_

Republik Luxemburg

Je nachdem, wie die Mühlen der Geschichte jetzt mahlen, wird heute der Tag sein, der als Wendepunkt Luxemburgs in die Geschichtsbücher/ebooks eingehen wird. Großherzog Heinrich I., (eigentlich S. K. H. Großherzog von Luxemburg, Herzog von Nassau, Prinz von Bourbon-Parma, Graf von Sayn, Königstein, Katzenelnbogen und Diez, Burggraf von Hammerstein, Herr von Mahlberg, Wiesbaden, Idstein, Merenberg, Limburg und Eppstein) hat heute bekanntgegeben, dass er das vieldiskutierte Sterbehilfegesetz aus moralischen Gründen nicht unterschreiben und damit legalisieren will. Das ist das erste Mal dass sich Henri aktiv in die Politik einmischt und das zweite Mal, dass ein Großherzog das überhaupt tut.

Und schon das letzte Mal hatte es fast eine Republik gegeben. Ein wenig Geschichtsunterricht:
Am 11. November 1918, also am Ende des ersten Weltkrieges bildete sich in Luxemburg-Stadt ein Arbeiter- und Bauerenrat, der die Abdankung der Großherzoging Marie-Adelheid und die Einführung der Republik beschloss. Dieser sprache bei Staatsminister Reuter vor und überreichte ihm eine Petition, die eine marxistisch geprägte Republik forderte.
Auch in Esch/Alzette und Düdelingen bildeten sich solche Räte, welche die Republik und Abschaffung der Monarchie forderten. Diese Forderungen kamen auch aus der sozialistischen Partei und von einer gewissen Ligue Française, die allerdings auch einen starken Anschluss an Frankreich forderte.
Berreits zwei Tage drauf, am 13. November waren vor allem im Escher Tageblatt und in der Volkstribüne Schlagzeilen zu lesen, die die Abschaffungs der Monarchie forderten und der Großherzogin einen Prozess an den Hals wünschten.

Im Dezember 1918 wurde es zusehens verworrener. Die politischen Parteien waren sich nicht nur uneins ob Monarchie oder Republik, sondern auch ob Anschluss an Frankreich oder Belgien.
Im Januar 1919 gab es dann den ersten Versuch, die Republik zu gründen. Ein Wohlfahrtsauschuss (Comité du Salut Public) wollte am 9. Januar eine vorläufige Regierung aufstellen, welche am Tag drauf vorgestellt werden sollte. Da die Republik nicht sofort ausgerufen wurde, wurde dieser Ausschuss von Volksmaßen ausgepiffen. Der Ausschuss wollte die Schranken des Gesetzes nicht verlassen und hatte daher keinen Erfolg.

Am Tag drauf, 10. Januar 1919 wurde nach Verhandlungen mit dem Ausschuss, Soldatenführern und Sozialdemokraten ein weiterer Ausschuss gebildet, der aus René Blum, Gaston Diderich, Jacques Gallé, Aloys Kayser, Adolf Krieps, Eduard Léon, Emil Mark, Josef Palgen, Jakob Schaack, Emil Servais, Josef Thorn, Jules Ulveling und Dr. Michel Welter bestand.

Die französische Besatzungsarmee schützte jedoch die Regierung Reuter. Und sie scheint wohl auch der Grund für das Scheitern des zweiten Wohlfahrtsausschusses zu sein. Zumindest hat sie die Leute, die sich vor der Chamber (lux. Parlament) versammelt hatten, auseinandergetrieben. Am 12. Januar 1919 gab der Wohlfahrtsausschuss seine Niederlage zu und erklärte die Revolution für beendet.

Ein Brief von Gust van Werveke, der diesen am 11. Januar 1919 um 4 Uhr morgens an seinen Freund Marius Wagner auf dem offiziellen Briefpapier der Chambre geschrieben hat, beschreibt er dass republikanische Kräfte und der Wohlfahrtsausschuss die Chambre besetzt hielten und dass, wenn Wagner den Brief in den Händen halten würde, vielleicht schon die Flage der Republik über Luxemburg wehen würde.
Den Briefkopf hat van Werveke folgendermaßen modifiziert:
Gr.-Duché de Luxembourg République luxbeoise

Drei Wochen später erhielt Wagner wieder einen Brief, diesmal mit unverändertem Briefkopf. Die Republik wäre nach nur sechs Stunden bestehen sabotiert worden. Man müsse einen zweiten Versuch wagen, sobald die Gefahr einer französischen Einmischung nicht mehr bestehe.

Die Informationen zu diesem Beitrag habe ich zum größten Teil aus dem Buch Luxemburgische Avantgarde von Gast Mannes, erschienen im Mai 2007 bei Editions Phi. Weitere Informationen kamen von dieser Webseite.
Wenn jemand mehr weiß – die Kommentare sind dafür da!

Man darf gespannt sein, was jetzt mit Luxemburg passiert. Vor allem die Aussage von Jean-Claude Juncker, er habe das schon lange gewusst, macht mich irgendwie wütend. Immerhin hätte man schon länger darüber diskutieren können, aber vielleicht war das ja auch kalkuliert? (Mein Spaß-Vorschlag war ja die demokratische Monarchie: Wir wählen den Monarchen einfach, verraten das aber niemanden. So können wir den Grüßmonarchen benutzen, um asiatische Konzernchefs zu beeindrucken und haben aber ein demokratisches System.)
Bleibt nur zu hoffen, dass wir kein zweites 1919 erleben müssen und die Zeiten anachronistischer Regierungsformen in Luxemburg bald gezählt sind …