dich in den Wahnsinn getrieben.
„Du Ratte!“. Irgendwo spricht jemand mit einem Telefon.
Ein schneeweißer Dom, Bahnhofskapelle, mit dem Dreck nur von Friedenstauben.
M., L., S. und B. verschwinden in einem U-Bahnschacht. Wie Rohrpost verlieren wir uns. zwischen zwei Rheinufern.
In meinem Kopf nur Ufer und U-bahn, nur Stadt und Plan, alles kreist sich um die Engel des Elfenbeinturms.
Als gäbe es keine andere Zeit. Es bleibt doch immer noch ein Ticket, eine Wegbeschreibung, ein Kölsch, ein Gedanke, ein anderes Mal, eine Decke, ein T-Shirt, ein Stift, ein Block, eine Lampe, sonst nichts.
Der Kreist schließt sich. Am Rheinufer?
Das ist nicht wahr.
Die Straße, die alle Romantik besiegt, führt nach Luxemburg.
Wie gut, dass ich die Bahn nehme.

(Photo cc by phototram)

Cologne, after all

(0710152005-Cologne)Da war sie wieder, die grösste Bahnhofskapelle der Welt. Und ich sitze davor, kaum 300 Meter Luftlinie von meiner Residenz von vor 3 Wochen (oder waren es vier?). Ich mag die Stadt, aber heute ist sie unheimlich. Von L. keine Spur. Es ist ja auch ein leichtes, in einer Millionenstadt wie dieser unterzutauchen. Ich bin in Starbucks und versuche, dieses merkwürdige Gefühl, das in meinem Bauch herscht, mit süssen Deuck und etwas, das früher wohl mal Kaffee gewesen war, zu bekämpfen. Ob ich sie nochmal anrufen sollte?
Starbucks ist ein wenig so wie Dönerladen. „Für hier oder zum Mitnehmen?“ Und auch das „Mit Sahne?“ klang für mich ein wenig wie „Mit alles?“. Ein süsses Mädel betritt den Laden. Sie setze sich an seinen Tisch und die beiden begannen eine Romanze.
Habe auf dem Hinweg quasi pausenlos in „Naked Lunch“ gelesen. Macht einen verrückt. Ich frage mich, ob ich je etwas verrückteres gelesen habe. Vielleicht macht es auch krank? Ich kann keine Paranoia gebrauchen. Habe ich erwähnt, dass hier andauernd irgendeine Lennon-Platte läuft?
Das Mädchen ist weg. Ich sah noch ihren Schatten auf dem erleuchteten, aber trotzdem dunkeln Platz. Untergetaucht in der Grossstadt. Genau wie L. Du kannst mit dieser Niederlage nicht leben. Aber sowas von überhaupt nicht.
Was solls? In zwei Stunden flüchtest du wieder, nach Kopenhagen. Es gibt kein zurück mehr. Hier in Köln würdest du sicher irgendwen finden. Im schlimmsten Fall nach Rostock, und sei es nur über den Kupferdraht.
Du machst dich selbst verrückt. Oder dieses Gebräu bekommt dir absolut nicht. Was könnte man hier noch tun, nicht zu weit vom Bahnhof weg? Wieder ein liebes Mädchen, aber die vorhin war süsser. Wetten, dass sie verschwinden wird? Und?
Du musst dich peinlich nach vorne beugen, um es zu sehen. Und was siehst du?
Gar nichts. Im Starbucks verschwinden die Menschen einfach. Oder liegt es an der Stadt?
Dein blödes Geschreibsel bringt dich doch auch nicht weiter…
Es sind noch immer 2 Stunden, grob geschätzt. Wie wird wohl ein Schlafwagen aussehen? Europäer werden wohl immer mehr Komfort haben wollen als Japaner in Kapselhotels. Ein Mädchen kommt mit dem Fahrrad vorbei und du bemerkst, dass du jeden Sinn für die Realität verloren hast.
Los, raus, an die frische Luft mit dir!

Sternenstaub regnet auf uns herab, unablässig

Dies sind die ruhigen Wochenenden am Anfang des Jahres, die ich nie vermisst habe, aber insgeheim gespürt habe, dass ich sie brauche. Ich vermisse L. unglaublich. Wieder, ohne es zu bemerken.
Ich sehe es nur in momenten, als ob meine Vergangenheit sich in kleine Puzzelteile versprengt hätte und ich mich nun auf die Suche nach ihnen machen müsste.
Damals wusste ich nicht, welche Tragweite ein einfacherer Spaziergang hatte. Und genausowenig wissen wir, welche Auswirkungen einfache Sätze von uns haben können.