Der Mond ist so hell in letzter Zeit. Ein milchiges Glasauge, das auf die Erde starrt. Tröstendes, melancholisches Licht in langen Nächten.
Ich stehe im Gang und suche mit der Hand nach dem Lichtschalter. Einen Moment lang ist es völlig dunkel um mich herum. Ich erlaube meinen Augen nicht, sich anzupassen. Genieße die Dunkelheit. Pitch black. Fast wie meine Träume.
Der Mond regt meinen Kopf an. Ich stehe auf dem Balkon, auf dem bereits der Herbst wie ein düsterer Lehnsherr mit Knochenzepter herrscht. Die Wolken um unseren natürlichen Satelliten sind gefärbt. Gelb und violett. Vielleicht bilde ich mir das nur ein. Sieht ein wenig aus wie das Cover von „Dark Side Of the Moon“, nur nicht ganz so bunt. Die Wirklichkeit bietet weniger als der Traum.
Ich mag die Dunkelheit. Langsam gewöhnen sich meine Augen doch an sie. Das Badezimmerlicht blitzt auf, flackert, noch während ich mein Wasserglas fülle. Ich schaue meinen Kopf an, der im Spiegel viel zu groß wirkt. Ich schneide Grimassen. Hilft nichts, mein Kopf bleibt zu groß, wie bei einer dieser Karikaturen, die Leute in Tourismusorten in einer Viertelstunde auf der Straße von jemanden malen. Vielleicht ist das eine Metapher.
Letztes Jahr hat der Herbst viele Hoffnungen gesät. Und ich habe Sturm geerntet, der wie ein gigantisches Ungeheuer über das Land zog und die Ernte vernichtete. Der Mond greift nicht in kosmische Geschicke ein. Ein neutraler Gesteinshaufen, um die Erde torkelnd. Sein Licht ist nicht wertend. Er ist ein zutiefst demokratischer Fels.
Er hört nicht hin, wenn die Spaßguerilla mit ernster Mine verkündet: „Wir müssen dafür sorgen, die Albedo der Erde nicht noch weiter herabzusetzen. Mach mit, spucke deinen Kaugummi auf den schwarzen Asphalt oder verschütte einen Eimer weiße Farbe. Besonders jetzt, im Sommer!“ Er kümmert sich nicht einmal. Denn er weiß: seine Einsamkeit trifft alle. Der kalte Wind scheint direkt aus seiner Umlaufbahn zu kommen.
Es ist egal, ob es die Kühle des Herbstes oder die Traurigkeit des Mondes ist, die diese resignierten Erwartungen bei mir aufrufen. Oder ob das alles nur Annahmen sind. In der Dunkelheit ist es angenehmer als im Licht. Sie schützt mich vor Dingen, die ich nicht sehen will. Und, wie ich es mir einbilde, vor Geräuschen, die ich nicht hören will. Zumindest für den kurzen Moment, bevor ich den Lichtschalter gefunden habe.