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Sigur Rós – Kveikur


Das neue Album von Sigur Rós, das sehr überraschend angekündigt und noch viel überraschender auf einmal da war, klingt nach den Einstürzenden Neubauten. Zumindest am Anfang. Vielleicht haben sie ein Sample benutzt, vielleicht ist das tatsächlich eine sehr verzerrte Gitarre, aber es knattert unverkennbar nach Neubauten.

Das macht mich ein bisschen fertig. Der Gesang ist wieder hübsch abgehoben-ätherisch, die Lebensfreude, die auf Með suð I eyrum við spilum endalaust und teilweise auch noch auf Valtari zu hören war, ist verschwunden und die Musik düsterer und dichter geworden. Es dröhnt und brummt in den Intros und Outros, besonders im Opener Brennisteinn, als drohe Gefahr. Worüber gesungen wird verstehe ich immer noch nicht, das macht aber nichts. Vielleicht wird die Musik dadurch sogar ein bisschen besser.

Auch an Nine Inch Nails fühle ich mich erinnert, am Anfang von Var, dem letzten Titel der knappen 50 Minuten von Kveikur. Ob diese Gleichheiten gezielte Hommagen oder doch eher Zufälle sind, kann ich nicht beurteilen.

Dumpfes Dröhnen und glockenhelle Gesänge. Kveikur hat das Potential, zu einer neuen Lieblingsplatte heranzuwachsen. Mal sehen, ob ich es schaffe, Sigur Rós ein weiteres Mal live zu sehen, der erdrückende Bass ist sicherlich ein grandioses körperliches Erlebniss, das wohl die wenigsten Heimanlagen reproduzieren können. Kveikur ist auf jeden Fall ein Schritt in eine düstere Richtung, was mir sehr gut gefällt. Bis auf diesen Neubauten-Sound ganz am Anfang, der mich irgendwann irre machen wird.

dem Morgenlicht entgegen.

Ich dusche dem Morgenlicht entgegen. Das Fenster ist halboffen, das Bäumchen davor verhindert, dass jemand mich sieht. Nackt, wie ich es halt nun einmal bin, wenn ich dusche. Ich taste mich halb blind, obwohl mit Brille, durch die vielen Flacons, bis ich ein Shampoo und Duschgel gefunden habe, das ich für geeignet halte. Nachher werde ich riechen wie sie. Sie, deren Namen ich noch vor einem Tag nicht zu ihrem Gesicht zuordnen hätte können, die nun nur wenige Meter entfernt ist. Ich versuche, nicht zu viel an sie zu denken, an die Nacht, die hinter uns liegt, um diese Duschsituation nicht merkwürdiger zu machen, als sie es jetzt schon ist.

Als ich in dem leeren Bett lag, ihrem Bett, habe ich mich nach links gedreht, um das Bücherregal ansehen zu können. Bei jedem Buchrücken, den ich las, wurde mein Grinsen breiter. In mir machte irgendwer Luftsprünge. Dann lachte ich mich selbst für die Idee aus. Ein kurzes, hämisches Lachen, wie ich es selbst kaum von mir kenne. Im Hintergrund das Plätschern der Dusche. Zum Glück wird sie mein Lachen wohl nicht gehört haben. Was sie sonst wohl denken würde? Immerhin gibt es gerade keinen Grund zu Lachen. Zumindest nicht laut. Ein wenig Schmunzeln und glücklich aussehen, das wäre der Situation angemessen. Ich kann nicht anders. Ich drehe mich wieder auf den Rücken, grinse glückselig und starre an die fremde Zimmerdecke.

Die folgende Woche ist regnerisch. Wie langen dünne Fäden steht der Regen im Innenhof. Manchmal, in den kurzen Sonnenperioden, wundere ich mich, dass er noch nicht voll gelaufen ist. Meine Gedanken sind überall, aber nie bei den Dingen, die ich tue. Während der Prüfung denke ich statt an Staudämme, Schlauchwehre und Fischaufstiegshilfen nur an Sex. Ich werde trotzdem eine 3 schreiben. Oder ankreuzen. „Ich habe eine Drei angekreuzt“ klingt seltsam, beschreibt aber besser, was wirklich passiert ist. Während ich über Optimierungsverfahren lese, die auf den Bewegungen von Ameisen basieren, krabbeln die Insekten über meinem Kopf, bauen Nester, züchten Pilze und melken Blattläuse. Und wenn es nicht die Ameisen sind, dann weitaus ablenkendere Gedanken.

Ich spiele das gute alte „Was wäre wenn …“-Spiel. Dreimal ende ich in einem Haus mit Bäumchen davor in der Bodenseeregion. Einmal davon baue ich eigene, legal gewordene Drogen an. Ein anderes Mal werde durch Lesungen berühmt, bei der meine Lebenspartnerin im Hintergrund Musik auflegt. Wir geben einem Hochglanzmagazin gemeinsam ein Interview und machen uns einen Spaß daraus, zweideutige Aussagen über unser gemeinsames Sexualleben zu machen und lassen Vieles absichtlich im Unklaren. Sowas passiert mir ständig. Meine Gedanken sind nicht mehr greifbar, ich kann sie kaum in Zaum halten und auf die 180 Seiten richten, die ich aufzunehmen versuche.

Wir sitzen im Park, essen Eis und reden. Die Sonne scheint, im Hintergrund spielen Kinder, Hunde bellen. Es ist einer der Momente, die ich einfrieren möchte. Oder besser, sie in Endlosschleife erleben möchte, unendlich, im schönsten Sinne des Wortes. So wie das unendliche Gespräch über Sex, während Sigur Rós im Hintergrund läuft. Ich will einfach, dass dieser Moment nie aufhört und wir einfach immer weiter reden und reden. Mir wird das erst später bewusst, als ich meine Rollos runter lasse und die Nacht aussperre. Um dann das Licht zu löschen. Dieses Gefühl kommt nicht oft, nur ganz selten. Dieses Gefühl, dass die Welt stehen bleiben könnte, ist ein schwieriger Deckel, es passt nicht auf dunkle Nächte in fremden Betten.

Da ist sie wieder, die Poesie in meinem Leben.

Mit einem Summen in unseren Ohren spielen wir endlos weiter

Með Suð I Eyrum Við Spilum Endalaust
So lautet der übersetzte Titel des neuen Albums »Með suð í eyrum við spilum endalaust« (Ich freue mich darauf, DAS im Radio auszusprechen!) von Sigur Rós, das Ende Juni erscheinen wird. Ab morgen wird es schon einen Vorgeschmack daraus Heute schon gibt es für lau auf der Homepage der Isländer einen Vorgeschmack darauf, geben, nämlich den Song »Gobbledigook « und das dazu passende Video. Und ab 9. Juni gibt es das ganze Album als Stream. Find ich klasse und ich bin ja mal sehr gespannt. Das Cover finde ich hübsch, aber sehr hell für Sigur Rós. Und: Woo-hoo!
(via nicorola. Danke an Georges für den Hinweis, dass es den Titel jetzt schon gibt.)

genuflecting

Hab ich eigentlich schon erwähnt, dass ich das »neue« Sigur Rós Album Heim/Hvarf einfach nur wunderbar finde und seit Tagen damit in den Ohren durch das herbstliche E. wandere, Texte dazu schreibe, damit schlafengehe und wieder damit aufwache?
Ich kann einfach nicht genung von dieser Musik kriegen. Und immer wenn ich glaube, ich könnte es nicht mehr hören, schalte ich es trotzdem ein und werde immer wieder aufs Neue überrascht.

Hoffnung.

Regen tropft beständig auf mein Fenster. Ich habe ein Dachfenster, aber das habe ich sicherlich schon hundert Mal erwähnt. Ich höre immer und immer wieder »Von« von Sigur Rós‚ CD »Heim«. Es ist ein wunderbar ruhiges, melancholisches Lied. Ich erahne Landschaften, die ich noch nie gesehen habe.

Der leichte Regen störte seine Sicht nicht. Er mochte diese Landstraßen in der Nacht, er hätte ewig auf ihnen entlangfahren können. Und er hatte auch noch eine ganz schön weite Strecke vor sich. Die Musik, die das Radio spielte, entführte ihn in eine andere Wirklichkeit. Alles schien so real und gleichzeitig so künstlich, wie in einem hochauflösenden Film. Die Regentropfen. Er hatte noch nie so schöne Regentropfen gesehen. Ihr Trommeln schien mit der Musik zu harmonieren, ein Ganzes zu bilden. Trotzdem hatte er keine Mühe, sich auf die Straße zu konzentrieren. Am Rand tauchten hin und wieder Bäume auf, ansonsten war das Land leicht hügelig und die einzige Abwechslung von den Viehweiden waren die abgeernteten, stoppeligen Felder, die sich allenthalben abwechselten. Einmal ein einzelner Bauernhof, aber das war vor einer Viertelstunde gewesen, ansonsten keine Häuser.

Was hatte ihn dazu gebracht, mitten in der Nacht wie ein Irrer durch diese gottverlassene Gegend zu fahren?
Ein Mädchen natürlich. Sie. Der Regen trommelte weiter. Es gab hier keine Beleuchtung, die Straße und Umgebung war nur im fahlen Licht der Scheinwerfer zu sehen. Er hatte nicht schlafen können. Sein Körper hatte sich angefühlt wie auf Entzug. Noch immer spürte er die feinen kleinen Stiche auf dem Rücken, die er in solchen Situationen immer verspürte, seit seine Haut einmal nach dem Essen bei einem Italiener eine allergische Reaktion gezeigt hatte. Er hatte nie herausgefunden worauf er eigentlich allergisch war, denn der Arzt hatte ihm abgeraten, einen Test machen zu lassen.
cc by Ahmed Rabea

Seine Zigarette glimmte mit jedem Zug in der Dunkelheit auf. Er erinnerte sich daran, wie sie einmal ein Foto davon gemacht hatte. Das war letzten Sommer gewesen. Nur ein paar Monate her. Damals hatte die Welt ganz anders ausgesehen. Die Nächte waren längst nicht so dunkel, nass und kalt gewesen, sondern voller Blütenduft, Grillenzirpen und Poesie, erleuchtet von den Sternen. Er hatte das Foto noch irgendwo, wahrscheinlich bloß auf dem PC, denn er soweit er sich erinnern konnte, hatte er nur ihr ein Exemplar ausgedruckt. Man sah nicht viel auf dem Bild, nur das orangerote Glimmen seiner Zigarette und seine dunkle Silhouette, aber für sie war es die Erinnerung an eine dieser vielen Nächte gewesen, in denen sie durch diese gottverlassene Gegend gefahren waren, oft bis zum Morgengrauen, um sich gemeinsam den Sonnenaufgang anzusehen.

Er war hier nahe an der Grenze. Nicht nur geographisch, sondern auch in seinem Kopf. Eigentlich hatte er schon »ihr« Gebiet betreten, aber dennoch war die Landschaft hier so uniform, dass er nicht wirklich eine Erinnerung daran hatte, wann und wieso er schon mit ihr hier gewesen war. Er fuhr auch manchmal absichtlich Umwege, um dem Unausweichlichen noch ein wenig zu entgehen. Bald würde er so nahe bei ihr sein, dass die Erinnerungen sich nicht mehr verdrängen lassen würden.
Mit einer schnellen Handbewegung schmiss er die noch glühende Zigarette aus dem Fenster. Während dieses kurzes Augenblicks kam spürte er die Kälte dieser nassen Novembernacht, wie sie nur der Wetter in dieser Gegend hervorbringen konnte. Die Nadelstiche auf seiner Haut wurden deutlicher, als er erkannte, dass er gerade an einer Baumgruppe vorbeigefahren war, die den Eingang zu »ihrem Land« markierte.
Sein Atmen ging für einen Moment schneller, dann beruhigte er sich, stellte das Radio lauter, atmete tief ein und konzentrierte sich wieder auf die Straße.

Für einen Moment war sein Herz voller Hoffnung.

(Image cc by Ahmed Rabea)

Filme

Ich freue mich auf eine ganze Reihe von Filme, die dieses Jahr in die Kinos kommen sollen. So zB. der Simpsons-Kinofilm. Obwohl ich mir da nicht sicher bin, wie man eine Geschichte erzählen will, die sich wirklich von der Serie abhebt. Aber ich lasse mich da sehr gerne überraschen.
Dann gibt es noch Across the Universe, bei dem der Trailer einfach so fantastisch aussieht, dass ich wirklich Lust habe, ihn mir anzusehen. Sehr bunt, storiemässig scheint es auch interessant zu sein, und hach, die Studentenbewegung in High Definition!

Es muss aber nicht immer bunt und freie Liebe sein: Children of Men ist da das komplette Gegenteil. Die Menschheit ist steril geworden und es herschen bürgerkriegsartige Zustände. Der Trailer ist es auf jeden Fall wert, angesehen zu werden, da da auch tolle Musik, nämlich von Sigur Rós, verwendet wird. Um Mal an Thierrys Filmposts anzulegen.